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WIEN/Staatsoper RUSALKA von Antonin Dvorak

Von Eiseskälte und unstillbaren Sehnsüchten

20.11.2018 | KRITIKEN, Oper

Camilla NYLUND als märchenhafte Rusalka
Foto:(C)M.Pöhn

 

Von Eiseskälte und unstillbaren Sehnsüchten

RUSALKA von Antonin Dvorak  in der Wiener Staatsoper
Am 19. November 2018 mit der 18. Aufführung in dieser Inszenierung

Von Manfred A. Schmid

 

Bei dieser Oper handelt es sich um ein „Lyrisches Märchen“, wie es der Komponist selbst formuliert hat. Gerade mit märchenhaften Stoffen aber– so lehrt uns die jüngere Rezeptionsgeschichte – tun sich die mit der Umsetzung betrauten Regisseure heutzutage zunehmend schwer. Otto Schenks Inszenierung des Schlauen Füchsleins hat sich als hoffnungslos überladen herausgestellt; Musik und Bühnenbild passen aber auch in der derzeit wieder zu sehenden Wiener Staatsopernproduktion von Dvoraks Rusalka (Regie Sven-Eric Bechtolf) nicht zusammen: Die Ouvertüre beginnt mit zauberhaften, hellsilbrig instrumentierten Klängen, man glaubt das anmutige Spiel der Wellen zu erahnen, verspürt die unstillbare Sehnsucht der Wasserfrau nach Sonne und menschlicher Zuneigung, sieht förmlich den milden Abglanz des Mondes auf der Wasseroberfläche tanzen und den schmetterlingshaften Reigen der zierlichen Elfen. Kurz: Man fühlt sich in eine entrückte Märchenwelt versetzt.

Dann öffnet sich der Vorhang, und man ist schlagartig ernüchtert angesichts der leblos-tristen und kalten Landschaft, die einem hier vorgesetzt wird. Der ganze Zauber ist weg. Und diese trostlos kahle Gegend, schneebedeckt und mit baumartigen Gebilden, die –  Ruinen gleich –  in die Höhe ragen,  muss dann im I. und III. Akt als Vorbereich der Wasserwelt der Nixen ebenso herhalten wie auch als verwunschener Wald, in dem sich Waldgeister herumtreiben,  und schließlich als Begegnungszone, in der die Menschen- mit durchwegs fatalen Folgen –  auf diese fremden Geschöpfe treffen. Und das alles nur, weil Rusalka nach ihrer Rückkehr über schreckliche Kälte klagt, damit aber eindeutig nur die schreckliche Einsamkeit meint, in der sie fortan zu leben verurteilt ist, denn im selben Atemzug erinnert sich wehmütig der fröhlichen Stunden im Kreise ihrer Schwestern sowie der rauschenden Sommertage, die sie in den Blättern der Lotosblume verbracht hat!

Zum Glück aber ist die musikalische Gestaltung dieses Opernabends vorbildhaft und lässt hinsichtlich hörbarer Farbenpracht in nuancierter Fülle kaum Wünsche offen. Zu nennen ist zuallererst Jongmin Park als imposant singender Wasserman. Ein souveräner Herrscher der Wasserwelt, der besorgt ist über den Weg, den die zarte Rusalka gegen seinen eindringlichen Rat zu gehen gewillt ist, und voll von aufrichtigem Mitleid erfüllt, als sie bei ihrem sehnlichem Verlangen nach Liebe zu einem Menschen scheitert und schließlich – als Aus- und Verstoßene – fortan ein elendes Leben führen muss. Sein mahnender, bestimmter und zugleich auch zu sanften, versöhnlichen und einfühlsamen Tönen fähiger Bass erweist sich als stärkste Leistung und erhält schließlich auch den stärksten Applaus.

Sein Schützling, die unglückliche Rusalka, die sich voll guter Hoffnung in die Gesellschaft der Menschen begibt und schwer enttäuscht zurückkehrt, wird von Camilla Nylund nicht minder ergreifend gesungen. Schon vor zehn Jahren debütierte sie in dieser Titelpartie bei den Salzburger Festspielen und hat diese Rolle inzwischen in den verschiedensten Produktionen weltweit dargestellt. Wie es ihr dabei am Royal Opera House London unter der Regie von Jossi Wieler and Sergio Morabito erging, kann im Internet nachgelesen werden.  So abenteuerlich geht es diesmal nicht zu, aber ihre sorgsame Fesselung des Traumprinzen im letzten Akt muss man gesehen haben (oder auch nicht). Gesanglich ist sie eine Klasse für sich und kann sich gegenüber ihrer Leistung als Einspringerin bei der Premiere 2016 in puncto Anmut und Strahlkraft nochmals steigern.

Nadia Krasteva als Die fremde Fürstin spielt ihrer Vorzüge gegenüber der vom Prinzen alsbald als „kalt“ empfundenen Braut geschickt aus und vertreibt ihre Rivalin noch vor der Hochzeit von seiner Seite. Ihr kraftvoll timbrierter, Sinnlichkeit verströmender Mezzosopran eignet sich vorzüglich zum Ausdruck von Leidenschaftlichkeit und unbändiger Lebensenergie. In dieser Dreiecksgeschichte der Mittepunkt ist Brandon Jovanovich als wankelmütiger Prinz. Nach seinem Erfolg als Enée in Troyens kann er auch in dieser Partie, die in der höheren Stimmlage eine ziemliche Herausforderung darstellt, mit seinem angenehm samtig-aufgeraut klingendenen Tenor reüssieren und Sympathien auf sich ziehen. Anzumerken ist, dass der II. Akt dieser Inszenierung, der im Palast des Prinzen spielt, der weitaus gelungenste ist. Besonders der Auftritt des Wassermanns, der da in die Hochzeitsvorbereitungen hereinplatzt, verfehlt seine erschütternde Wirkung nicht. Die Partie der – in dieser Inszenierung besonders fies noch dazu als Mörderin präsentierten – Hexe Jezibaba ist Monika Bohinec anvertraut. Sie punktet bei ihren schaurigen Auftritten mit dunkel schattiertem Gesang und energischen Ausbrüchen von Spott und Hohn.

Wunderbar ausgewogen ist das als hochromantischer Nachhall der Rheintöchter daherkommende Terzett der Waldelfen. Warum aber Maria Nazarova, Szilvia Vöros und Magareta Plummer ihre anmutigen Weisen mit marionettenhaft wirkenden, abrupten Armbewegungen zu singen haben und schließlich sogar zu Menschenfresserinnen mutieren und an dem von Jezibaba erstochenen Küchenjungen knabbern müssen, erschließt sich einem beim besten Willen nicht. Gabriel Bermudez und die köstlich agierende und singende Stephanie Houtzel steuern als Heger bzw. Küchenjunge gekonnt die – hier freilich empfindlich getrübten – komödiantischen Momente der Aufführung bei. Wolfgang Derntl tritt als Jäger kurz in Erscheinung.

Wenn Sängerinnen und Sänger ihrer Gesamtheit so gute, ja außerordentlich gute Leistungen erbringen, kann auch die Leistung des Dirigenten nicht so mangelhaft sein wie hier und dort behauptet. Eivind Gullberg Jensen macht seine Sache gut und sorgt dafür, dass aus dem Orchestergraben jene märchenhaften Zauberlänge emporsteigen, die die Inszenierung so sehr vermissen lässt. Es gelingen ihm auch die dramatischen Zuspitzungen. So gibt es reichlichen Beifall als Lohn für einen erfreulichen Opernabend.

Manfred A. Schmid – OnlineMERKER

 

 

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