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WIEN / Staatsoper: Solistenkonzert LISETTE OROPESA

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Rubén Fernández Aguirre und LIstte Oropesa. Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: Solistenkonzert LISETTE OROPESA

9. März 2022

Von Manfred A. Schmid

An der MET debütierte sie, an der Seite von Erwin Schrott, im Alter von 22 Jahren als Susanna in Mozarts Le nozze di Figaro: Der fulminanter Beginn einer internationalen Karriere. An die Wiener Staatsoper kam Lisette Oropesa relativ spät, als Konstanze in der Premierenbesetzung von Mozarts Die Entführung aus dem Serail im Oktober 2020. Am kommenden Samstag wird die amerikanische Sopranistin in der vieldiskutierten Neuenfels-Inszenierung, eine etwas in die Jahre gekommene Ikone des zeitgenössischen Regietheaters, erneut zu erleben sein. Vier Tage davor stellt sie sich dem Wiener Publikum mit einem Liedprogramm vor, das eine große Spannweite aufweist und von selten zu hörenden Canzone von Saverio Mercadante über das deutsche Lied und das französische Chanson bis zu funkelnden spanischen Canciónes reicht.

Saverio Mercadante war nach dem Rückzug von Rossini, Donizetti und Bellini der maßgebliche Opernkomponist Italiens und gilt als Vorbereiter des Opernstils den jungen Verdi, von dem er allerdings bald in den Schatten gestellt worden war. Aus seinem Liedschaffen gelingt es einigen Stücken gelegentlich in Konzertprogramme aufgenommen zu werden. Mit zwei seiner Canzone, „La stella“ (Der Stern) und „La Primavera“ (Der Frühling) eröffnet Oropesa den Abend. Romantische Lieder, die schon auf Mercadantes berühmtesten Schüler Paolo Tosti verweisen.

Franz Schubert folgt mit „Vedi quanto adopro ancora ingrato!“, eigentlich kein Lied, sondern eine Arie für Sopran und Klavier, die vor allem durch eine exzellente Einspielung durch Cecilia Bartoli bekannt geworden ist. Eine flammende Liebeserklärung, die in Oropesas inniger Gestaltung ebenso zum Erblühen gebracht wird wie die anschließende dargebotene „Suleika“, nach einem Text von Marianne von Willemer. Eine schwärmerische h-Moll-Melodie, bei der Rubén Fernández Aguirre, ihr Begleiter am Klavier, in der fließenden Bewegung seines Parts versonnen zu schwelgen scheint.

Um Weltschmerz, Abschied nehmen und Entsagung geht es in Robert Schumanns Zyklus 12 Gedichte op. 35 nach Texten von Justinus Kerner. Oropesa gelingt es, mit ihrem schlanken, flexiblen Sopran die in den von ihr ausgewählten Liedern beschworenen Stimmungen und Bilder einfühlsam auszuloten. Zudem besticht sie, wie auch schon bei Schubert, mit großer Wortdeutlichkeit. Der Verträumtheit im Lied „Sehnsucht nach der Waldgegend“ Ausdruck zu verleihen, die ruhige Trauer in „Stille Liebe“ und „Stille Tränen“ fassbar zu machen, darin liegen ihre großen Stärken.

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Bevor es in die Pause geht, widmet sich Lisette Orpesa dem französischen Chanson, eingeleitet durch ein elegantes Klaviersolo ihres musikalischen Partners Fernández Aguirre mit „XV improvisation: Hommage à Edith Piaf“ von Francis Poulenc. Es folgen je drei Lieder von Gabriel Faure und Georges Bizet. Faures Musik ist gekennzeichnet von Ruhe, Gelassenheit und heitere Eleganz. Gefühlsausbrüche, Weltschmerz, romantische Verzückung sind ihm fremd. „Clair de lune“, nach einem Gedicht von Paul Verlaine, wird demgemäß von Oropesa höchst anmutig und ohne jedwede Effekthascherei interpretiert. Georges Bizet dann einmal nicht mit Arien aus Carmen, sondern als Liedschaffenden kennenzulernen, ist eine willkommene Gelegenheit, für die man der Sängerin dankbar ist. Immerhin sind im Internet gut 30 Lieder aus der Feder Bizets namentlich angeführt. Die drei vorgetragenen Lieder repräsentieren die Eigenschaften des französischen Kunstliedtypus jedenfalls vorzüglich: prägnante Form, melodischer Erfindungsreichtum, exotischer Orientalismus.

Nach der Pause widmet sich die als Tochter kubanischer Einwanderer in Lousiana geborene Sängerin mit spürbarer Leidenschaft und temperamentvoll den Klängen ihrer hispanischen Herkunft. Die im Klavierpart fein gestalteten „Cuatro madirigales amatorios“ von Joaquin Rodrigo, die vertrauten „Siete canciones polulares espanolas“ von Manuel de Falla und je zwei Lieder von Joaquin Nin und Gonzalo Roig bieten in der Interpretation durch Lisette Opresa und Rubén Fernández Aguirre ein Feuerwerk an zündenden Melodien und Rhythmen. Zu einem fesselnden Höhepunkt gerät dabei De Fallas rhapsodisches „Jota“. Ein Ereignis Rubén Fernández Aguirre am Klavier: nuancenreich, farbintensiv, fantasievoll ausdeutend, energetisch.

 

Frenetischer Applaus, begeisterte Brava-Rufe. Und am Schluss der Zugaben gibt es mit „Morgen“ von Richard Strauss noch ein unerwartetes, beglückendes, innig vorgetragenes, von unendlicher Ruhe erfülltes Abschiedsgeschenk.

 

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