WIEN / Staatsoper: Solistinnenkonzert PRETTY YENDE
6. November 2024
Von Manfred A. Schmid
Die aus Südafrika stammende Sopranistin, die 2010 als erste Künstlerin den erste Preis in jeder Kategorie des Belvedere-Wettbewerbs gewonnen hatte, im darauffolgenden Jahr auch Operalia-Gewinnerin wurde und seitdem an der Wiener Staatsoper bereits als Adina, Violeta und Marie in La fille du régiment zu erleben war, eröffnet ihren Soloabend mit drei Arien aus Händels Giulio Cesare in Egitto. In „Piangeró la sorte mia“ beweint Cleopatra ihren frühen Tod, erzählt dann aber, in Wut und Leidenschaft entbrannt, wie sie als Gespenst zurückkehren und Rache nehmen werde. Auch „Se pietá di me non sento“ ist von tiefer Trauer geprägt, weil Cleopatra befürchten muss, Cesare, den sie wirklich liebt, verloren zu haben. Verzweifelt erfleht sie Beistand vom Himmel. Nachdem sie erfahren hat, dass Cesare doch noch am Leben ist, vergleicht Ceopatra in „Da tempeste l legno onfranto“ ihr Herz mit einem Schiff, das von Schiffbruch und Sturm heimgesucht wird, aber schließlich doch sicher im Hafen ankommt, und ist außer sich vor Glück. Die üppige Schönheit und Wärme von Pretty Yendes Stimme und ihre Fähigkeit, Gefühlsausbrüche authentisch und glaubhaft darzustellen, kommen in ihrer Gestaltung der barocken Arien klar zum Ausdruck. Imponierend ist auch ihre souveräne Beherrschung der waghalsigen Koloraturen, insbesondere in der abschließenden Arie, deren Emotionalität sich in endlosen Klang-Kaskaden und kühnen Tonsprüngen äußert. Ein starker Beginn in einem Metier, in dem man die Sopranistin, die bisher vor allem im Belcanto sowie als Verdi-Sängerin zu bewundern war, noch nicht auf der Bühne erlebt hat.
Mozarts dreiteilige Solo-Motette „Exsultate jubilate“ hat mit Händels Cleopatra-Arien die strahlenden Koloraturen gemeinsam. Hier sind lyrischer Gesang und mühelos elegante Technik gefragt. Dass Yende wiederum mit mühe- und bruchlos aneinander gereihten musikalischen Perlenketten aufwarten kann, war zu erwarten. Zur vokalen Brillanz gesellt sich aber eine natürliche, lebendige Expressivität, die sich insbesondere im letzten Satz, dem jubelnden „Halleluja“ bestätigt. Yende, die als Pamina und Susanna ihre Mozart-Affinität bereits bewiesen hat, beeindruckt auch in diesem geistlichen Werk, in dem der 17-jährige Mozart vornehmlich Stilmittel und Formen aus der Oper verwendet.
Koloraturen zeichnen auch die berühmte Arie „Sediziose Voci … Casta Diva“ (plus nachfolgender Kabaletta) aus Bellinis Oper Norma aus, mit der Yende nach der Pause den zweiten Teil des Konzerts eröffnet. Der wogende 12/8 Takt und das durchgängige Muster der Klavierbegleitung, von Vanessa Garcia Diepa chopinesk und unaufdringlich vorgetragen, gibt der Singstimme die Freiheit des Rubatos, was von der Sopranistin, deren Stimme wie darüber hinwegschwebend wirkt, auch ausgenützt wird. Feinstes Pianissimo und sanfte Schwelltöne zeugen von der Verletzlichkeit einer tragisch verliebten Frau.
Es folgt das innige, berührend vorgetragene Lied Desdemonas an die Weide („Canzone del salice“) aus Verdis Otello, mit anschließendem Gebet zur Gottesmutter. Eine weitere Rolle, in der man Pretty Yende, ebenso wie als Norma, noch nicht auf der Bühne erlebt hat. Den Abschluss macht die spritzige Sicliana der Elena „Mercè dilette amiche“ aus Giuseppe Verdis I vespri siciliani.
Begeisterter Applaus, gleich mehrere Blumensträuße und eine Zugabe („Chi il bel sogno di Doretta“ aus Puccinis La Rondine) beschließen einen mit erfreulichen Neuentdeckungen aufwartenden Arienabend.