Fotos: Wiener Staatsoper / Pöhn
WIEN / Staatsoper:
TOSCA von Giacomo Puccini
604. Aufführung in dieser Inszenierung
14. Jänner 2019
Zwei Weltstars, die die Wiener Staatsoper bislang nur gestreift haben, kamen für die „Tosca“, und zumindest der Tenor brachte alles mit, was man sich nur wünschen kann. Was den erfahrenen Opernfreund, der es nicht lassen kann, immer wieder „per Kino“ in die Met zu gucken, nicht wundert. Dort hat Vittorio Grigolo als Hoffmann, als Romeo (mit Diana Damrau) und zuletzt auch als Cavaradossi (mit Sonya Yoncheva) mitreißende Leistungen gezeigt.
Die Wiener, die ihn selten live sehen, konnten sich zuletzt 2013 für seinen Alfredo seltsamerweise kaum erwärmen. Diesmal klappte es mit der Begeisterung: Grigolo war ein hochkarätiger Cavaradossi.
Das ist eine große, aber nie schwere, eine starke, aber nie grobe Tenorstimme, die alle Fortissimo-Höhen glänzen und strahlen lässt (prächtig das „Vittoria!“), aber daneben geradezu affektiert-raffinierte Piani hören lassen kann. Belcanto und Verismo wohnen gleicherweise in seiner Kehlte, und wenn er gelegentlich einmal distoniert, geschieht das im vollen Eifer des Gefechts, im totalen Einsatz. Dass Grigolo zudem gut aussieht, etwas vorstellt auf der Bühne, den Liebhaber spielt, den Kämpfer, den wirklich ergreifend Sterbenden – das kommt dazu. Das macht die Leistung wahrlich überdurchschnittlich.
Kristīne Opolais ist noch immer die gertenschlanke, aufregend gut aussehende Bühnenerscheinung, als die man sie (auch meist aus der Met… kaum in Wien) kennt. Sie tritt auf und muss nichts mehr beweisen („sich schön singen“, nennt man das bei Sängern, die es optisch nicht ganz bringen), Tosca ist da. Leider hat ihre Stimme Schaden genommen. Der einst so klare Sopran, hell und mühelos in Erinnerung, ist jetzt total „verschleiert“. Bei manchen Sängerinnen ist das reizvoll, bei ihr nicht. Mit Mängeln in der Mittellage, die manchmal löchrig wird, mit gelegentlichem Auslassen in der Höhe, wird kein stimmliches Idealmaß erzielt. Anfangs war man gar nicht sicher, ob sie den Abend durchhalten würde – aber sie tat es, sie nahm den Gesang mit ihrer Darstellung mit, macht die Tosca in zahllosen Details richtig, klug gespielt und schön gestaltet. Aber das ist ja doch nur die Hälfte dessen, was man sich von dieser Figur wünscht.
Am wenigsten trug Marco Vratogna zu diesem Abend bei. Sicher, Scarpia kann aussehen und wirken wie ein böser, biestiger Beamter, aber für die Tücke des Sadismus und das Rasen der Begierde kommt da zu wenig, zumal die Rolle nur mit den heiseren Resten eines Baritons gesungen wird.
Clemens Unterreiner (mit wüster Frisur als fliehender Angelotti) und Wolfgang Bankl (als gar nicht so gemütlicher) Mesner sind starke Nebenfiguren, während der als Spoletta debutierende Leonardo Navarro noch nicht ganz in den Schuhen der Rolle stand, Marcus Pelz hingegen den Sciarrone „kann“ (hat ihn aber auch schon oft genug gesungen). Ayk Martirossian als Schließer ermöglichte Cavaradossi seine wunderbare Arie – dafür sei ihm Dank.
Evelino Pidò entging zwar auch nicht der von Puccini geradezu „eingebauten“ Verlockung, immer wieder zu laut zu sein, aber es war doch viel mehr als nur Kapellmeisterqualität, man horchte immer wieder bei Feinheiten auf, und unter seiner Leitung trug das Orchester wesentlich zur Dramatik eines nicht nur durch den Tenor spannenden Abends bei.
Renate Wagner
P.S. In der Direktionsloge, auf dem Platz, den Dominique Meyer ihm offenbar abgetreten hat, saß Juan Diego Florez und betrachtete die Konkurrenz. Gut möglich, dass er sich auch den Cavaradossi überlegt, ist ja eine Traumrolle…
Dass Florez bereits vier Wochen vor der „Lucia“-Premiere in Wien ist (wohl zu den Proben?), macht ihm Ehre: Das täten nicht alle Weltstars. Andererseits – gilt Wien nicht als sein Wohnort?