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WIEN/ Staatsoper: TRISTAN UND ISOLDE. Premiere

13.06.2013 | KRITIKEN, Oper

Wiener Staatsoper: 13.6.2013 – PREMIERE „TRISTAN UND ISOLDE“ – versöhnlicher Saisonabschluß

(Heinrich Schramm-Schiessl)


Peter Seiffert als „Tristan“. Foto: Barbara Zeininger

Um es bei aller Relativierung, zu der ich später noch kommen werde, zusammenfassend festzustellen, war es ein sehr guter Abend im Haus am Ring und ein großer Erfolg für den in letzter Zeit nicht immer zu Unrecht gescholtenen Direktor. Dies vor allen auch, weil es sich diesmal – die Belcantisten und Barockliebhaber mögen mir verzeihen – um kein Randwerk des Repertoires (Anna Bolena und Alcina) sondern um ein Kerrnstück desselben, ja wahrscheinlich um eine der wichtigsten Opern überhaupt gehandelt hat.

Das beginnt bereits bei der Inszenierung. David McVicar hat eine ordentliche repertoiretaugliche Inszenierung geschaffen, mit der man es durchaus die nächsten zwanzig Jahre aushalten kann und die absolut sängerfreundlich ist. Zugegeben, die Personenführung ist konventionell, aber das ist mir immer noch lieber, als wenn Sänger herumhüpfen und akrobatische Verrenkungen machen müssen. Natürlich gibt es einige Unsinnigkeiten, wie z.B. die gymnastischen Übungen der Matrosen im 1. Aufzug, den Umstand, daß Brangäne bei ihrem Wacht-Gesang auf der Bühne steht und dieser nicht aus dem Off kommt und Isolde nach dem Liebestod quasi „ins Wasser“ geht. Auch die Krummschwerter á la Kublai-Khan des Marke-Gefolgeshabe ich nicht verstanden. Die Bühnenbilder von Robert Jones entsprechen den Ortsangaben im Libretto, also Schiff=Schiff, Garten=Garten und Felsenküste=Felsenküste. Besonders erfreulich war, daß es diesmal im 3. Aufzug wieder ein Meer gab, denn wie sagte schon Marcel Prawy: „Wenn das Meer nicht die Hauptrolle spielt, dann verliert die „traurige Weise“ ihren Sinn.“ Etwas zu statisch war mir die Beleuchtung (Paule Constable), denn weder beim Liebestrank im 1. Aufzug noch in der großen Liebesszene im 2. Aufzug tut sich da sehr viel. Sehr schön und zur Musik passend die szenische Klammer, mit dem in blau aus dem Meer aufsteigenden Mond im Vorspiel zum 1. Aufzug und dem als rote Feuerkugel wieder versinkenden beim Liebestod. Die Kostüme des selben Herren, waren ebenfalls passend und kleidsam, lediglich das des Marke störte mich etwas. Weniger, dass es durch seine Helligkeit von den anderen absticht, sondern der zottelpelzige Oberteil passte nicht ganz.

Doch nun zum Musikalischen – und hier komme ich zu den oben erwähnten Relativierungen. Es wird immer gerne behauptet, man solle keine Vergleiche mit der Vergangenheit machen, aber die Aufführungsgeschichte ist nun einmal da, und es ist kein großes Geheimnis, dass die heutigen Spitzenkräfte nicht mit den Top-Sängern früherer Generationen mithalten können. Woran das liegt, weiß ich nicht, aber es ist ein Faktum. Und das ist nicht nur Verklärung der Vergangenheit sondern auch durch zahlreiche Tondokumente – nicht nur Studioproduktionen sondern auch viele mittlerweile offiziell existierende Live-Mitschnitte – dokumentiert und immer wieder nachzuhören. Allerdings hat man auch zu bedenken, daß es heute eben nur die Sänger gibt, die es gibt und dass keine Hochdramatischen und Heldentenöre wie einst mehr da sind, ist bedauerlich, aber ein Faktum.

Unter diesem Aspekt war es ein ausgezeichneter Abend, besonders was das Protagonistenpaar betrifft. Nina Stemme ist natürlich keine Hochdramatische der alten Schule und gerät sicher das eine oder andere Mal an ihre Grenzen, aber sie singt und gestaltet die Isolde großartig. Sie ist problemlos in eine Reihe mit großen Darstellerinnen dieser Rolle – ich nenne bewusst keine Namen – in der 70er-Jahren zu stellen. Auch der durch die lange Pause nach dem 2. Aufzug bei vielen Sängerinnen gefürchtete Liebestod ist ihr sehr schön gelungen. Sensationell war für mich Peter Seifferts Tristan. Alle Ökonomiegesetze dieser Rolle, wie sie selbst die größten Interpreten meist beachteten, ignorierend, sang er bereits einen imponierenden 1. und 2. Aufzug um dann im 3. Aufzug nochmals zuzulegen. Natürlich ist auch er kein wirklicher Heldentenor aber ich muss lange zurückdenken, wann ich solche Fieberphantasien gehört habe. Dass ihm dann auch noch ein lyrisches „Isolde“ am Schluß gelang, war dann das Obershäubchen. Stephen Milling als Marke sang mit wunderschön fließender Stimme und bot eine interessante Interpretation seiner Klage, denn da klang nicht nur Trauer und Enttäuschung sondern auch etwas Zorn mit. Jochen Schmeckenbecher war ein solider Kurvenal. Etwas abgefallen gegenüber den anderen ist Janina Baechle als Brangäne. Sie mag eine verdiente Repertoirekraft sein, aber für eine Premiere ist das zu wenig. Der Wachtgesang gelang zwar ansprechend aber im gesamten blieb es doch unbefriedigend. Fujimura oder Kuhlmann hätte man hier doch aufbieten können. Sorgfältig besetzt waren die klenen Rollen mit Ejiro Kai (Melot), Carlos Osuna (Hirt), Jinxu Xiahou (Seemann) und Marcus Pelz (Steuermann).

Etwas zwiespältig fällt für mich die Beurteilung von Franz Welser-Möst aus. Ich kann zwar nicht die in den Pausen mehrfach geäußerten Klagen über die zu große Lautstärke nachvollziehen – die „Frau ohne Schatten“ vor einem Jahr war da viel ärger – aber es sind bei ihm trotz des Umstandes, dass es seine bisher beste Leistung bei Wagner war, immer die gleichen Probleme. Es fehlen bei ihm die Steigerungen und die bei der gewiss sorgfältigen Einstudierung geschaffenen Blöcke addieren sich nicht zum großen Bogen. Auch fehlt mir bei ihm die Selbstverständlichkeit – man merkt die schwere Arbeit, die es sicher wirklich ist. Trotzdem spielten die Philharmoniker großartig und bewiesen einmal mehr, daß sie das beste Opernorchester der Welt sind. Der von Martin Schebesta einstudierte Chor sang zufriedenstellend seinen kleinen Part.

Am Ende gab es großen Jubel für die Sänger, trotz allem unverdiente Buhs – da hat man ihn für schlechtere Leistungen schon undifferenzierter bejubelt – für Welser-Möst und natürlich zweigeteilte Reaktionen beim Regieteam, aber diesmal waren es halt die Freunde zeitaktueller Inszenierungen, die ihr Mißfallen kundtaten.

Alles in allem verließ man das Haus zufrieden wie schon länger nicht, aber auch mit dem Wunsch im Hinterkopf, dem Direktor möge es gelingen, Christian Thielemann wieder einmal zu einer Tristan-Serie überreden zu können.

 

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