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WIEN/ Staatsoper: SALOME

19.05.2012 | KRITIKEN, Oper

WIENER STAATSOPER: SALOME am 18.5.2012

Eine Salome ohne große Höhepunkte, aber mit mehreren interessanten Details.  Beherrschend war das Staatsopernorchester, wieder einmal unter der Leitung von  Ulf Schirmer, der kein Freund der zarten Töne ist. Mit der Zurücknahme der  Lautstärke an den erforderlichen Stellen schaffte er aber immer Raum für die  nötigen dramatischen Steigerungen. Der überirdische Strauss-Klang, den wir von  Peter Schneider gewohnt sind, wollte sich allerdings trotz prominenter Besetzung  im Graben (Küchl, Nagy) nicht einstellen.

Lise Lindstrom, die für die  verhinderte Emely Magee einsprang, war eine gut hörbare aber schlecht  verständliche Salome. Anfangs dominierten schneidende Höhen und verschluckte  Mezzo-Passagen; nach dem Schleiertanz hörten wir plötzlich einen klareren  Ausdruck, fast lyrische Passagen und dramatischen Eruptionen ohne störende  Schärfe. Dank der klugen  Choreografie und mit dem Bonus der hübschen jungen  Frau gelang der Schleiertanz ohne Peinlichkeit. Wir können uns vorstellen, dass  Lise Lindstrom auf dem Weg von einer guten zu einer sehr guten Salome  ist.

Die angenehme Überraschung des Abends war der Jochanaan des Markus  Marquardt. Die Steigerung seit Oktober 2011 – vom relativ nichtssagenden, freundlichen Onkel zur vielschichtigen Figur des besessenen, gnadenlosen  Jüngers, der nur beim Bericht über Jesus zu einer menschlichen Wärme findet, ist  beeindruckend. Seit langer Zeit wieder einmal war gestern sogar jedes Wort aus  dem Verlies deutlich hörbar und verständlich. Thomas Moser präsentierte den  Herodes nicht als geilen Gnom sondern als (auch stimmlich) mächtigen König mit  Hang zu Inzest und Pädophilie.
Nostalgische Gefühle wurden durch den Auftritt von Dame Gwyneth Jones als Herodias wachgerufen; wir erinnern uns dankbar an die  schönen Opernabende, die wir mit ihr erleben konnten.
Marian Talaba als  Narraboth kann man derzeit bestenfalls mit „gerade noch“ bezeichnen. Alisa Kolosova gelang ein sehr guter Page mit schönem Ausdruck im Mezzo. Die Herren  des Staatsopernensembles zählten wie immer zu den Pluspunkten der  Vorstellung.

Nachsatz von Johann Jahnas (Herr Botz und andere Geistliche – bitte vorab um  Entschuldigung): Nicht zur Vorstellung gehörend aber zum Thema passend möchte  ich noch eine persönliche Empfehlung abgeben: Anlässlich der Taufe unserer  Enkeltochter Sophia (wie es sich für Strauss-Fans gehört) hielt ich es für  nötig, meine Bibelfestigkeit zu überprüfen. Auf der Suche nach einer weniger  trockenen Interpretation der „Heiligen Schrift“ bin ich auf das „Wiener  Evangelium“: „Da Jesus und seine Hawara“ von Wolfgang Teuschl – gelesen von  Willi Resetarits gestoßen. Hier wird die Handlung der Salome auf humorvolle,  einfache und doch komplette Art und Weise – etwa im Stil Loriots – erklärt. Ich meine, Oper muss nicht immer tierisch ernst genommen werden.

Maria und Johann Jahnas

 

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