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WIEN/ Statsoper: Wiener Staatsballett: „GOLDBERG VARIATIONEN“ –  und erneut ein Blick auf alte Moderne

Staatsoper/Premiere Wiener Staatsballett:

„GOLDBERG VARIATIONEN“ –  und erneut ein Blick auf alte Moderne (27.4.2023)

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Copyright: Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Blicke zurück! Erneut ist in das Repertoire des Wiener Staatsballett ein Programm aufgenommen worden, welches einige Jahrzehnte zurück führt und dem Schaffen heute bereits sehr reifer Choreographen Referenz erweisen möchte. Die Ära der großen Kreativen, eines Balanchine, Robbins, Ashton, Cranko, ist zu Ende gegangen, und der Nachfolge im modernen Tanztheater war nur mit ganz wenigen Ausnahmen (etwa John Neumeier) weder die handschriftliche Originalität noch die Erzählkraft dieser genialen Tanzschöpfer-Generation gegeben. Mehr und mehr hat das Schaffen der damals jüngeren Choreographen zu einer von einem gewissen Manierismus geprägten Tanzsprache geführt. Extrembeispiel: Die zuletzt vom Wiener Ensemble uraufgeführte Piece von Marco Goecke, dem Hundekot-Artisten von Düsseldorf. Oder auch Florentina Holzingers erfolgreiche Trash-Aktionen entsprechen solchen Weiterentwicklungen. Generell sind in den anderen Kunstsparten ebenfalls solch ähnliche Entwicklungsprozesse im letzten halben Jahrhundert klar festzuhalten.     

Zurück in die 80er, 90er Jahre, den Blick auf die nun einstudierten „Goldberg Variationen“ geworfen. Heinz Spoerli (Jahrgang 1940), hochgelobter Schweizer Ballettpionier, hatte 1993 rein von Bewegungs-, Beziehungsästhetik gelenkt diese überüberlange Deutung von Johann Sebastian Bachs Klavier-Variationen (solo und bravourös im weiten Zuschauerraum: der koreanische Pianist William Youn) für 36 TänzerInnen des Düsseldorfer Ballettensemble ausgedacht. Sehr, sehr schön arrangierte Formationen ergeben sich immer wieder auf der dekorationslosen Bühne. Am Beginn vor allem und zum Ausklang für das sich geschlossen präsentierende Ensemble. In nicht enden wollender Folge dürfen hierauf die in wechselnden bunten Trikots gestylten Interpreten jeweils zu den hier eher besinnlich meditativ als munter erheiternd anklingenden Bach-Varitionen ausgefeilte Tanz-Attitüden in nobler Ästhetik ausführen. Sie bleiben für den Großteil des Publikums wohl anonyme Virtuosen. Jedenfalls: Liudmila Konovalova, Olga Esina, Davide Dato, Brendan Saye seien stellvertretend angeführt – in der ermüdenden Länge stets formvollendet anzusehen. Aber auch: Nicht genieren muss sich der Besucher, welchem nicht hin und wieder die Augen zufallen.

Und, hier als Vorspiel für die „Goldberg Variationen“, weiter zurück in das Jahr 1986, ins Pittsburgh Ballet Theatre. Der damals 34jährige Israeli Ohad Naharin, voll modern am Weg, hat für ein kleines Ensemble adäquat zu Arvo Pärts „Tabula rasa„, feine Klangfarben-Meditationsmusik, ein auf sensible Seelen-Metaphern, auf eine konzentrierte Innenschau ausgerichtetes vorgeführtes Tanzstück kreiert. In legerer Dress und doch ätherisch gedacht. Mit in unseren Tagen wohl bereits als stereotyp anzusehenden gewissen, sich oft wiederholenden Manierismen in den Bewegungsabläufen …. bis zu deren Stillhalten.

Eine lockere Begegnung für den an Ballett interessierten Besucher ist dieses gekonnte Auftauen der Moderne früherer Tage sicher nicht. An eigener Ästhetik, an Qualitäten mangelt es beiden Choreographien keineswegs. Dirigent Christoph Koncz lässt Pärts verästelnd zerfließendes Konzertstück fein zerfließen. Und die erstklassigen Solisten wie Corps-TänzerInnen dürften wahrscheinlich doch lieber zu farbenreichen Tschaikowski-Seelenklänge ihre volle Hingabe ausleben wollen.  

Meinhard Rüdenauer

Zu einem Kurzvideo

 

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