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WIEN/ Staatsoper: SCHWANENSEE- Mit dem Bonus Nurejew versehen. Premiere

16.3.2014: Premiere von „SCHWANENSEE“ – Mit dem Bonus Nurejew versehen

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Olga Esina. Foto: Barbara Zeininger

Es war einmal ….. Ja, das war genau vor einem halben Jahrhundert, im Jahr 1964. Zum ersten Mal in der Wiener Staatsoper nach dem Weltkrieg ist damals das Publikum bei einer Ballettpremiere in endlosen Jubel ausgebrochen. Der 26jährige Rudolf Nurejew hatte mit dem Ensemble, in diesen Jahren noch fast ausschließlich aus dem eigenen heimischen Nachwuchs rekrutierte Tänzer, Peter I. Tschaikowskis „Der Schwanensee“ einstudiert. Natürlich, anknüpfend an tradierte frühere Einstudierungen (Marius Petipa, Lew Iwanow & deren Überlieferer). Dieser abendfüllende Ballettklassiker, 1877 in Moskau nicht gerade erfolgreich uraufgeführt und heute ein Standardwerk für jede Ballettkompanie, ist damals erstmals in voller Länge in der Staatsoper zu sehen gewesen. Michael Birkmeyer, in diesen Tagen aufstrebender Wiener Jungballerino und von Nurejew gefördert, erzählt heute lächelnd: „Eigentlich …. es ist in erster Linie Erik Bruhn gewesen, der mit uns das Ballett erarbeitet hat.“ Der Däne Bruhn (1928 bis 1986) ist ebenfalls ein begnadeter Tänzer und zu dieser Zeit Vorbild und Lebensgefährte des aus der UdSSR geflüchteten Publikumsmagnet Nurejew gewesen. Nurejews Statement damals in seinen Glanzjahren zu seinen Choreografien: „Ich studiere Ballette ein, um mich selbst als Tänzer zu promoten!“

Wie auch immer, Nurejew und seine legendäre Partnerin Margot Fonteyn wurden groß gefeiert, und auch die jetzige Neueinstudierung durch Ballettchef Manuel Legris hat nun am Premierenabend  wiederum viel Zuspruch gefunden. Übrigens: die 207. Aufführung von dieser Nurejew–Version in der Staatsoper ist es gewesen. Der Tanzstar hat zwar in seiner weiteren Karriere an anderen „Schwanensee“-Fassungen für London, Mailand herumgebastelt und ständig geändert, doch diese seine allererste Einstudierung, mit dem Bonus Nurejew versehen, wird die Wiener und alle Operntouristen wohl noch auf viele weitere Jahre hinaus beglücken.

Nurejew sagte damals zu seinen Bestreben bei dieser völlig auf seine eigene tänzerische Ambition und Bravour zugeschnittenen Einstudierung: „Ich glaube, die Hauptperson ist der Prinz, nicht der Schwan, er ist nur sein Spiegelbild. Schwanensee ist eine Geschichte der Romantik. Es ist der Traum von der idealen Frau, der Flucht aus der Realität, der Versuch, das Ideal mit der Realität zu verknüpfen, der schließlich zur Katastrophe führt.“ Jetzt, am 207. Staatsopern-Abend, ist die Hauptperson trotzdem die Schwanenkönigin gewesen. Olga Esina, eine Klasseballerina voll unaufdringlicher Eleganz und Reinheit, sticht aus dem Ensemble hervor. Sie verletzte sich zwar beim Schwarzen Schwan-Pas de deux, konnte die Vorstellung jedoch zu Ende tanzen. Und sie wurde, wie auch das ganze Ensemble für dessen höchst disziplinierten Einsatz, bejubelt …. um dann ins Krankenhaus zur Untersuchung eingeliefert zu werden. 

Mit Besetzungsproblemen hat das Wiener Staatsballett schon länger Zeit zu kämpfen. Immer wieder neue Verletzungen, Absagen, etc. Dabei scheint die Ballettleitung in ihrem Bestreben, alle Kräfte der Tänzer zu mobilisieren, diese damit zu überfordern. Kurzfristige Umbesetzungen auch am Premierenabend, einige gefügige Schwänchen aus der Ballettschule noch dazu. Als Siegfried ist Vladimir Shishov sicher nicht ein gleichwertiger Partner für Olga Esina. Zwar ist diesem stattlichen, technisch guten Ballerino ein absolut positiver Abend geglückt, doch in seinen achtbaren Posen, seiner Körpersprache und mit seinen Ausdrucksmöglichkeiten ist er weit davon entfernt, ein faszinierender Prinz im Sinne Nurejews zu seien. Eno Peci wirbelt geschmeidig als Zauberer Rotbart über die Bühne, die forschen Charaktertänze kommen beim Publikum bestens an, und im Reigen der klar konturierten Schwanenmädchen können immer wieder sehr, sehr schöne Gruppierungen gefallen.   

Ausstatterin Luisa Spinatelli hat neue Kostüme (aufwendige) und und Bühnenbilder (verblassende) entworfen. Keine originellen, eher Richtung leicht kitschig. Mehr Eislaufplatz -Kühle als Romantik-Flair. Im Vergleich mit früheren, so sagen wir zwischen den „Schwanensee“-Abenden  Nr. 5 oder Nr. 34 oder Nr. 157, mangelt es insgesamt doch an feineren Zwischentönen, an spielerischer Freude und atmosphärischer Stimmung. Auch Dirigent Alexander Ingram – und schon wieder ein Debütant am Staatsopern-Pult – ist bei seinem Einstand vorläufig nicht als großer Maestro aufgefallen. Macht nichts. 50 Jahre Nurejews „Schwanensee“ nun bereits in Wien, das ist schon ein guter Grund zum Feiern.
                                                                                                                                         
Meinhard Rüdenauer  

 

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