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WIEN/Staatsoper Solistenkonzert ANDREAS SCHAGER

Ein Heldentenor versucht sich im Liedgesang

Andreas SCHAGER Solo in der Wiener Staatsoper mit Lydia BAICH, Violine und Klaus Sallmann, Klavier  (C) M. Pöhn

Wien / Staatsoper

Solistenkonzert Andreas Schager  
Mit Lidia Baich / Violine und Klaus Sallmann am Klavier

Am 21. November 2018   Von Manfred A.Schmid


Ein Heldentenor versucht sich im Liedgesang


„Nimm sie hin denn, diese Lieder, “ singt Andreas Schager in Ludwig van Beethovens Zyklus An die ferne Geliebte. Nein, dieser Aufforderung will man nicht so ohne Weiteres Folge leisten. Diese Lieder können nicht einfach hingenommen werden. Dazu ist die Performance an diesem Abend zu unbefriedigend. Nun weiß man ja: Heldentenöre gelten allgemein nicht gerade als die geeignetsten Liedsänger, ein paar Ausnahmen gibt es jedoch. Hat nicht Klaus Florian Vogt unlängst Die schöne Müllerin von Schubert gesungen? Aber ist der überhaupt ein richtiger Wagner-Sänger? Allzu viele fallen einem jedenfalls nicht ein. Jonas Kaufmann zum Beispiel. Auch René Kollo bietet sich an: auch er hat die Wesendonck-Lieder gesungen.

Dieser Zyklus steht auch bei Schager auf dem Programm, wird sogar an den Anfang gestellt. Die fünf Lieder stehen im Kontext zu Wagners Tristan-Projekt. Zwei davon – „Im Treibhaus“ und „Träume“ – sind eindeutig als Vorstudien zum Tristan zu klassifizieren. Musikalisch verweist insbesondere die irisierende Harmonik auf diesen Bezug, doch auch inhaltlich sind Berührungspunkte zur pessimistisch-melancholischen Gefühlsmystik der Oper gegeben. Dennoch: Es handelt sich hier nicht um Arien, sondern eindeutig um Lieder. Das weiß natürlich auch Schager, der die Titelpartie in Tristan und Isolde jüngst erst in Paris mit Erfolg gesungen hat, und nimmt seinen hellen, starken und recht einschmeichelnden Heldentenor sehr zurück. Das Ergebnis: leider eine sehr reduzierte, flach tönende Stimme. Da fehlen die Nuancen, die Stimmgebung ist gedämpft, die Schattierungen, die erst das Volumen und die Eigenart seines Timbres ausmachen, kommen nicht richtig zur Wirkung. Vor allem aber ist der Registerwechsel sehr stark bemerkbar: die höheren Töne sind gegenüber der Mittellage deutlich stärker. Man schreckt manchmal auf, wenn sie erklingen, obwohl sie eigentlich gar nicht so hoch liegen. Da mangelt es an einem glatten Übergang. Zu allem Überfluss spielt Klaus Sallmann dazu auf einem Flügel mit hochgeklapptem Deckel. Das erklärt vielleicht, warum er manchmal zu laut wird, was sich leider auch für die drei rein kammermusikalischen Programmpunkte des Abends gilt.

Trotz dieser Einschränkung wird der kammermusikalische Teil zum wahren Höhepunkt des Abends, denn auch in Beethovens einzigem Liederzyklus, der nach der Pause im Mittelpunkt erklang, mag der Funken des Liedgesangs nicht so recht überspringen. Schager hat sich mit Liedern aus An die ferne Geliebte eingehend beschäftigt, man spürt Wärme und echte Zuneigung. Aber die Ausgedünntheit der Stimmgebung ist auch hier nicht zu überhören. Insgesamt aber gelingt hier der Versuch, der mit inniger Leichtigkeit daherkommenden Atmosphäre dieser Lieder nachzuspüren, die mit ihrer Naturschilderung als Widerspiegelung der Zustände eines Seelenlebens schon deutlich romantisch gestimmt ist, deutlich besser.

Von Richard Strauss kennt man wahre „Schlager“, die man sich als gut geeignet für den Heldentenor Andreas Schager vorstellen könnte. Dass er ausgerechnet dessen überirdisch zartes „Morgen“ mit seiner magischen Beschwörung innigster Zweisamkeit an den Beginn seines Strauss-Blocks stellt, ist hingegen schwer nachvollziehbar. Bei diesem Lied kommt auch seine Frau Lidia Baich mit ihrer Geige zum Einsatz; das passt, insbesondere in der zarten Einleitung, ist aber – wie schon zuvor in Wagners „Träume“ – ziemlich überflüssig.  Besser ergeht es Schager mit „Ich trage meine Minne“, das in seiner Interpretation recht frohgemut und leichtfüßig daherkommt.  Das „Ständchen“, klingt dann in der letzten Strophe schon eher wie eine Arie, einen ziemlich opernhaften Eindruck hinterlässt auch die „Winterliebe“ – auch das mag durchgehen. Dass aber gerade bei Strauss in puncto Liedwahl mehr drin gewesen wäre, erahnt man spätestens in der mitreißend gestalteten Zugabe „Zuneigung“.

Noch ein paar Anmerkungen zum – gelungenen und programmatisch gut eingepassten – Kammermusik-Teil: Die Violinistin Lidia Baich begeistert mit der fulminant und äußerst temperamentvoll vorgetragenen, für Violine und Klavier bearbeiteten Suite aus Romeo und Julia, mit einer die Tiefen von Richard Wagners „Liebestod“ aus Tristan und Isolde auslotenden Interpretation sowie mit einer Kammermusikfassung eines Stücks aus Rimski-Korsakows Scheherezade, dessen exotisierende Klänge orientalischen Zauber verströmen. Auch der selten gehörte Finalsatz aus der Violinsonate op. 18 von Richard Strauss ist gut gewählt und stammt aus der spätromantischen Phase des Komponisten, in der – lange vor seiner Opernkarriere – auch die Lieder entstanden sind. Dass Baich mit dem Pianisten Klaus Sallman,  der vermutlich als Einspringer für den ursprünglich angekündigten Matthias Fletzberger zum Einsatz kommt (von Fletzberger stammen im Übrigen auch die feinen Bearbeitungen) als Zugabe noch Stücke aus Aram Chatschaturjans Ballettmusik Spartacus zum Besten gab, weckte nostalgische Erinnerungen an die legendäre Fernsehserie Onedin Line, die in den 70er Jahren ein Renner war.

Fazit: Schagers Liedgesang wird sich noch deutlich vertiefen und reifen müssen, oder aber er wird sich mit dem zufrieden geben, was ihm am besten liegt und wofür er geschätzt, ja, geliebt wird: dem Operngesang. Und da könnten sogar neue Bereiche dazukommen. Das im Zugabeteil erklingende „Nessun dorma“, frisch dahingeschmettert, könnte ein Testballon gewesen sein. Dieser zumindest ist nicht geplatzt.

Manfred A. Schmid
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