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WIEN / Staatsoper: SAMSON ET DALILA

15.05.2018 | KRITIKEN, Oper


Elīna Garanča. Roberto Alagna Foto: Wiener Staatsoper / Pöhn

WIEN / Staatsoper:
SAMSON ET DALILA von Camille Saint-Saens
Zweite Aufführung in dieser Inszenierung
15.
Mai 2018

„Samson und Dalila“ spielt man, wenn man die Besetzung dafür hat – und die erste Dalila der Elīna Garanča, flankiert von Roberto Alagna und Carlos Álvarez, damit hatte die Wiener Staatsoper ihren Hit unter den Neuinszenierungen dieser Saison. (Obwohl dann bei der zweiten Vorstellung der Stehplatz nicht übervoll war – und die „Oper live am Platz“, bei einem Pausenblick hinaus, nicht eben toll besucht: Es war aber auch ein ziemlich kalter Abend.)

Die Inszenierung von Alexandra Liedtke beweist, wie leicht es ist, sich Konzepte auszudenken, und wie schwer, diese auch sinnfällig zu realisieren. „Samson et Dalila“, die berühmte Bibelgeschichte des Hebräer-Helden und der Philister-Priesterin-Verführerin, nur als die Geschichte zweier Menschen, die für einander bestimmt sein könnten, aber ihre Liebe opfern müssen? Szenisch in einen entweder luftleeren oder (noch schlimmer) albernen Raum gestellt (Bühnenbild: Raimund Orfeo Voigt), kommt der klassische Fall einer Null-Nummer-Inszenierung dabei heraus, die sich um alles zu drücken scheint.

Denn da geht es um zwei extrem feindliche Gesellschaften, die als Führungspersönlichkeiten einen Mann und eine Frau ins Spiel bringen, die jeweils mit ihren Mitteln kämpfen. Da geht es um echten Haß dem Feind gegenüber und um echte Gefühle, die da entzündet werden. Und da geht es nicht zuletzt um verschiedene Götter, in deren Namen gekämpft wird – gerade das sollten wir doch heutzutage kennen. Kurz gesagt, die Geschichte ist viel, viel größer, als sie auf der Bühne der Staatsoper erscheint, in einer Form, die wie ein Schattenumriß des originalen Bildes wirkt.

Auch ist zu bezweifeln, dass Opernbesucher, die – der Besetzung wegen – ins Haus stolpern, ohne die Zeit zu haben, sich mit der Geschichte zu befassen, irgendetwas begreifen werden, was sich da entweder auf Podesten und schiefen Ebenen oder gar in „Zimmer mit Badewanne“ abspielt. Wie im ersten Akt der Kampf zwischen den zuerst hoffnungslos gefangenen Hebräern und den Philistern umkippt, nachdem Samson den Abimélech getötet hat – wird das klar? Kann man die Beziehung zwischen Dalila und Oberpriester zeigen, wenn sie in einem minimalen Bühnenausschnitt quasi in der Luft schweben (es ist zu bezweifeln, dass man von oben oder von der Seite viel von der Szene sieht). Kann man sich vorstellen, wieso Samson bei Dalila plötzlich in einem Zimmer mit hohen Flügeltüren auftaucht, in dessen Zentrum nichts anderes steht als eine Badewanne (er darf dann in Momenten höchster Erregung ins Wasser plantschen, dass es aufspritzt). Und im letzten Akt, wo Choreograph Lukas Gaudernak für die berühmte Ballettszene wenigstens einigermaßen eine überzeugende „Verhöhnung“ des nun blinden Samson tanzen lässt (Modern Dance natürlich), gibt es natürlich keinen Tempel, um der Geschichte, die nicht stattfindet, ihr wirkungsvolles Ende zu geben – aber bitte, der Feuerzauber, der da entfaltet wird, mag die Philister vielleicht schrecken… hoffen wir’s.

Kurz, mit dieser Inszenierung, die bestenfalls uninteressant, schlechtestenfalls verdammt ärgerlich ist, war kein Staat zu machen. Aber doch wohl mit der Titelheldin! Oder? Ist Elīna Garanča die ideale Dalila? Für ihre Fans gewiß, und von denen gibt es viele, liest man die triumphalen Premierenkritiken. Die ewige Wiederholung, dass ihre Stimme immer schöner, voller, dünkler werde, konnte man bei der zweiten „Samson“-Vorstellung allerdings nicht nachvollziehen. Von der lockeren, generösen „Stimmfülle“ großer Mezzos keine Rede, und auch das Timbre bleibt jegliche flirrende Erotik (die man für diese Rolle schon mitbringen müsste) schuldig.


Roberto Alagna, Elīna Garanča
Foto: Wiener Staatsoper /
Pöhn

Und diese kühle Blonde im reizlos-braven himmelblauen Kleid (ein bisschen den Busen gezwirbelt, aber nur ein bisschen), zu evidenter Temperamentlosigkeit verurteilt, soll die große Verführerin sein, die bei dem starken Mann Samson zumindest kurzfristig seine leidenschaftliche Verbundenheit an Gott aussticht? Da bedürfte es schon mehr, wenngleich die Garanca – bei gepflegtem Gesang – ein paar herrlich strahlende Spitzentöne zu bieten hat (die Tiefe ist ja immer ihr Manko, die wird unweigerlich flach), aber so richtig überzeugend ist das nicht, zudem die Badewanne als Illusionskiller ihren Teil beiträgt, dass das Ganze nicht funktionieren kann. Immerhin, im letzten Akt (wo sie dann gekleidet ist wie eine Gouvernante – Kostüme: Su Bühler) zeigt diese Dalila, der man den ehrlichen Haß auch nie geglaubt hat, so wenig wie die angebliche Liebe, wenigstens etwas Betroffenheit darüber, was sie getan hat. Ist immerhin besser, als wenn sie triumphierte. Aber so richtig in der Rolle stand sie nie.

Ganz im Gegensatz zu Roberto Alagna: Vom kraftvollen „Führer“ seiner Leute im ersten Akt über den „Verführten“, der sich so gewaltig wehrt und doch untergeht, bis zu dem geblendeten, menschlich geschändeten Mann des Schlußbilds war er in jeder Nuance überzeugend. Dass Samson ein Mann der Kraft ist, hat er gesungen – vordringlich mit Kraft, verschwenderisch, offensiv, ganz ohne Einknicker. Immer voll da, nicht unbedingt auf Linie, aber in der beeindruckenden Quantität eines stimmlichen und darstellerischen Einsatzes von Format.


Roberto Alagna,Carlos Álvarez Foto: Wiener Staatsoper / Pöhn

Carlos Álvarez, dem man beglückt zuhört, weil seine Stimme in Kraft und Schönheit reüssiert, war allerdings ein Opfer der Regie – einer, der meist rauchen muss, wie ein Brunnenvergifter dreinsieht und keine Autoritätsperson ist, sondern nur ein mieser Intrigant. Auch wenn die Philister die „Bösen“ sind – man muss doch nicht alles so klein machen.

Sorin Coliban sang mit so harter Stimme, dass man über seinen baldigen Tod nicht wirklich böse war, dann übernahm Dan Paul Dumitrescu mit seinem wirklich warmen Baß. Viel zu tun für den Chor, mal die klagenden Hebräer, mal die ekelhaften Philister.

Und eine starke Leistung von Marco Armiliato am Pult, statuarische Chöre, bewegte Arien, berühmte Ballettmusik, alles begleitet und gestaltet, dazu hätte man auch die Oper wirklich auf die Bühne bringen können. Aber das war nur eine Behauptung. Manchmal scheint es, Regisseure seien noch schwieriger zu besetzen als Sänger…

Renate Wagner

 

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