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WIEN/Staatsoper Richard Wagner SIEGFRIED

Des Waldes wonniges Weben

17.01.2019 | KRITIKEN, Oper

 

Kammersängerehren auf offener Bühne empfangen: Tomas KONIECZNY im Siegfried des ersten Aufzuges Foto M.Pöhn


WIEN / Staatsoper

Richard Wagner  „SIEGFRIED“  
16.Jänner 2019
24.Aufführung in dieser Inszenierung

 
Des Waldes wonniges Weben

 

Es ist wohl nicht übertrieben zu konstatieren, dass das Wiener Publikum Axel Kober endgültig als Interpreten des Wagner’schen Monumentalwerks akzeptiert hat, wenn es ihn nach einem eher verhalten aufgenommenen Vorabend nun beim „Siegfried“ bereits mit einem kräftigen Auftrittsapplaus in Empfang nimmt und ihn sowie das Orchester der Wiener Staatsoper vor den beiden folgenden Aufzügen heftig akklamiert.

Und dies wohl zu Recht. Denn Kober entwickelt – wie bereits mehrfach erwähnt, ohne Orchesterprobe – eine (abgesehen von gleich zwei in den Holzbläsern recht unsanften Akkorden zur Erweckung Brünnhildes) pannenfreie, stringente, an dramatischen Akzenten reiche sowie dennoch im richtigen Moment lyrisch-romantische Deutung der Partitur und zeigt da und dort sogar Mut zum dynamischen und agogischen Risiko. Insbesondere die hervorragend disponierten Streicher bringen sich nuancenreich ein – zum Monolog Siegfrieds im 2. Aufzug mit dem obligatorischen Waldesweben setzen sie einen tief bewegenden Höhepunkt. Kritisch anzumerken wird nur sein, dass der kraftvolle Zugriff des deutschen Dirigenten nicht immer ausreichend Rücksicht auf die Sänger nimmt.

Im ersten und am Beginn des zweiten Aufzugs mochte diesmal auch Stephen Gould zu den Betroffenen zählen, gleichwohl schien er erstaunlicherweise, je länger der Abend währte, seine stimmlichen Mittel, die man von ihm als einem der nach wie vor besten Darsteller der Titelpartie ja gewohnt ist, immer besser und noch freier zum Einsatz zu bringen. Der Rezensent schätzt den amerikanischen Heldentenor aufgrund seiner dunkel timbrierten Mittellage ja besonders in den nachdenklicheren Passagen, die es in der Rolle auch gibt, doch ist er natürlich auch als jugendlich-naiver Kraftprotz glaubwürdig und sympathisch. Liebevoll kostet er das Schnitzen der Rohrpfeife und den vergeblichen Kontaktversuch mit dem Waldvogel bis ins kleinste Detail aus.

Außergewöhnlich dicht gelang auch die Auseinandersetzung mit dem Wanderer, der ja in Wirklichkeit Siegfrieds Großvater ist, der von Thomas Koniecny kraftvoll und vital verkörpert wurde (der vom Ende der Götterwelt und der Suche nach Erkenntnissen Getriebene ist er nicht). Ihm liegt der Wanderer, letztlich ja der Göttervater, der sich aber „auf die Ebene der Menschen“ begibt, besser als die beiden „metaphysischen“ Wotan-Figuren aus „Rheingold“ und „Walküre“, weil diesem das göttliche Pathos, das man bei jenen Gestalten in seiner Deutung vermissen mag, weniger abgeht. Textlich musste er im ersten Aufzug manche Lücke phonetisch „interpolieren“, was von den Textanzeigen am Display natürlich unbarmherzig aufgedeckt wird – darstellerisch kann er auch im Gespräch mit Alberich sowie im Ringen mit Erda Spannung aufbauen.

Als vermeintlich das Geschehen vorantreibender und dabei eigentlich sich in den eigenen Schlingen verfangender Zwerg Mime spielte Herwig Pecoraro sein ganzes körpersprachliches und artikulatorisches Spektrum aus, um gleichzeitig Verschlagenheit, Bosheit und Lächerlichkeit auszudrücken. Gesanglich kämpft er in den tieferen Passagen (und somit teilweise im ersten Aufzug) gelegentlich gegen die Wogen aus dem Graben, während er nach wie vor über eine klangvolle Höhe verfügt, die er vor allem im zweiten Aufzug einsetzen kann. Als sein Bruder Alberich stand ihm Jochen Schmeckenbecher zur Seite bzw. feindselig gegenüber; der düsteren Figur des Liebelosen verleiht er durchaus scharfe Konturen, mit seinen vokalen Mitteln stößt er dennoch immer wieder an seine Grenzen, und auch die Intonation ist nicht immer ganz sauber.

Den Hort, dem beide Nibelungen nachjagen, bewachte diesmal Sorin Coliban, dem man eine klare Diktion und einwandfreie Phrasierung zu Gute halten wird, über echte „Schwärze“ und damit eine klingende Tiefe verfügt er überhaupt nicht, weshalb seinem Fafner auch keine Düsternis eignete. Nachdem er unter Siegfrieds Schwertstreich gefallen war, wies Maria Nazarova, die mit warmem Sopran als Waldvogel debütierte und sich mühelos in die vokalen Höhen emporschwang, dem siegreichen Helden den Weg zu seinem weiteren Glück.

Als dieses wartete Iréne Theorin in Gestalt Brünnhildes auf den furchtlosen Drachentöter. Wie bereits in ihrer „Walküre“ zu erwarten war, konnte sie diesmal von ihrer kräftigen Höhe profitieren (z.B. „Kein Gott nahte mir je“). Ihr Bestreben, größere und geeignete Passagen (z.B. „Ewig war ich“) im Piano zu nehmen, wurde allerdings immer wieder durch ein kräftiges Vibrato unterwandert, das auch in der Mittellage bzw. darunter von ihrer Stimme Besitz ergriff und auch ihre Intonation beeinträchtigte – vermutlich die Ursache dafür, dass sie neben einiger Zustimmung auch Buhs einstecken musste. Darstellerisch ist ihre der Gottheit entblößte und schutzlose Brünnhilde eine zutiefst verunsicherte und geängstigte Frau, die von der Macht der Liebe zu überzeugen dem zunächst sichtlich überforderten „wonnigen Knaben“ einiges abverlangt – hier konnten die beiden Protagonisten durch bestens harmonisierenden Spiel berühren.

Kurzfristig aus wissendem Schlaf erweckt worden und dann wieder dahin zurück gesunken ist Monika Bohinec als samtig strömende, klarstens artikulierende Erda. Auch wenn es nur eine Nebensächlichkeit sein mag, so ist auch ihre Geschicklichkeit zu erwähnen, mit der sie in dem an allen Enden überlangen Kostüm auf dem schmalen Streifen vor dem Vorhang den Schlussapplaus meistert, der für alle Mitwirkenden (von der erwähnten Ausnahme abgesehen) überaus freundlich ausfiel, am kräftigsten für Konieczny, Gould und das Orchester.

Von Valentino Hribernig-Körber

 

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