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WIEN / Staatsoper: Solistenkonzert VITTORIO GRIGOLO

Ein aktionsreicher Liederabend besonderer Art

WIEN / Staatsoper:  Solistenkonzert VITTORIO GRIGOLO (Tenor) & MZIA BACHTOURIDZE (Klavier)

12. März 2024

Von Manfred A. Schmid

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Mzia Bachtouridze. Vittorio Grigolo. Foto: Michael Pöhn

Wer den italienischen Startenor in Wien als Cavaradossi, Nemorino, Alfredo und Rodolfo schon auf der Bühne erlebt hat, weiß, dass es bei ihm mit Singen und der darstellerischen Gestaltung einer Rolle allein noch lange nicht getan ist. Wie Grigolo nach einer Arie mit großer Gestik den Beifall einfordert, die Hände hochreißt, wie ein Fußballer nach dem Tor, zuweilen auch selbst in die Hände klatscht, Kusshände verteilt, das Publikum umarmt und am Schluss dankbar und demutsvoll niederkniet, um den heiligen Boden seines Triumphs zu küssen, ist schon eine ziemlich einzigartige Angelegenheit. Da ein Soloabend wie der vorliegende in der ausverkauften Staatsoper, aus 16 Liedern bzw. Arien besteht, wird zwischen den einzelnen Nummern, manchmal auch schon zwischendurch, nur noch in einem fort und ausgelassen gefeiert. Er springt herum, macht ein paar Tanzschritte, ermuntert die ihn fabelhaft und äußerlich äußerst unauffällig und bescheiden begleitende Pianistin Mzia Bachtoueridze per Handkuss, mit ihm den überschwänglichen Applaus zu teilen. Das Überraschende daran: Man nimmt ihm dieses unermüdliche Gehopse und Getue nicht übel, freut sich vielmehr mit ihm, weil er das auf eine so liebenswerte, geradezu kindlich-enthusiastische Art macht, so dass man nie den Eindruck hat, es mit einer kalkuliert eingeübten Show zu tun zu haben. Es scheint alles spontan aus seiner ungestümen Freude am Singen, am Singen vor anderen und am Singen für andere, die er damit glücklich machen kann, herauszusprudeln. Hier steht und singt ein Mann, der nicht anders kann, als in einem fort Liebe einzufordern und Liebe großzügig zu verteilen.

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Vittorio Grigolo. Foto: Michael Pöhn

Das Programm des Abends besteht, nach den einleitenden vier Liedern von Vincenzo Bellini und abgesehen von zwei Ausnahmen im ersten Teil – die Arie „Inosservato, penetrava… Angelo casto e bel“ aus Donizettis Il Duca d’Alba und „Ah sì ben dite…- Rutto parea sorridere“ aus Verdis Il Corsaro – nur aus Nummern, wie man sie üblicherweise erst im Zugaben-Teil antreffen würde: Rossinis „La danza“ wird zu einem witzigen, rasanten Feuerwerk, in dem er seine geradezu pyrotechnisch anwendbaren stimmlichen Fähigkeiten unter Beweis stellen kann. Die vier ausgewählten neapolitanischen Lieder von Francesco Paolo Tosti bringt Grigolo mit Schmelz und großen Emotionen zum Erklingen. Es gibt keinen, der so hauchzart und schmachtend singen kann, wie der 47-jährigeTenor, den man in seiner Anfangszeit noch „Pavarottino“ nannte und der mit seiner angenehm schmeichelnden Stimme und seiner höchst eigenen Bühnenpräsenz die Welt, vor allem die weibliche, im Sturm erobert hat und seit eineinhalb Jahrzehnten zur Elite der Tenore zählt. Auch wenn seine Karriere kurz unter einer Belästigungs-Affäre gelitten hat. In seinem Herzen aber ist Grigolo, der, wie er in einem Interview einst meinte, keinen „Macho-Tenor“ habe, sondern nur über einen „Moskito-Tenor“ verfüge, wohl immer der kleine Bub aus Arezzo geblieben, der, das erzählt er gegen Schluss hin dem Publikum – mit 18 Jahren zum ersten Mal in Wien aufgetreten ist: In der Kammeroper. Dankbar erinnert er sich dabei auch an einen Wiener, der ihm über die Jahre immer sehr wichtig gewesen sei: der unvergessene Josef Hussek. Auch das eine sympathische Facette, die zu Grigolo gehört.

Auch der weitere Verlauf des Konzerts ist mit Salonmusik der üblichen Verdächtigen gespickt. Von Stanislaus Gastaldon gibt es die „Musica proibita“ zu hören, von Ruggero Leoncavallo die mitreißend dargebotene „Mattinata“, von Ernesto De Curtis „Ti voglio tanto bene“ und von Vincenzo D’Annibale „O paese d‘o sole“. Jedes dieser Lieder wird von Grigolo bis in die kleinste Phrase hinein, effektvoll ausgeeuchtet: Es gibt Glissandi, Dimiendos und Crescendos in Überfülle sowie Gesangsverzierungen, die einen gestrengen Operndirektor wie Gustav Mahler zur Verzweiflung getrieben hätten. Die Grenze zum  Manierismus wird da wohl schon überschritten, und das Ganze kann, nach einer gewissen Dauer in der Wirkung doch schon als zu repetitiv empfunden werden. Dazu kommen noch die oben erwähnten, recht aufwändigen Auf- und Abtritte, so dass der Abend dann – mit den Zugaben einer Mozart-Arie und dem Mitsing-Schlager „O sole mio“ venezianischer Gondoliere dann doch weit über zwei – stets aufregend und kurzweilig anmutende – Stunden dauert.

Nicht zu vergessen die wunderbare Pianistin Mzia Bachtouridze, die den schwelgerisch und leidenschaftlich singenden Tenor hellhörig und wachsam begleitet und in fünf Soloauftriten mit Klaviermusik, die ebenfalls mehrheitlich aus der Welt der Salonmusik kommt, begeistern kann.

Frenetischer Applaus mit vielen Bravis schon während des Konzerts zeigt, dass das Publikum genau das bekommen hat, was es sich erwartet hat, und sich reichlich beschenkt und glückselig auf den Nachhauseweg begeben kann.

 

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