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WIEN / Staatsoper SZENEN EINER OPERNEHE 1

 

 Gesammeltes zum Thema „Welser-Möst kann nicht mit Dominique Meyer“
oder
Braucht die Wiener Staatsoper einen Generalmusikdirektor?

 

 Ein Generalmusikdirektor kommt

 „Ich habe bis jetzt nur Freude gehabt…es ist mir viel Schlimmes erzählt worden über die Wiener Gesellschaft und die Intrigen der Stadt. Tausendundeine böse Geschichte. Aber ich fühle mich wohl…Ich habe Franz Welser-Möst an meiner Seite. Hochbegabt und mit all seiner Erfahrung bringt er sich total ein. Es ist eine Freude, morgens ins Haus zu kommen

Was hier Dominique Meyer 2010 kurz nach seinem Amtsantritt so fröhlich erzählte, das hatte ihm sein Generalmusikdirektor Anfang September 2014 kräftig versalzen. Im Gespräch mit der „Presse“ vom Juli 2011 zieht Welser-Möst noch eine kurze Bilanz über die abgelaufene Saison aus seiner Sicht: Die Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Direktor funktioniert nach Einschätzung Welser-Mösts mittlerweile jedenfalls gut. „Man hat“, sagt der GMD, „die Möglichkeit, ein 5000-seitiges Vertragswerk zu unterzeichnen, in dem jede Kleinigkeit festgelegt ist – dann ist aber eigentlich die Rechtsabteilung die Direktion. Oder man vertraut einander; was ja nicht heißen muss, dass man in jeder Beziehung einer Meinung ist. Ich habe schon im Februar einmal gesagt, dass das ein Prozess ist – ein Sichfinden im Werden. Vieles geht mittlerweile sozusagen zwischen Tür und Angel. Man muss nicht lange diskutieren.“
Zu den gemeinsamen Aufgaben gehört, so Welser-Möst, „die konsequente Weiterentwicklung des Sängerensembles“. Er genieße es, die künstlerische Entwicklung der Ensemblemitglieder zu verfolgen: „Es freut einen, wenn man sieht, wie sich der eine oder andere, der in kleinen Partien auftritt, langsam für größere Aufgaben empfiehlt. Oder wie eine Sängerin vom Format der Stephanie Houtzeel an ihren Aufgaben wächst, wie sie mehr und mehr an Format gewinnt. Das berühmte ,Wird kommen über Nacht“ gibt’s ja in der Oper nicht. Nur als Zitat aus dem Rosenkavalier. Oper, das ist ein Langzeitprojekt. In Wahrheit wird man nie fertig damit. Wenn jemand sagt, es läuft eh, dann ist der auf dem falschen Dampfer“

Bald ging nichts mehr zwischen „Tür und Angel“, die Tür war zu!

Die Gerüchteküche kochte schon in Salzburg. Während sich Franz Welser-Möst mit dem in Liebe und Hass verbundenen Intendanten Alexander Pereira wieder bestens vertrug und als Dirigent des „Rosenkavaliers“, der besten Produktion des Festspielsommers, fast ungetrübte Triumphe feierte, tuschelte man, dass er Staatsoperndirektor Dominique Meyer ein Ultimatum gestellt habe. Der so streitbare wie sensible, heftig aufbrausende, aber dann doch wieder kompromissbereite Maestro, der seit 2002 als Chef des Cleveland Orchetra im US-Bundesstaat Ohio absoluter Musikkönig ist, fühle sich im Repertoire-Alltag an der Wiener Staatsoper trotz seiner Position als Generalmusikdirektor übergangen. Angeblich war er in Besetzungsplanungen nicht eingebunden, Vorsingen fanden ohne ihn statt, er hatte sich mit Kompromissen abzufinden, wie sie im größten Repertoire-Opernbetrieb der Welt wohl unumgänglich sind.

 Ein Generalmusikdirektor geht wieder

So las man es in der „Wiener Zeitung“ am 5.9.2013 : „Heute hat der 54-jährige Franz Welser-Möst sehr abrupt die Konsequenzen gezogen und hat sein Wiener Amt mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Das heißt, er wird auch alle 34 Dirigate der Opernsaison niederlegen, die in Wien gerade begonnen hat, darunter drei Premieren, nämlich Verdis „Rigoletto“, „Elektra“ von Richard Strauss und den Strauss-Ballettabend „Verklungene Feste/Josephs Legende“. 
Dazu der Staatsoperndirektor Dominique Meyer am 6.9. „Mit großem Bedauern habe ich heute Vormittag den Brief von Franz Welser-Möst entgegengenommen, in dem er mir seinen Verzicht auf seine Verpflichtung als Generalmusikdirektor mitgeteilt sowie alle Dirigate in der laufenden Spielzeit zurückgelegt hat. Das ist natürlich ein großer Verlust * und auch persönlich tut mir dieser Schritt sehr leid, denn ich schätze Franz Welser-Möst als Künstler und Dirigenten sehr. Meine Sorge und erste Aufgabe ist es nun, so rasch wie möglich adäquaten Ersatz für die Aufführungen zu finden, die er 2014/2015 an der Wiener Staatsoper hätte dirigieren sollen: immerhin 34 Vorstellungen, darunter die zwei mit ihm geplanten Premieren von Rigoletto und Elektra.“

Er war immerhin der erste richtige GMD des Institutes!

Franz Welser-Möst war immerhin der erste, mit diesem Berufstitel dem Institut Wiener Staatsoper direkt verbundene Generalmusikdirektor und in dieser Eigenschaft auch bisher deren einziger! Karl Böhm, der bereits 1927 in Darmstadt und 1931 in Hamburg GMD wurde, erlangte den Titel erst 1964 mit seiner Ernennung zum „Ersten Österreichischen Generalmusikdirektor“, also lange nach seinem Abgang von der Wiener Oper. Und Claudio Abbado war 1987 bis 1997 „nur“ ein sogenannter Generalmusikdirektor der Stadt Wien.

Ansonsten ging man in Österreich im Unterschied zum deutschen Nachbarn sparsam mit jenem Titel um, den Bundespräsident Wilhelm Miklas mit einer Entschließung vom 28.6.1930 bei uns auch juristisch salonfähig machte.

Seji Ozawa etwa war „nur“ Musikdirektor im Haus am Ring, genau so wie 1929 Clemens Krauss, andere, wie etwa Horst Stein, brachten es nur zum Ersten Dirigenten und Lorin Maazel, als Direktor quasi sein eigener Chefdirigent, erlangte noch kurz vor seinem Tod wenigstens den Ehrenring der Staatsoper.

Der unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg für das Ensemble der Wiener Oper sich

abrackernde Josef Krips hingegen schaffte zwar einen Ehrenring der Stadt Wien und eine Ehrenmitgliedschaft und Goldmedaille der Mahler-Gesellschaft, ein Ehrengrab auf dem Neustifter Friedhof und eine Mozartmedaille der Mozart-Gemeinde, aber nichts vom damals ausgebombten Sangesinstitut wurde ihm zu Teil! Nicht einmal eine billige Ehrenmitgliedschaft nach 665 dirigierten Vorstellungen! Und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg als „unbelastet“ zu gelten, das war ja in Österreich nie eine als ehrenvoll angesehene Eigenschaft.

Meinungen, Zaghaftes und Gutgemeintes aus den Kulturseiten:

„Im Herbst 2010 war der österreichische Dirigent Welser-Möst an der Seite von Meyer angetreten, bereits im Januar 2012 war sein Vertrag bis 2018 verlängert worden. Hatte das Leitungsduo zunächst den demonstrativen Schulterschluss gesucht, so grummelte es doch schon schnell hinter den Kulissen. Ein anvisierter Mozart/da-Ponte-Zyklus wurde nach dem „Figaro“ und dem „Don Giovanni“ zunächst auf Eis gelegt. Und auch die Liebesheirat mit den für das Haus so entscheidenden Wiener Philharmonikern, eingeleitet von einem triumphalen „Tristan“-Einspringen für Christian Thielemann im Jahr 2003 wirkte jetzt oftmals wie Ehealltag. Oft war Welser-Möst im Graben zu laut, auch seine beiden Neujahrskonzerte wirkten wenig entspannt.“  So die Meinung in der „Wiener Zeitung“.

Als Grund für seinen überraschenden Schritt, der auch das Zurücklegen sämtlicher Dirigate der kommenden Saison beinhaltete, gab er fehlende Strukturen an, die es einem Musikdirektor ermöglichen würden, künstlerisch mitzureden: „Wenn das nicht gewährleistet ist, dann wird das zu einem zunehmenden Problem. Ich hatte das Mitspracherecht vertraglich vereinbart.“ Soweit der Dirigent zu diesem Thema in den APA-Nachrichten.

„In Wien muss man ein bisschen anders denken, dort können Sie schneller in eine Sonnenfinsternis geraten als Sie glauben. Das kann auch lustig werden, man muss nur wissen, was man will.“ So ein erfahrener Christoph von Dohnányi in einem Interview.

Und von  Joan Holender konnte man lesen, dass bei ihm so etwas sicher nicht passiert wäre: „Ich halte es für ausgeschlossen, dass ein Partner bei mir weggegangen wäre, nicht mittendrin im Geschlechtsakt sozusagen – vielleicht vorher, aber nicht mittendrin“

Das Staatsopernorchester, quasi also die Wiener Philharmoniker sind naturgemäß in ihren pendelnden Gefühlregungen zwischen dem Dirigenten und ihrem größten Arbeitsplatz, dem Orchestergraben in der Wiener Stasatsoper gefangen:

Das Führungstrio (bestehend seit 1. September 2015 aus dem Primgeiger Andreas Großbauer, dem Geschäftsführer und Violinisten Harald Krumpöck, und demVizevorstand Helmut Zehetner) bedauert den Rücktritt von Franz Welser-Möst als Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper, die doch „unser zweites Zuhause“ sei; gleichzeitig zollt man Direktor Dominique Meyer viel Lob – und schätzt sich glücklich, dass Welser-Möst 2015 zwei Abo-Konzerte und die Eröffnung des Philharmonikerballs dirigieren wird, stand im „Standard“

„Zwar sei man über den jähen Abgang „nicht glücklich“, sagt Andreas Großbauer …aber…so sei Direktor Dominique Meyer nicht nur eine Auslastung von 99 Prozent zu danken, sondern „vor allem menschliche Wärme“ an der Staatsoper. Welser-Möst wiederum, mit dem man in Salzburg einen „wunderbaren ‚Rosenkavalier‘“ erarbeitet hat, sei als Dirigent einer der „ganz Großen“ so die „Wiener Zeitung“.
Braucht die Staatsoper einen neuen Generalmusikdirektor? „Kann sein, muss aber nicht sein. Sollte es keinen Generalmusikdirektor geben, macht’s auch nichts. Wir sind für alles offen.“ So Andreas Großbauer im „Kurier“.
Zum Konflikt wird im Profil vom 20.9.14 Dominique Meyer zitiert: „Ich werde dazu kein Wort sagen, das die Tür für immer schließen würde. Wenn man jemandem eine Ohrfeige

verabreicht, erleichtert einen das eine Sekunde lang – und dann zahlt man jahrelang den Preis dafür. Diesen Preis soll die Staatsoper nicht zahlen müssen. Also nur so viel: Ich hoffe natürlich, dass Welser-Möst eines Tages an unser Haus zurückkommen wird, das ist sein Platz“
„Ich komme als Dirigent mit großer Freude, wenn die künstlerischen Rahmenbedingungen stimmen“, erklärt darauf Welser-Möst in der Sendung „Highlights – das Kulturmagazin“, auf ATV 2.
Und seine Bedingungen präzisiert Welser-Möst im Telefonat mit Franz Zoglauer so: „Wenn die Besetzung nach meinem Geschmack ist, wenn es eine Neuproduktion sein sollte, der Regisseur nach meinem Geschmack ist, wenn die Proben, die ich verlange, mir gegeben werden. Ich muss nicht jemand mögen, um mit ihm zusammenzuarbeiten. Wie heißt es so schön: Allein, es gilt der Kunst. Da haben persönliche Befindlichkeiten keinen Platz.“  APA Nachr.

Zur vorzeitigen Vertragsauflösung durch Welser-Möst meint der Operndirektor Meyer im Publikumsgespräch vom 1.12.2014 „dass jeder sein „Sackerl“ an gegenseitigen Beschwerden hängen hatte, jetzt aber keine Aufrechnungen oder gar juristische Anfechtungen erfolgen, sondern ein Klima entstehen sollte, dass auch wieder eine „Aussöhnung“ und Wiederkehr für den Dirigenten ermöglichen kann. Er, Meyer, hat auch eine solche Aussöhnung mit Maazel geschaffen und ist glücklich darüber, diesem Mann noch knapp vor dessen Tod höchste Ehrungen zu Teil werden hat lassen“

Gleich darauf bringt in einem Interview NEWS vom 4.12.2014 wieder die Meinung des Staatsoperndirektors: Welser-Möst, der Bereitschaft zur Rückkehr als Gast bekundete, solle warten,“bis es reif ist. Die Tür steht offen“ so Dominique Meyer, will aber nicht einmal das Dirigat der mit den Salzburger Festspielen vereinbarten Koproduktion von Richard Strauss´ „Liebe der Danae“ anno 2016 bestätigen!

Dazu aus einem Interview mit dem Dirigenten in der Presse vom 24.1.2015:
Gibt es auch Pläne für eine Rückkehr an die Staatsoper?
Ich würde gerne wieder kommen, schon allein wegen des Orchesters. Dominique Meyer hat mehrfach gesagt, er würde nichts dazu tun, um meine Rückkehr zu verhindern. Aber dazu müsste er mich engagieren“
Gibt es aktuell Gespräche? Nein“

Eine journalistische Notiz zum Thema Wiener Staatsoper war in der OPERWELT 2/2015 zu lesen. Da verrät ein gewisser Gerhard Persché als Schmankerl aus der Wiener „Gerüchteküche“ ebenfalls etwas vom Rückkehrwillen Franz Welser-Mösts, allerdings als oberster Chef am Ring, wobei in weiser Vorsicht dieses Datum vom Ablauf des Vertrages mit Dominique Meyer abhängig gemacht wird. Beispiele von Pultstars, die an diesem Haus bereits Direktoren waren, gäbe es genug, meint der Redakteur der Opernwelt: Mahler, Weingartner, Schalk, Strauss, Krauss, Böhm, Karajan und Maazel.
Da wird also, von wem immer, ein erster, zaghafter Versuch aus der Gerüchteküche (wer immer da dahinter stecken möge) lanciert, um ein viel zu frühes Nachfolgespiel zu eröffnen. Denn der Vertrag mit Dominique Meyer endet erst mit der Saison 2019/2020 und viele der zu früh Angetretenen haben den langen Weg auf den Direktionssessel nicht mehr geschafft.
Meyer hat also noch ein halbes Jahrzehnt und er ist trotz Überschreitung der Hälfte seiner Amtszeit noch keine „lame duck“, eine lahme Ente wie etwa zurzeit der Amerikanische Präsident eine darstellt.

 Facit

Eine Beziehung zweier kultivierter und in der Kultur beschäftigten Herren blieb auf der Strecke, deren erkaltete Zwangsehe wahrscheinlich zur beiderseitigen Erleichterung zerbrach.
Der Eine mit seinem einst so sorgsam, sogar auf den Besetzungszetteln gehüteten, neuen Titel und dem vertraglich vereinbarten aber offenbar missachteten Mitspracherecht, zog in die Welt.
Der Andere mit der Fixierung auf seine Alleinverantwortung bleibt zurück und konnte die frei gewordenen Dirigate mit staunenswerter Effektivität neu besetzen. Und mittendrin das Staatsopernorchester, welches aus geschäftlichen Erwägungen sein Bedauern und sein Lob vorsichtig und sorgfältig abwägt und nach beiden Seiten verteilt, denn es weiß, wie nahezu unantastbar die eigene betriebstechnische und künstlerische Stellung im Haus aber auch in der internationalen Musikszene ist und die man nicht gefährden und von jeglichem außerkünstlerischem Streit freihalten möchte.

 

Die Zwischenpointe dieser vorläufig nicht enden wollenden Geschichte: Welser-Möst probt für seine Cleveländer „Daphne“ in Wien und Direktor Meyer stellt ihm dafür seinen Probesaal zur Verfügung. Nur heißt dieser Direktor mit seinem Vornamen nicht Dominique sondern Robert und befehligt die Wiener Volksoper!

 

Fortsetzung wahrscheinlich
Peter Skorepa
MERKEROnline

 

 

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