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WIEN/ Staatsoper: RIGOLETTO – Premiere mit Hindernissen

20.12.2014 | Allgemein, Oper

WIENER STAATSOPER, 20.12.2014 – PREMIERE „RIGOLETTO“ – mit Hindernissen

(Heinrich Schramm-Schiessl)

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Piotr Beczala mit gewöhnungsbedürftiger Haarpracht. Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn

 Bevor ich meine eigentliche Kritik beginne, einige Worte zu den aktuellen Ereignissen des heutigen Abends: Nach einer durchaus achtbar gesungenen Arie im 2. Akt – näheres dann weiter unten – verlor der Sänger der Titelrolle Simon Keenlyside plötzlich komplett seine Stimme, konnte weder das „No vecchio t’inganni“ noch seine Solostrophe der „Vendetta“ singen, sondern ging ab und ließ die Sängerin der Gilda allein auf der Bühne zurück, die dann ihre Solostrophe sang, danach kehrte er wieder und markierte mit ihr das Duett zu Ende. Obwohl jedem, der Ohren am Kopf hat, klar war, daß hier eine schwere Indisposition vorlag, konnten es sich einige besondere Geisteskinder auf der Galerie nicht verkneifen, zu buhen. Das Spiel wiederholte sich dann vor dem 3. Akt, als Direktor Meyer vor den Vorhang trat und verkündete, daß im 3. Akt Paolo Rumetz, der schon bei der Generalprobe eingesprungen war, weitersingen werde. Die Buhrufe wurden allerdings von der Mehrheit des Publikums mit freundlichem Applaus gekontert.

 Überhaupt hat es so ein Operndirektor schwer. Ein Teil des Publikums verlangt einen innovativen Premierenplan, d.h. eine ständige Erweiterung des Repertoires und stößt sich daran, wenn dort befindliche Werke immer wieder neuinszeniert werden. Der andere Teil des Publikums wiederum beschwert sich darüber, dass die Inszenierungen vieler Opern „verstaubt“ und „altmodisch“ sind und ist der Meinung, dass auch sogenannte Kernstücke des Repertoieres immer wieder neu zu Diskussion gestellt werden sollten. Passiert das dann, wie z.B. – um beim Komponisten zu bleiben – bei „La Traviatra“, so beklagt man dann die Seelenloskeit und die Fadesse der neuen Inszenierung. Als nun bei der Spielplanpressekonferenz für diese Saison verkündet wurde, dass wir einen neuen „Rigoletto“ bekommen, wurde das von vielen Seiten kritisiert, da wir doch ohnehin eine brauchbare Inszenierung hätten. Diese war allerdings trotz kulinarischer Ausstattung schon bei ihrer Premiere 1983 wegen der nichtvorhandenen Personenregie umstritten. Dazu kam damals noch die Problematik, dass sich der damalige Dirigent Riccardo Muti, wie bei ihm üblich, sämtlich Accuti verbat, was am Premierenabend nach dem Duett Gilda-Herzog im 2. Bild zum Zwischenruf „Muti buh“ führte. Vielleicht wäre es schon damals gescheiter gewesen, man hätte diese Oper weiter in der Ausstattung der Premiere von 1958 von Nicola Benois gespielt, dann hätte diese Produktion vielleicht ähnlichen Kultstatus erreicht wie die ebenfalls von Benois ausgestattete „Tosca“.

Der Kern des Problemes ist aber, dass in einem Repertoirehaus, wie es die Wr. Staatsoper nun einmal ist, sogenannte Standardwerke des Repertoires, die über Jahre und mit wechselnden Sängerbesetzungen gespielt werden, keine „modischen“ Inszenierungen vertragen, weil die nach kurzer Zeit meistens abgestandener wirken als zeitlose.

 Womit wir bei der Neuinszenierung durch Pierre Audi wären. Er schuf im Grunde genommen eine konventionelle Inszenierung, will heißen, das Werk spielte weder im Zirkus, noch im Mafia- oder Filmmillieu, noch liefen Affen auf der Bühne herum oder mußte Gilda wie ein Wetterfrosch in ein Gurkenglas steigen – das ist alles schon dagewesen. Den an sich schönen Kostümen von Christof Hetzer nach zu schließe,n findet das Stück tatsächlich in der vom Librettisten vorgegebenen Zeit statt, allerdings ist nicht wirklich klar, wo. Die wirklich trostlosen Bühnenbilder – ebenfalls von Christof Hetzer – sind das eigentliche Manko. Der Palast des Herzogs wird von einer großen Treppe und goldenen Wänden beherrscht und Gilda wohnt in einer Art Förderkorb, wie sie Fensterputzer bei Glashochäusern benutzen. Die Behausung des Sparafucile im 3. Akt – dieser Umbau macht übrigens die zweite, eigentlich überflüssige, Pause notwendig – erinnert an Kugelmugel (für Nichtwiener: Ein gewisser Herr Edwin Lipburger baute 1971 in einem Dorf in Niederösterreich ein Kugelhaus gebaut und rief die “autonome Republik Kugelmugel” aus, was die österreichischen Behörden jahrelang auf Trab hielt). Dazu kam, dass auch die Personenführung eher bescheiden war und einige Einfälle – warum z.B. muß Rigoletto seinen Dienst mit nacktem Operkörper versehen – waren nicht wirklich nachvollziehbar. Letztlich wird man aber mnit dieser Inszenierung zu leben lernen, für wechselnde Besetzungen ist sie jedenfalls geeignet.

Leider war die Vorstellung auch musikalisch nicht wirklich befriedigend. Der Dirigent Myung-Whun Chung war zwar sicher besser, als es Franz Welser-Möst je gewesen wäre, aber er hatte letztlich die gleichen Probleme, die alle Dirigenten, die vom Konzert kommen und nicht das Opernhandwerk von Anfang an gelernt haben, mit den Werken der mittleren Schaffensperiode Verdis haben, nämlich, dass trotz schöner Ausformung vieler Passagen der Klang nicht federt. Dazu kam noch, dass seine Lautstärkenwahl nicht immer ganz nachvollziehbar war. Zwar fing das Orchester, das das Werk ja im kleinen Finger hat, vieles auf, aber für eine Premiere blieben doch einige Wünsche offen.

 Bei der Beurteilung der Sänger tue ich mich beim Interpreten der Titelrolle, Simon Keenlyside, angesichts der anfänglich geschilderten Ereignisse schwer. Aber da er zu Beginn nicht angesagt wurde – aus mir nicht verständlichen Gründen wollen das viele Sänger bei Premieren nicht – ist eine nähere Betrachtung seiner Leistung bis zum Ausstieg erlaubt. Es kam eigentlich so, wie ich es in Erinnerung seines Macbeth befürchtet habe. Mit den dramatischen Verdi-Rollen hat er seine Probleme. Einerseits ist die Stimme etwas zu hell und andererseits fehlt in den dramatischen Stellen die Durchschlagskraft. So sang er zwar wunderschöne Bögen im Duett mit Gilda im 1. Akt und im zweiten Teil der großen Arie, aber deren Anfang und auch das “Pari siamo” blieben unbefriedigend. Darstellerisch war er durchaus überzeugend, auch wenn er manchmal eher an den Wozzeck erinnerte. Im 3. Akt sang dann Paolo Rumetz und bot angesichts der Umstände eine solide Leistung. Nicht wenige meinten danach, rein von der Stimmfarbe her, wäre er die bessere Besetzung gewesen. Gilda wurde von der Hausdebutantin Erin Morley gesungen – und auch sie hinterließ einen zwiespältigen Eindruck. Die Stimme hat zwar kein besonderes Timbre, auch sang sie eigentlich alles richtig, aber sie berührte überhaupt nicht. Erst im 3. Akt konnte sie sich auch in dieser Hinsicht etwas steigern. Auch Pjotr Beczala als Herzog war nicht ohne Probleme. Zwar setzte er alle Vorzüge seiner Stimme gekonnt ein, aber es war nicht immer Verdi, was er sang, denn da schlichen sich manche veristischen Töne ein. Der Herzog verzeiht nämlich, genauso wie der Riccardo im”Ballo”, kein Drüberschwindeln über heikle Passagen. Darstellerisch war er routiniert, ohne besondere Akzente zu setzen. Seine, von manchen in den Pausen heftig kritisierten, langen Haare störten mich weniger. Elena Maximowa blieb als Maddalena ziemlich blass, auch fehlte es ihr an manchen Stellen an Tiefe. Ryan Speedo Green sang den Sparafucile zwar mit ansehnlicher Stimme, die jedoch stellenweise sehr rauh klang. Darstellerisch blieb auch er eher unauffällig. Der Held der letzen Wochen, Sorin Coliban, konnte mich zumindest an diesem Abend als Monterone nicht begeistern. Auch er klang stellenweise sehr rauh und unausgeglichen. Die übrigen Rollen waren mit Donna Ellen (Giovanna), Mihail Dogotari (Marullo), James Kryshak (Borsa), Marcus Pelz und Lydia Rathkolb (Graf und Gräfin Ceprano) sowie Hila Fahima (Page) ordentlich besetzt.

 Zum Schluß sei noch der Chor – pardon, die Damen und Herren des Chores – (Einstudierung: Martin Schebesta) lobend erwähnt.

 Am Ende gab es viel Jubel für Beczala, etwas abgestuft auch noch Jubel für Morley und den Einspringer Rumetz – Keenlyside kam nicht mehr auf die Bühne. Für den Dirigenten gab es vereinzelte, für das Regieteam massive Buhs.

 Heinrich Schramm-Schiessl

 

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