Wiener Staatsoper: 11.2. 2013 „SALOME“ – ein Orchesterfest!
Spannend vom ersten bis zum letzten Ton, brillant und in allen Farben leuchtend und blitzend, wie frisch poliert für eine Premiere (es soll für diese Serie sogar mehrere Proben gegeben haben) präsentierte sich der Orchesterpart der Strauss-Oper unter Peter Schneider, dem viel zu selten ans Pult der Wiener Staatsoper gerufenen Meisterdirigenten, dessen Einspringer-Auftreten beim Opernball vier musikalische Gustostückerln in die Welt klingen ließ, die (neben dem Puccini- und Lehar-Beitrag) dem Mozartdirigenten ein ebenso glänzendes Zeugnis ausstellten wie diese Strauss-Aufführung.
Schneiders stets transparente und Handlungs-orientierte Musizierweise belässt es nicht etwa bei purem Klangrausch. Man fragt sich da bei jedem Instrumentalsolo und jeder Variation der immer wiederkehrenden Motive, warum der Komponist gerade an dieser Stelle diese spezielle Instrumentation, Tonart oder rhythmische Besonderheit gewählt hat. Das ermöglicht ein neues Durchdenken der ganzen so pervers scheinenden Geschichte und ihrer psychologischen Verschlingungen. Schlussendlich aber kommt man zu dem Ergebnis, dass Richard Strauss seine Opernfiguren gar nicht der Verdammung anheimfallen lassen wollte, weder den Herodes und die Herodias noch die wechselseitig verliebten Nebenpersonen (Page, Narraboth) oder gar die streitenden fünf Juden. Und die verwöhnte Prinzessin schon gar nicht. Vielmehr
werden ihrer aller Verhaltensweisen musikalisch so schillernd beleuchtet, dass auch noch für Witz, Ironie, ein Lächeln, Mitleid mit der Titelheldin und ein Kopfschütteln über den Glaubensfanatismus Jochanaans übrig bleibt. Das muss ein Dirigent mit seinem Orchester erst einmal erfasst haben und dann herausklingen lassen. Dass der fulminant musizierte (optisch leider wenig aufregende) Tanz der entfesselten Salome dem Ganzen schon vom investierten Temperament her die Krone aufsetzt, ist in solcher Formation unausbleiblich. Bravissimo!
In solcher instrumentalen Klangpracht nicht zu ertrinken, ist für jeden Sänger allein schon ein Verdienst. Camilla Nylund gelingt es von Mal zu Mal besser. Ihre Stimme ist im Lauf der Jahre kräftiger und stabiler geworden. Dass sie zwar sehr gut aussieht und sich gut bewegt, aber trotzdem nicht als „sexy“ einzustufen ist, passt ganz gut zu ihrem eher keusch klingenden, sauber geführten Sopran mit den hell aufleuchtenden, sicheren Höhen, die jedes Orchesterfortissimo durchdringen. So ist sie eine von den Salomes, die weniger das verruchte Weib in den Vordergrund stellen als die verzogene und unter dem negativen Einfluss von Mutter und Stiefvater eigensinnig gewordene Prinzessin, die letztendlich in die Opferrolle gedrängt wird.
Von der Mutter Herodias, die Michaela Schuster mit ebenso dominanter Stimme wie Persönlichkeit als frustrierte Frau mit Vergangenheit darstellt, die schlicht und einfach ihren Willen durchzusetzen versucht, hat die Nylundsche Salome also wenig geerbt. Dem Herodes leiht Thomas Moser seinen immer noch sauber intonierenden Tenor und gibt dem Tetrarchen ein eher schüchtern und ängstlich wirkendes Profil. Da haben wir schon durchsetzungsfähigere Männer gesehen und gehört.
Am wenigsten war der Prophet des Abends der großen Musik gewachsen, die ihm Strauss zugedacht hat. James Rutherford sang kultiviert, aber mangels Volumen und festem Stimmkern blieb vieles ungehört, was man dann eben der mitlaufenden Textanlage und der orchestralen Aussage entnehmen musste. Auch sein Auftreten hatte kein „biblisches Format“. Juliette Mars als Page und Carlos Osuna als Narraboth strengten sich mächtig an, konnten sich aber auch nicht profilieren. Köstlich wieder die mit so viel fanatischer Intensität parlierenden Juden, die unter Schneider immer besonders gut zur Geltung kommen: Herwig Pecoraro, Jinxu Xiahou, Benedikt Kobel, Wolfram Igor Derntl und Walter Fink, alle mit kräftigen Stimmen, die kein Orchester zudecken kann. Solide die beiden Nazarener (Janusz Monarcha und Nikolay Borchev) und die Soldaten (Dan Paul Dumitrescu und Il Hong) sowie der Cappadocier (Jens Musger).
Boleslav Barlogs Inszenierung und Jürgen Roses Jugendstil-Ausstattung funktionieren wie am ersten Tag.
Ein paar Vorhänge mehr als heutzutage üblich waren der Dank für 105 Minuten Richard Strauss intensiv.
Sieglinde Pfabigan