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WIEN/ Staatsoper: SIEGFRIED – Traumpaar Stemme-Gould

06.06.2014 | KRITIKEN, Oper

STAATSOPER WIEN – SIEGFRIED – 5. Juni 2014

Traumpaar Stemme und Gould

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Ain Anger (Fafner), Stephen Gould (Siegfried). Foto: Michael Pöhn/ Wiener Staatsoper

 Es ist schon faszinierend, wenn die Hauptakteure einer Premiere auch sechs Jahre später nochmals zu denselben Begeisterungsstürmen Anlass geben. Ja, wenn sie vielleicht noch besser geworden sind und so einen Opernabend ganz weit über eine durchschnittliche Repertoirevorstellung hinausheben können. Und genau das geschah bei Richard Wagners Siegfried am zweiten Tag seines Bühnenfestspieles in der Wiener Staatsoper. Stephen Gould, der erneut den Titelhelden verkörperte, meinte einmal in einem Künstlergespräch bei den Staatsopernfreunden, dass er wohl nicht ewig diese Partie singen wird und er hoffe, den richtigen Zeitpunkt des Aufhörens zu erkennen. Derzeit ist er aber noch weit davon entfernt! Auch wenn der erste Akt mit der berühmten Schmiedeszene noch nicht ganz so perfekt aus seiner Gurgel kam (stimmliches Haushalten ist gerade bei dieser „Mörderpartie“ gefragt!), aber dann blühte seine Stimme immer mehr auf und spätestens im Schlussduett durften die Opernfans jubeln. Sein Timbre ist natürlich nun etwas dunkler geworden, aber die Strahlkraft und das Durchsetzungsvermögen in der Höhe zählen weiterhin zu seinen unnachahmlichen Qualitäten. Dazu kommt noch eine durchaus akzeptable Rollengestaltung, die im Finale an Intensität nochmals zunahm.

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Nina Stemme. Foto: Michael Pöhn/ Wiener Staatsoper

Hauptverantwortlich dafür ist natürlich seine Brünnhilde, die erfreulicherweise wirklich von Nina Stemme gesungen wurde, die ja für die Walküre noch absagen musste und über deren Auftritt bis zuletzt gerätselt wurde. Das Publikum fieberte der Schwedin förmlich entgegen, wurde dann auch durch den einen oder anderen scharfen Ton in Extremlage nicht enttäuscht und durfte am Ende – völlig zu Recht – seinem Liebling enthusiastisch zujubeln.

 Auch die Besetzungen von Mime und Fafner waren deckungsgleich mit der Premiere des Jahres 2008: Herwig Percoraro feilte in der Zwischenzeit weiter an der herrlichen Charakterstudie des Schmiedes Mime und prägte so den ersten Akt. Auch Ain Angers Fafner konnte stärkere Akzente setzen und dröhnte sowohl mit geforderter Teilnahmslosigkeit als auch mit furchtgebietender Eindringlichkeit. Interessant gestaltete Jochen Schmeckenbecher den Alberich, mit wohltönenden Klängen und dramaturgisch interessantem Spiel. Da kam einem beim Vergleich mit dem eher grobschlächtigen Bassbariton Tomasz Koniecznys als Wanderer schon einmal der Gedanke, dass man diese beiden Besetzungen vielleicht einmal tauschen könnte. Im Pausengespräch hörte ich Stimmen, welche diese Auffassung ebenfalls teilten. Denn Koniecznys rauere Stimme passt nicht immer perfekt zur Rolle des Wotans/Wanderers. Aber dennoch Chapeau wie er mit vollem Einsatz bis zum Schluss Vollgas gab und auch mit seiner Höhe punktete.

 Für die beiden Damen Janina Baechle (Erda) und Íride Martínez (Stimme des Waldvogels) gab es diesmal hingegen nur Höflichkeitsapplaus. Baechle wirkte seltsam gehemmt und brachte ihren satten Alt leider gar nicht so richtig zur Geltung, Martínez muss man zugute halten, dass offenbar die technischen und akustischen Rahmenbedingungen nicht optimal eingestellt waren, ihre Rufe aus dem Wald klangen eigenartig (elektronisch?) verzerrt, was in Kombination mit ihrer eher dramatischen Stimme kein Waldvöglein imaginierten.

 Ein großes Pauschallob verdiente das Orchester der Wiener Staatsoper. Jeffrey Tate musizierte im „Scherzo“ des Ringes über lange Strecken in eher kammermusikalischem Ton, um dann allerdings die großen Momente entsprechend auszukosten. Und das alles mit wirklich einwandfrei intonierenden Blasinstrumenten – ein Extrabravo! Die Vorfreude auf das Finale der Götterdämmerung ist in dieser Konstellation heute schon sehr groß.

Weniger groß ist weiterhin die Begeisterung über die Bechtolf’sche (Nicht)-Inszenierung. Es bedarf wirklich des Einsatzes jedes einzelnen Sängers zur individuellen Rollengestaltung, Gott sei Dank sind diesmal die richtigen Leute am Werk. Und so gibt es auch im „lustigsten“ der vier Ring-Abende auch genügend Gelegenheit zum Schmunzeln, nicht nur bei Siegfrieds Flöten-Versuchen, sondern auch nach ungewollten Hoppalas, wie etwa beim Vergessen des Wanderers auf seinen Speer, das Konieczny mit einem Schlag mit der flachen Hand auf seine Stirn sehr menschlich kommentierte.

Ernst Kopica

 

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