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WIEN / Staatsoper / Staatsballett: PEER GYNT

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WIEN / Staatsoper:
PEER GYNT
Ballett von Edward Clug
Musik: Edvard Grieg
Premiere: 21. Jänner 2018,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 22. Jänner 2018

„Peer Gynt“ ist das vielleicht komplexeste, schwierigste Stück von Henrik Ibsen. Es ist fröhlich und ironisch, poetisch und tief tragisch, mythisch, mystisch und vor allem philosophisch. Vor allem Letzteres kann man sich „getanzt“ nicht so wirklich vorstellen. Also kann das Ballett, das der Rumäne Edward Clug jetzt auf die Bühne der Staatsoper bringt (es wurde 2015 in Maribor uraufgeführt, wo Clug seit langen Jahren Ballettdirektor ist), auch nur die wesentlichsten (und berühmten) Handlungspunkte nachzeichnen.

Peer, der mit seiner Mutter Aase in einer norwegischen Bauernwelt lebt; der Solveig trifft; der sich in die Welt der Trolle begibt; dann nach Marokko kommt (wo Anitra für ihn tanzt) und schließlich in Kairo im Irrenhaus landet, bevor er Frieden findet – das sind die Szenen, wobei Clug jene entscheidende auslässt, in der Peer seine Mutter ins Jenseits kutschiert.

Das Personal des Geschehens ist im Vergleich zum Original stark reduziert, allerdings um zwei mythische Figuren erweitert – ein Hirsch (zwei Beine, zwei Stelzen) jagt immer wieder geheimnisvoll durch das Geschehen, bevor er am Ende die Hütte von Peer und Solveig „behütet“; und der Tod, im langen schwarzen Gewand eines Jesuiten, ist immer präsent, schiebt Peer gewissermaßen durch Stationen seines – tänzerischen – Lebens.

Das alles ist eindrucksvoll, aber bei vielen Szenen (ob norwegische Bauern, ob Trolle, ob Irrenhaus) wird man den Eindruck nicht los, dass weniger mehr wäre, dass die Szenen unnötig ausgewalzt sind. Das wäre durchaus zu beheben, denn die Musik von Edvard Grieg besteht nicht nur aus den berühmten „Peer Gynt“-Suiten, sondern ist sehr stimmig auch aus Teilen anderen seiner Musikstücke (u.a. Streichquartette und das Klavierkonzert, gespielt von Shino Takizawa, zusammen gestellt). Pausenlose eineinhalb Stunden würden genügen, um alles, was an der Choreographie eindrucksvoll und gelungen ist, gewissermaßen zusammen zu fassen.

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(Fotos: Wiener Staatsoper / Taylor)

Nicht allzu beeindruckend ist eine meist düstere und nicht sehr abwechslungsreiche Szenerie (Marko Japelj), wobei einmal eine Bergdekoration in die Mitte gerückt wird und ein Kinderspiel-Flugzeug aus dem Rummelplatz eher albern wirkt, auch die Kostüme (Leo Kulaš) bleiben unspektakulär.

Die Tänzer allerdings, denen Dirigent Simon Hewett einen runden musikalischen Rahmen bot (auch die Chorakademie und der Extrachor der Wiener Staatsoper waren einmal dabei), beeindruckten, voran der Titelheld: Jakob Feyferlik hat die Jugendlichkeit der Figur, bewegt sich zwischen Übermut und Unsicherheit, trägt den Abend. Nur Zsolt Török als ungemein kraftvoller Hirsch und Andrey Kaydanovskiy als halb komischer, halb bedrohlicher Tod wirken ähnlich stark.

Weniger Gewicht hat der Choreograph auf die Damen gelegt: Alice Firenze als Solveig bleibt still und poetisch am Rand, die Mutter Aase (Franziska Wallner-Hollinek) kommt kaum vor, von einer Anitra (Nikisha Fogo) hätte man sich mehr erwartet (was nicht die Tänzerin, sondern den Choreographen betrifft).

Bedenkt man aber, dass es in Wien an „Modernem“ sonst immer nur Abende gibt, die aus Einzelstücken zusammen gesetzt sind, und dass man als Handlungsballette vor allem die alten, bunten Klassiker zeigt, ist „Peer Gynt“ zumindest eine Abwechslung und für das Corps und die Solisten eine Herausforderung, der sie sich absolut gewachsen zeigten. Viel Applaus auch bei der zweiten Aufführung.

Renate Wagner

 

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