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WIEN/ Staatsoper: SIEGFRIED – eine echte Sternstunde

26.06.2014 | KRITIKEN, Oper

WIENER STAATSOPER: SIEGFRIED  am 25.06.2014 –

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Tomasz Konieczny (Wanderer). Foto: Michael Pöhn/ Wiener Staatsoper

 Wenn – so wie gestern in der Wiener Staatsoper – alles passt, tritt der für Nicht-Wagnerianer unvorstellbare Zustand ein, dass man nach fünf Stunden melancholisch wird, weil die Vorstellung „schon“ bald zu Ende geht.

 Adam Fischer gestaltete mit dem Staatsopernorchester in Hochform eine in allen Belangen herausragende Interpretation – Fafners Pulsschläge, das Vogelkonzert von Goldammer, Pirol, Nachtigall, Baumpiper und Amsel beim Waldweben und die zu Herzen gehenden sinfonischen Zwischenspiele präsentieren Wagners Musik mächtig, fröhlich, zart und einfach wunderschön. Der blitzschnelle Wechsel von exzessiver Orchestermusik zu rücksichtsvoller Sängerbegleitung funktioniert in beeindruckender Perfektion. Man hat das Gefühl, dass die Chemie zwischen Kapellmeister und Orchester stimmt – dementsprechend beglückend ist auch das Ergebnis.

 Dass man bei diesem „Siegfried“ von einer Sternstunde sprechen kann, ist aber auch den Gesangsleistungen ohne echte Schwachstelle zu verdanken.

 Am eindrucksvollsten ist Stephen Gould als junger Siegfried, der seit der Premiere vor sechs Jahren mit der Rolle gewachsen ist und vom jugendlichen Grobian zum machtvollen, konditionsstarken Singschauspieler gereift ist; zu einem Heldentenor dem auch nach vier Stunden noch wunderschön gesungene, zarte Passagen gelingen – eine makellose Weltklasseleistung mit edler, gerader Stimme, die auch bei lange gehaltenen Linien keinen Wackler und keine Ungenauigkeit hören lässt.

 Nina Stemme liegt die Siegfried-Brünnhilde ganz besonders gut in der Kehle und mit ihrem wunderschönen, technisch perfekten Sopran sorgt sie schon beim „Heil dir, Sonne!“ für wohliges Entzücken und gestaltet die relativ kurze, aber mit herrlichster Musik ausgestattete Partie – gemeinsam mit dem noch immer unglaublich frisch wirkenden Stephen Gould ein echtes Traumpaar – zum absoluten Höhepunkt. Glücklicherweise gehört Brünnhilde zu den Frauen, die „vorher erst reden möchten“ (Zitat: Stefan Mickisch), das beschert uns als „Vorspiel im nicht-musikalischen Sinne“ zusätzlich ca. zehn Minuten wunderbarster Musik.

 Eine beachtliche Charakterstudie stellt der Mime von Herwig Pecoraro dar. Der verlässliche Tenor aus dem Staatsopern-Ensemble, der schon seit der Premierenserie dabei ist, kann aufgrund seiner großen, wandlungsfähigen Stimme den schleimenden, hinterlistigen Zwerg, der letztlich immer zu den Verlierern zählt, überzeugend darstellen.

 Sein Bruder Alberich – nicht weniger verschlagen, aber erfolgreicher – wird von Jochen Schmeckenbecher mit schön klingender Stimme tadellos gestaltet und sorgt in der Szene mit Wotan für ein interessantes, baritonales Duell mit großer Eindringlichkeit.

 Tomasz Konieczny der den Wanderer durch die Welten wieder eindrucksvoll darstellt, zeigt in der Wissenswette noch göttliche Dominanz, die nach kurzem, trotzigem Aufbegehren in der Szene mit Erda dann, in der Auseinandersetzund mit Siegfried, die herannahende Götterdämmerung erahnen lässt – eine gesanglich und schauspielerisch beeindruckende Leistung.

 Ebenfalls seit der Premiere überzeugt Ain Anger als bedrohlicher Wurm und als höhensicherer Riese, der seinen mächtigen Bass aus der Neidhöhle mittels Flüstertüte noch größer macht.

Erda, die zweite Frau im „Ring“, die dem glücklosen Gott so richtig die Leviten liest, wurde von Janina Baechle mit sehr schönem Alt gesungen – im Gegensatz zum Rheingold war sie aber diesmal (am Balkon) manchmal nicht gut hörbar. Das gleiche trifft auch für Iride Martinez als Waldvogel zu, wobei wir aber vermuten, dass das mit ihrer Gesangsposition im „off“ zu tun hat.

 Die großartigen Leistungen wurden vom Publikum begeistert und relativ lange akklamiert; es fällt auch den Rezensenten leicht, ihren Obliegenheiten inform einer adjektivreichen Berichterstattung gerne nachzukommen.

 Maria und Johann Jahnas

 

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