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WIEN / Staatsoper Wolfgang Amadeus Mozart IDOMENEO

Aus fünfjährigem Dornröschenschlaf wachgeküsst

17.02.2019 | KRITIKEN, Oper

 

WIEN / Staatsoper
IDOMENEO von Wolfgang Amadeus Mozart

6. Aufführung in dieser Inszenierung
Samstag, 16. Februar 2019       Von Manfred A.Schmid


Aus fünfjährigem Dornröschenschlaf wachgeküsst und quicklebendig

Als die von Kasper Holten besorgte Neuinszenierung von Mozarts lange unterschätzter Oper Idomeneo im Oktober 2014 an der Wiener Staatsoper ihre Premiere hatte, konnte sich das Publikum und ein Teil der Kritik für diese Produktion gar nicht sehr begeistern. Es hagelte Buhrufe, vor allem für das modern-abstrakte Bühnenbild von Mia Stensgaard. Vereinzelte Rezensenten hingegen erkannten schon damals dessen Potenzial. Die Wiener Zeitung etwa lobte „eine packende Inszenierung, die dank starker Bilder auch im Repertoiremodus ihre Kraft nicht einbüßen wird“. Insofern ist es unbegreiflich, warum diese Produktion seither nicht ein einziges Mal auf dem Spielplan gestanden ist und erst jetzt – anlässlich der erst sechsten Aufführung (!) – wieder einem Augenschein unterzogen werden kann. Und gleich vorweg: Die Inszenierung erweist sich – nach fast fünfjährigem Dornröschenschlaf – als tragfähig und durchaus brauchbar.

Auch musikalisch wurde offenbar gut vorbereitet. Unter der Leitung von Tomás Netopil wird die ungemein differenzierte und farbig instrumentierte Partitur des damals 25-jährigen Mozarts – wohl seine revolutionärste und musikalisch reichhaltigste Arbeit überhaupt – transparent und feinsinnig zum Klingen gebracht. Mozart mag man eben. Und da Idomeneo zu Recht oft auch als Mozarts Choroper bezeichnet wird, hier gleich auch ein dickes Lob für den Staatsopernchor, der – geleitet von Martin Schebesta – auch mit respektablen Chorsolisten aufwarten kann: Dritan Luca, Ion Tibrea als Trojaner und Thomas Köber, Michael Wilder, Younghee Ko und Barbara Reiter als Kreter bzw. Kreterinnen.

In der Titelpartie erinnert der aus der Schweiz gebürtige Bernard Richter stimmlich an die Premierenbesetzung mit Michael Schade. Ein warmer, heller Tenor, der gut zum Charakter des unglücklichen, vom Schicksal verfolgen Kreterkönigs Idomeneo passt. Dieser hat wenig Heldisches an sich, sondern ist eher ein Mitleid erregender Jammerlappen. Gerade für diese Figur aber hat Mozart reichlich „geschnittene Nudeln“, wie er die Koloraturen zu nennen pflegte, zubereitet. Manche liegen dem Sänger doch etwas schwer im Magen – pardon: in der Kehle. Alles in allem aber ein guter Einstand bei seinem Rollendebüt im Haus am Ring.

Der ebenfalls als Gast firmierenden Rollendebütantin Irina Lungu ist in der zentralen Vierergruppe Idomeneo-Idamante-Ilia-Elettra die Partie der Elletra zugeteilt. Die russische Sopranistin, eine allseits begehrte Traviata auf den Opernbühnen der Welt, erledigt ihre Arbeit mit gut geführter Stimme und dramatischem Talent. Die Arie „Idol mio“ im 2. Akt lässt aufhorchen, die Abschiedsszene „D´Oreste, d`Ajace ho in seno i tormenti“ verfehlt ihre erschütternde Wirkung nicht. Dennoch hat man das Gefühl, dass hier vor allem Routine dominiert. Beim Schlussapplaus ist sie ganz die Diva – und damit etwas mehr, als ihr in dieser Konstellation tatsächlich zukommen sollte.

Rachel Frenkel, Valentina Nafornita

Die beiden noch fehlenden Stimmen in der Viererkonstellation – Idamante und Ilia – sind Hausbesetzungen, ebenfalls mit Rollendebüts. Rachel Frenkel in der Hosenrolle des Idamante zeigt eine weitere Facette ihres breiten Spektrums, das von Barockopern über Mozart (Cherubim) und Strauss (Komponist) bis zur Gegenwart (jüngst Lea in Die Weiden) reicht. Mit ihrem ausdrucksstarken Mezzosopran gelingt ihr die von Mozart extra für die der Uraufführung in München folgende Wiener (konzertante) Aufführung nachkomponierte, koloraturreiche große Szene „Non temer“ vorzüglich. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang das feine Violinsolo von Konzertmeister Volkhard Steude.

Eine wahre Freude ist Valentina Nafornita, die sich gleich im 1. Akt mit der wehmutsvollen Klage „Padre, germani, addio“ als Ilia einführt und in der Arie „Se il padre perdei“ gefühlvoll von den Holzbläsern begleitet wird. Eine anmutige Performance.

Pavel Kolgatin und Carlos Osuna als Arbace bzw. Oberpriester singen und agieren zufriedenstellend. Mit dem Rollendebütanten Peter Kellner als Stimme des Orakels kommt ein Kavaliersbariton in einer Rolle zum Einsatz, die üblicherweise einem Bass vorbehalten ist und aus dem Off erschallt. Da die Stimme in dieser Inszenierung aber auf der Bühne erscheint und singt, geht das Ergebnis einigermaßen in Ordnung. Eine dunklere, mächtigere Bassstimme würde aber den Effekt dieser Figur – vergleichbar etwa mit der Stimme des Mönchs in Verdis Don Carlo – gewiss eindringlicher leuchten lassen.

Es gibt einige Male Szenenapplaus, der Schlussapplaus jedoch fällt dann eher nur sehr freundlich aus und erreicht kaum die üblichen fünf Minuten. Sind knapp dreieinhalb Stunden Mozart bereits eine Zumutung?

Manfred A. Schmid
Fotos: M.Pöhn-Wr.Staatsoper
(Bühnenfoto Totale: Premiere)

 

 

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