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WIEN / Staatsoper: SALOME von Richard Strauss

Gute Hausdebüts in den Hauptpartien und beste Kräfte bis in die kleinsten Nebenrollen

Vida Mikneviciute (Salome) , Thomasz Konieczny (Jochanaan). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: SALOME von Richard Strauss

244. Aufführung indieser Inszenierung

2. Oktober 2020

Bohuslav Barlogs Salome-Inszenierung, seit 1973 im Repertoire der Wiener Staatsoper, besticht durch die vom Jugendstil geprägte Bühne von Jürgen Rose, die dem Kunstempfinden zur Entstehungszeit der 1905 uraufgeführten Oper nachempfunden ist. Auch die literarische Grundlage Oscar Wildes, einige Jahre früher entstanden, zeugt vom revolutionären „Zeitgeist“ der Jahrhundertwende: „Die auftretenden Figuren sind lauter perverse Leute,“ bekannte der Komponist einmal gegenüber seinem Kollegen Franz Schreker. In der Tat nimmt sich seine Musik wie ein Psychogramm „hysterischer Persönlichkeiten“ aus, wie sie von Siegmund Freud damals in seinen epochalen Studien beschrieben wurden. Sie schafft eine nervöse, spannungsgeladene, erotisch aufgeladene, schwirrend-schwüle Atmosphäre, die ständig zu explodieren droht und letztendlich in eine Katastrophe mündet, die so erschütternd und tabubrechend war, dass die Zensur eine Aufführung in Wien zunächst einmal strikt verboten hatte. Das Orchester der Staatsoper, unter der Leitung des exzellenten englischen Dirigenten Alexander Soddy hält diese zuweilen beinahe unerträgliche elektrische Spannung bis zum Schluss aufrecht. In geballten Zuspitzungen und Gefühlseruptionen, aber auch in beunruhigend leisen Passagen, in denen die Tiefen der Seelen dieser kranken Persönlichkeiten ausgelotet werden und das Fagott gefährlich mäandert, wird die erschütternde Handlung vorangetrieben.

Alles „wurlt“ also in einem fort in dieser Oper, und die Bühne, mit dem großen Innenhof im Palast des Tetrarchen im Zentrum, gibt einen passenden Rahmen für das Geschehen ab. In den Repertoirevorstellungen der letzten Zeit dürfte von ursprünglichen Regiekonzept Barlogs nur mehr wenig vorhanden gewesen sein. Herodes und Herodias halten sich dann meist auf der ausladenden Treppe am rechten Bühnenrand auf, nur Salome darf den weitläufigen Hof bespielen – wie auch das militärische und höfische Personal und natürlich Jochanaan, wenn er auf Wunsch Salomes den Brunnen, in dem er gefangen gehalten wird, verlassen darf. Diesmal ist es allerdings anders: Die Hausdebütanten in den Rollen des Herodes und seiner Frau Herodias bringen offenbar ihrer Erfahrungen aus ähnlichen Einsätzen auf anderen Bühnen mit ein und nützen den großen Rahmen des Innenhofs auch für ihre Auftritte. Das tut dieser Aufführung gut. Die fatale Familienaufstellung rund um ihre (Stief-)Tochter gewinnt so an Prägnanz.

Der „kaputteste Typ“ in dieser Oper, wie man heute sagen würde – Strauss selbst sprach vom „perversesten“ – ist nach Meinung des Komponisten überraschenderweise nicht die Titelfigur, sondern Jochanaan. Tomasz Konieczny ist ein imposanter, mit mächtiger Stimme auftretender, seine Mission als Mahner unerschütterlich verfolgender Prophet. Mit Autorität und Aufmerksamkeit einfordernden Tönen, die nicht stählern klingen, sondern eher an eine kernige Eiche erinnern, donnert er seine Botschaften und offenbart dabei eine durch und durch misogyne Gesinnung, die Salome allerdings nicht abschreckt, sondern sie nur mehr in ihrem Entschluss bestärkt, ihn unbedingt küssen zu wollen. Der auch als Heldenbariton bewährte Bariton hat keinerlei Schwierigkeiten, seine Stimme in den kurzen lyrischen Passagen aufzuhellen. Konieczny macht die komplexe Verfasstheit dieser Figur so lebendig, dass man sich fast wüschen möchte, dass Strauss mehr für sie geschrieben hätte.

Vida Mikneviciute (Salome) kniend vor dem Kopf des Jochanaan.

Vida Mikneviciute ist in Österreich, von ihrem gelungenen Auftritt als Gräfin Mariza 2018 in Mörbisch einmal abgesehen, ein noch weitgehend unbeschriebenes Blatt. Die litauische Sopranistin hat sich aber an den Staatstheatern Wiesbaden und Mainz in vielen Rollen quer durch’s Repertoire das Rüstzeug für ihr Debüt als Chysothemis an der Berliner Staatsoper erworben und konnte inzwischen  in Australien auch schon als Salome bewundert werden. Bei ihrem Wiener Hausdebüt in dieser Partie entdeckt man einen jugendlichen, etwas dunkel glühenden Sopran, der sich gegenüber den aus dem Orchestergraben kommenden, entfesselten Klängen gut zu behaupten weiß. Ein leichtes, unaufdringliches Vibrato verleiht ihrer in den hohen Lagen sicheren Stimme schimmernden Glanz. Auch darstellerisch macht Mikneviciute gute Figur. Wenn der Schleiertanz dann nicht gerade zu ihren Stärken zählt, kann das ihren unbestrittenen Erfolg nicht eintrüben.

Ein glänzendes Hausdebüt liefert auch russische Mezzospranistin Marina Prudenskaya. Sie ist ein schnippische, selbstbewusste, ihren Mann ständig frotzelnde Herodias. Mit ihren treffsicheren, dramatischen Spitzentöne erweist sie sich als eiskalte Frau, die freilich gegenüber den dem ihr unbeirrt ihre Sünden vorhaltenden Jochanaan auch Furchtgefühle an den Tag legt.

Vincent Wolfsteiner (Herodes) und Maraina Prudensskaya (Herodias)

Der Herodes wird – auch in Wien, wenn man etwa an Herwig Pecoraro denkt – oft mit einem Charaktertenor besetzt, was dem wankelmütigen Wesen dieser geilen, eher schwachen, nervös flackernden, verängstigten Figur entspricht. Mit Vincent Wolfsteiner, einem weiteren Hausdebütanten, kommt ein Heldentenor zum Zug, der u.a. bereits in Bayreuth als Siegmund aufgetreten ist. In Wien war er erstmals im Vorjahr als Hüon im Webers Oberon zu erleben. Stimmlich makellos, wenn auch ein wenig eindimensional hinsichtlich der Ausdrucksfähigkeit, gibt er einen stimmstarken, hellen Tetrarchen ab. Der dekadenten Anlage dieser Figur, wie er Salome schmeichelnd und geifernd nachstellt, wird er nicht ganz gerecht.

Gut besetzt sind Narraboth (Carlos Osuma) und der Page (Margaret Plummer) sowie die fünf Juden – außer Thomas Ebenstein allesamt Rollen- bzw. Hausbütanten: Andrea Giovannini, Michael Laurenz, Daniel Jenz und Evgeny Solodnikov. Letzteres gilt auch für die beiden Nazarener, Martin Häßler und Attila Mokus. Bewährt weiters Wolfgang Bankl als Erster Soldat, während Clemens Unterreiner in der Rolleals Zweiter Soldat erstmals auf der Bühne steht. Damit scheint sich ein Merkmal der Besetzungsstrategie des neuen Operndirektors bereits klar herauszukristallisieren: Immer wieder, auch für Repertoirevorstellungen, neue Gesichter und Stimmen von außen zu holen und in Nebenrollen die besten Kräfte aufzubieten. So kann das gerne weitergehen. Der freudvolle Applaus des Publikums ist der Dank dafür.

3.10.2020

 

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