WIENER STAATSOPER: SALOME am 18.5.2012
Eine Salome ohne große Höhepunkte, aber mit mehreren interessanten Details. Beherrschend war das Staatsopernorchester, wieder einmal unter der Leitung von Ulf Schirmer, der kein Freund der zarten Töne ist. Mit der Zurücknahme der Lautstärke an den erforderlichen Stellen schaffte er aber immer Raum für die nötigen dramatischen Steigerungen. Der überirdische Strauss-Klang, den wir von Peter Schneider gewohnt sind, wollte sich allerdings trotz prominenter Besetzung im Graben (Küchl, Nagy) nicht einstellen.
Lise Lindstrom, die für die verhinderte Emely Magee einsprang, war eine gut hörbare aber schlecht verständliche Salome. Anfangs dominierten schneidende Höhen und verschluckte Mezzo-Passagen; nach dem Schleiertanz hörten wir plötzlich einen klareren Ausdruck, fast lyrische Passagen und dramatischen Eruptionen ohne störende Schärfe. Dank der klugen Choreografie und mit dem Bonus der hübschen jungen Frau gelang der Schleiertanz ohne Peinlichkeit. Wir können uns vorstellen, dass Lise Lindstrom auf dem Weg von einer guten zu einer sehr guten Salome ist.
Die angenehme Überraschung des Abends war der Jochanaan des Markus Marquardt. Die Steigerung seit Oktober 2011 – vom relativ nichtssagenden, freundlichen Onkel zur vielschichtigen Figur des besessenen, gnadenlosen Jüngers, der nur beim Bericht über Jesus zu einer menschlichen Wärme findet, ist beeindruckend. Seit langer Zeit wieder einmal war gestern sogar jedes Wort aus dem Verlies deutlich hörbar und verständlich. Thomas Moser präsentierte den Herodes nicht als geilen Gnom sondern als (auch stimmlich) mächtigen König mit Hang zu Inzest und Pädophilie.
Nostalgische Gefühle wurden durch den Auftritt von Dame Gwyneth Jones als Herodias wachgerufen; wir erinnern uns dankbar an die schönen Opernabende, die wir mit ihr erleben konnten.
Marian Talaba als Narraboth kann man derzeit bestenfalls mit „gerade noch“ bezeichnen. Alisa Kolosova gelang ein sehr guter Page mit schönem Ausdruck im Mezzo. Die Herren des Staatsopernensembles zählten wie immer zu den Pluspunkten der Vorstellung.
Nachsatz von Johann Jahnas (Herr Botz und andere Geistliche – bitte vorab um Entschuldigung): Nicht zur Vorstellung gehörend aber zum Thema passend möchte ich noch eine persönliche Empfehlung abgeben: Anlässlich der Taufe unserer Enkeltochter Sophia (wie es sich für Strauss-Fans gehört) hielt ich es für nötig, meine Bibelfestigkeit zu überprüfen. Auf der Suche nach einer weniger trockenen Interpretation der „Heiligen Schrift“ bin ich auf das „Wiener Evangelium“: „Da Jesus und seine Hawara“ von Wolfgang Teuschl – gelesen von Willi Resetarits gestoßen. Hier wird die Handlung der Salome auf humorvolle, einfache und doch komplette Art und Weise – etwa im Stil Loriots – erklärt. Ich meine, Oper muss nicht immer tierisch ernst genommen werden.
Maria und Johann Jahnas