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WIEN/ Staatsoper: TANZPERSPEKTIVEN. Premiere

20.02.2013 | Ballett/Tanz, KRITIKEN

Wiener Staatsoper – 20.Februar 2013.: „TANZPERSPEKTIVEN“ – Wirbelstürme im Opernhaus
Premiere des Wiener Staatsballetts in der Staatsoper


Windspiele“. Kirill Kourlaev, Marcin Dempc, Richard Szabo. Foto: Barbara Zeininger

Vier mal setzt ein tänzerischer Wirbelwind eruptiv zum Sturm über die Bühne der Staatsoper an, in vier modernen Piecen können die Tänzer perfekte Demonstrationen ihres Könnens darbieten und ihre artistischen Fähigkeiten zur Schau stellen. „Tanzperspektiven“ ist dieses vierteilige neue Programm des Wiener Staatsballetts überbetitelt, für welches drei arrivierte Choreographen der mittleren Generation neuere ihrer Kreationen frisch für Wien einstudiert haben und das mit einer Uraufführung abschließt.

Perspektiven wohl nicht wirklich so ganz für die Zukunft, doch es ist eine eindrucksvolle Bestandsaufnahme der aktuellen Tendenz der internationalen Ballettszene der Gegenwart. Mit Kreationen von auf  akademisch klassischer Basis aufbauenden Choreographen, Meister ihres Fachs, phantasiebegabten und mit Energie geladenen. Und doch: Diese vier stümischen Tanzschöpfungen  bewegen sich in einem gewissen Gleichklang, lassen sich ähnlich analysieren. Und deren Handschriften spiegeln klar den Zeitgeist der letzten Jahre und dessen Entwicklungsmöglichkeiten. Kurz gesagt und für alle vier Stücke zutreffend: Getanzt wird zu bloß vage angedeuteten oder gar keinen klaren Handlungsfäden. Die Bühne ohne viel Aufputz, doch atmosphärisch  eingeleuchtet. Stark repetierende Musik mit überwiegend dräuendem Charakter, so dass der Choreograph locker über alle musikalischen Phrasierungen hinweg stürmen oder schweben kann. Ja, und Dynamik! Vor allem: Extreme Dynamik, bravouröse Artistik und Wendigkeit im unaufhörlichen Bewegungsfluss wird von den Ausführenden gefordert. Und, auch klar, voll wird auf die Betonung der Körperlichkeit gesetzt. Die sexuelle Ausstrahlung der Tänzer wirkt schließlich dominierend auf den Betrachter.

Also, die vier Kreationen dieser „Tanzperspektiven“ der Reihe nach: Choreograph David Dawson lässt zu Johann Sebastian Bachs Klavierkonzert BWV 1052 (Solist: Igor Zapravdin) die Tänzer von „A Million Kisses to my Skin“ träumen. Nun, von allzu liebevollen Küsschen wohl nicht. Da ihnen in diesem luftigen Puzzle an Bewegungsabläufen alle nur mögliche Virtuosität abgefordert wird. Sexy wirken sie aber schon. Und so passt´s auch.

Munter geht es weiter. In „Eventide“ führt Choreographin Helen Pickett ihre attraktive Tänzerschar zu einer Toncollage mit Aufnahmen von Ravi Shankar,  Philip Glass, Jan Gabarek zu fernöstlich angehauchter Abendstimmung-Erotik. Feinsinnig gedacht, auf magische Moment hinzielend und immer schön anzusehen.

Vers un Pays Sage“ ist von Jean-Christophe Maillot als eine Art von Reminiszenz, als eine Ehrerbietung an seinen Vater, den Maler Jean Maillot, konzipiert. Nach vielen tänzerischen Turbulenzen zu John Adams quirligen „Fearful Symmetries“ lenkt der Choreograph seine sechs Paare zu meditativer Einkehr und lässt seine Hommage mit einem berührenden Epilog ausklingen.

Und darauf noch, fast schon zuviel des Guten, eine Uraufführung:“Windspiele„. Patrick de Bana hat sich des 1. Satzes von P. I. Tschaikowskis Violinkonzert (Solist: Rainer Küchl) angenommen, um von Gefühlen von Freiheit zu träumen, mit vom Spiel im Wind aufkommenden Emotionen. Oder bitte, anders? Erzählt solches auch die Musik? Auf Kirill Kourlaev als expressivem Solist sind diese „Windspiele“ zugeschnitten. In den anderen Piecen müssen sich alle Tänzer der ständig unter Dampf stehenden Bewegungsmaschinerie unterordnen. Ohne die anderen vorzüglichen Solisten abzuwerten: Olga Esina und Roman Lazik seien hervorgehoben.

Dirigent Markus Lehtinen gibt ihnen bei Bach und Tschaikowski den Takt vor, die anderen Stücke werden von CDs abgespielt. Und alle Besucher, welche für solche tänzerische Wirbelstürme Verständnis aufbringen können, dürfen ihr Schauvergnügen daran haben.
Meinhard Rüdenauer 
 

 

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