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WIEN / Staatsoper: WERTHER

26.03.2017 | KRITIKEN, Oper

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Fotos: Wiener Staatsoper / Pöhn

WIEN / Staatsoper:
WERTHER von Jules Massenet
26.
März 2017
55. Aufführung in dieser Inszenierung

„Werther“ sei in der Bariton-Fassung am schönsten, sagt Ludovic Tézier. Verständlich, singt er doch lieber den Helden als Charlottes Ehemann Albert, eine klassische Nebenrolle, um die sich kein erster Sänger reißt. Allerdings ist der Werther eine der berühmtesten Tenorpartien des französischen Fachs, nicht von ungefähr beliebt bei Spitzensängern – seit der Premiere der reizlosen Inszenierung von Andrei Serban hat man an der Wiener Staatsoper in dieser Rolle u.a. Marcello Alvarez, Neill Shicolff, Rolando Villazon, Jonas Kaufmann, Roberto Alagna gehört und gesehen, die werden ja wissen, was sie singen.

Und tatsächlich – man kann sich mit der Bariton-Fassung nicht wirklich anfreunden. Die Arien wirken nicht annähernd wie in der höheren Tonlage, die Dominanz der dunklen Stimmen (nicht nur im Gespräch mit Albert) ist düster und ein wenig langweilig, nichts glänzt und strahlt musikalisch, wie man es bei einem jungen Mann, der aus Liebe sterben geht, auf der Bühne erwarten kann. Und noch weniger, wenn der geschätzte Ludovic Tézier auf der Bühne steht. Gewiss, an seinem Gesang ist nichts auszusetzen, wenn man die Stimme auch nicht als ideal samtig bezeichnen will – aber das ist kein Werther, das ist ein stämmiger Mann in mittleren Jahren, dem die Art von Mao-Jacke, die er da trägt, die Aura eines Priesters verleiht. Text und Musik mögen von Liebe jubeln, der brave Herr bleibt sich immer gleich – gerade, dass er beim Sterben auch ein bisschen darstellerische Intensität zulegt.

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Sophie Koch war eine erfreuliche Begegnung, denn die Enttäuschung, die ihre Brangäne ja doch bereitet hatte, ist angesichts ihrer Charlotte vergessen – von der jungen Frau zur traurigen Ehefrau zur verzweifelten Liebenden bis zum Abschied am Totenbett, das macht sie durchwegs fabelhaft und auch relativ jugendlich wirkend. Bis zu ihrer großen Briefszene muss sie bis zum dritten Akt warten, aber dann ist sie stimmlich und darstellerisch herzzerreißend, und wenn bei Werthers Sterben ihre Stimme dann langsam abgenützt klingt, schmälert es die Leistung nicht wirklich.

Altbekannt der schönstimmige und geradeaus fiese Albert des Adrian Eröd, neu die Sophie der Maria Nazarova, mit blühendem Soubrettensopran und so spielfreudig, dass sie aufpassen muss, in Nebenrollen nicht zu viel zu tun. Erstmals als grantiger Lehrer Alexandru Moisiuc, oft gehört in den Nebenrollen Peter Jelosits und Marcus Pelz.

Öfter auch schon erlebt die Stabführung von Frédéric Chaslin, der Massenet weniger lyrisch-parfumiert, als dunkel-tremolierend dramatisch nimmt, was erstens zur Geschichte gut passt und zweitens nach einem schmerzlich aufgepeitschten Ende dann für starken Beifall des nicht voll besetzten Hauses sorgte.

Renate Wagner

 

 

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