Satirisches Meisterwerk im Theater Akzent: „Staatsoperette“ von Otto M. Zykan Wien-Premiere: 13. 9. 2016)
Camillo dell‘ Antonio als Ignaz Seipel mit Seipel-Puppe (Foto: Armin Bardel)
Als Koproduktion mit den Bregenzer Festspielen brachte die Neue Oper Wien die Bühnenfassung der „Staatsoperette“, die als Film vor knapp vierzig Jahren einen politischen Skandal verursacht hatte, im Theater Akzent zur Aufführung. Der vom ORF im Jahr 1977 ausgestrahlte Film „Die Staatsoperette“ von Otto M. Zykan (1935-2006) in der Regie von Franz Novotny thematisierte auf satirische Art die Zwischenkriegszeit und den Austrofaschismus – eine historische Epoche der österreichischen Politik, die nie restlos aufgearbeitet wurde – und erregte damals die Gemüter vieler Politiker sosehr, dass sie selbst mit ihren Äußerungen zu satirischen Figuren und „Lachnummern“ wurden.
Nun bearbeitete der Komponist Michael Mautner das musikalische Fragment und erstellte gemeinsam mit Irene Suchy, der Lebensgefährtin Zykans, eine Bühnenfassung der Staatsoperette, wobei in der Inszenierung von Simon Meusburger die Darstellung der politischen Akteure mit Hilfe von Puppen, die der Puppenkünstler Nikolaus Habjan herstellte, verdeutlicht und karikiert wurde. Das Bühnenbild und die historisch anmutenden Kostüme schuf Nikolaus Webern, für das Video zeichnete Tina Lanner verantwortlich, für das Lichtdesign Norbert Chmel.
In einem Beitrag im informativ gestalteten Programmheft ist ein Zitat des verstorbenen Komponisten Otto M. Zykan über das Werk abgedruckt, das im Untertitel Die Austrotragödie bezeichnet wird: „Was ist die Staatsoperette? Natürlich keine reine Erfindung und natürlich auch nicht die Wirklichkeit. Zurückliegende Wirklichkeit lässt sich nicht wiederherstellen. Die Staatsoperette ist vielmehr eine Darstellung politischer und menschlicher Verhaltensweisen, wie sie uns zu jeder Zeit und in jedem Land vorstellbar sind.“
Der Artikel von Axel Petri-Preis im Programmheft geht auch auf die Bezeichnung „Operette“ ein: „Der Gattungsbegriff „Operette“ im Titel bezieht sich nicht sosehr auf die Musik des Werkes, die gleichwohl Elemente der Operette aufgreift, sondern steht vielmehr für die operettenhafte Handlung, in der die Abgründe hinter der Walzerseligkeit schonungslos offengelegt werden. Die portraitierten politischen Führer demaskieren sich in ihrer Unfähigkeit und Machtgier selbst und geben sich so der Lächerlichkeit preis.“
Gerade das zeigte die Inszenierung, die sich als groteske Satire entpuppte, ausgezeichnet. Viele historische Figuren, wie Ignaz Seipel, Engelbert Dollfuß, Kurt Schuschnigg , Adolf Hitler und Benito Mussolini, werden durch die Puppen geschickt verfremdet – nicht selten blieb dem Publikum das Lachen im Halse stecken!
Gernot Heinrich als Mussolini in Gesellschaft der Damen Catrina Poor, Marie-Antoinette Stabentheiner und Emily Cheung (Foto: Armin Bardel)
Als Kommentator, der die reinen Fakten wie ein Geschichtslehrer erzählte, gefiel der Schauspieler Stephan Rehm durch seine nüchterne Art und klare Aussprache. Wie ein roter Faden ziehen sich die Kurzauftritte der Figuren „Die Linke“ und „Die Rechte“ durch die Handlung des Werks. Dargestellt von der Mezzosopranistin und Schauspielerin Laura Schneiderhan als „Linke“ und von der Sopranistin Barbara Pöltl als „Rechte“, versinnbildlichten die beiden die gesellschaftliche Spaltung und Unversöhnlichkeit der zwei politischen Lager im damaligen Österreich.
Aus dem trefflich und typengerecht ausgewählten Sängerensemble ragten besonders heraus: der Tenor Camillo dell‘ Antonio als Ignaz Seipel und der Bariton Marco Di Sapia, der gleich drei Rollen zu spielen hatte: Walter Pfrimer, Anton Rintelen und Otto Bauer, wobei er als Rintelen sowohl stimmlich wie schauspielerisch auf beklemmende Art und Weise zu überzeugen wusste.
Je zwei Rollen hatten der Tenor Gernot Heinrich als Ernst Rüdiger Starhemberg und Benito Mussolini sowie der Bariton Hagen Matzeit als Engelbert Dollfuß und Adolf Hitler zu spielen. Auch sie sorgten des Öfteren beim Publikum durch ihr exzellentes Spiel für Beklemmung.
Szenenbild mit dem Wiener Kammerchor sowie Laura Schneiderhan (Die Linke) und Barbara Pöltl (Die Rechte) Foto: Armin Bardel
Drei Rollen hatte der Bariton Thomas Weinhappel zu bewältigen, er gab den Polizeipräsidenten, den Arbeiterführer Koloman Wallisch und einen Boten mit Hakenkreuzbinde, die er sich beim Schlussapplaus mit sichtlicher Verachtung vom Ärmel riss. Im Programmheft ist übrigens die bekannte „Koloman Wallisch-Kantate“ von Bert Brecht abgedruckt. Die Rolle des Kurt Schuschnigg spielte der Wiener Bariton Dieter Kschwendt-Michel.
Als optischer Aufputz sollten auch drei Damen genannt werden, die in ihrer leichten Bekleidung für ein wenig Erotik im politischen Geschehen sorgten: Emily Cheung, Marie-Antoinette Stabentheiner und Catrina Poor, als Schützen traten noch Bernd Hemedinger, Matthias Liener und Oskar Gigele auf.
Einen etwas kleineren Part in diesem Werk hatte der Wiener Kammerchor inne. Mit großer Ambition gab das „amadeus ensemble-wien“ unter der Leitung von Walter Kóbera, dem Intendanten der Neuen Oper Wien, die vielschichtige Partitur des Komponisten wieder, die des Öfteren wie ein Donnergrollen das Geschehen auf der Bühne musikalisch untermalte.
Am Schluss nicht enden wollender Beifall des Premierenpublikums für alle Mitwirkenden und das Regieteam sowie Bravo-Rufe für den Dirigenten Walter Kóbera und sein Orchester sowie für Laura Schneiderhan.
Udo Pacolt
PS: Weitere Aufführungen der „Staatsoperette“ finden am 16., 17. und 18. September 2016 im Theater Akzent (Theresianumgasse 18) statt.