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WIEN/Staatsoper: Richard Strauss CAPRICCIO

Die Oper ist ein absurdes aber wundersames Ding! 

28.05.2018 | KRITIKEN, Oper

Schlussbild aus der Premierenserie (mit Fleming) M.Pöhn-Wr.Staatsoper

WIEN/Staatsoper
Richard Strauss    CAPRICCIO

18.Aufführung in der Inszenierung von Marco Arturo Marelli
am 27.Mai 2018       Von Manfred A. Schmid

 

Die Oper ist ein absurdes aber wundersames Ding! 

Das lange unterschätzte Alterswerk des Meisters aus Garmisch ist seit einigen Jahren auf den Spielplänen von Opernhäusern in aller Welt wiederzufinden. So gab es Neuproduktionen u.a. in Lyon, Meiningen, Brüssel, Frankfurt und Santa Fe. Nicht zu vergessen Wien, wo das Werk 2016 im Theater an der Wien eine viel beachtete Premiere erlebt hatte. Die Wiener Staatsoper hat Capriccio, in Regie und Ausstattung von Marco Arturo Marelli, schon 2008 herausgebracht. Nun war die 18. Aufführung dieser Produktion im Haus am Ring zu bewundern. Eine Inszenierung, deren Rokoko-Elegance offensichtlich nichts an Strahlkraft eingebüßt hat. 

Richard Strauss verstand sein letztes Bühnenwerk durchaus als eine Art musikalisches „Testament“. Capriccio ist in der Tat eine leidenschaftliche Liebeserklärung an das Genre Oper, dem er einen Großteil seiner Schaffenskraft gewidmet hat. Mit viel Witz, Augenzwinkern und tiefer Einsicht geht es darin um die Zusammenarbeit von Komponist und Textdichter, um das Verhältnis von Wort und Ton sowie um die praktische Umsetzung auf der Bühne. Strauss, der mit Hugo von Hofmannsthal und Stefan Zweig kongeniale Librettisten zur Hand hatte, musste sich in seinen letzten Jahren notgedrungen mit weniger kompetenten Autoren begnügen. Kein Wunder also, dass Capriccio voll von Anspielungen an jene frühere Hochzeit seines Opernschaffens ist. Schließlich geht es in dieser Oper darum, eine Oper zu schreiben, die nichts weniger als die Herausforderungen und Probleme, eine Oper zu schreiben, zum Thema hat. Was in der Ariadne schon angerissen ist, wird hier – der Dirigent Clemens Krauss hat als Mitarbeiter am Text gute Arbeit geleistet – noch weiter zugespitzt. 

Kompositorisch zeigt sich Strauss, vergleichbar mit Verdi in seinem Falstaff, auf dem Gipfel seiner Meisterschaft. Wie er Kammermusik (Septett der Einleitung), Sprechpassagen (Sonett), orchestrale Musik, gesangssolistische Elemente, Ensemblestücke (Oktett) und Tanzeinlagen zu einem Ganzen formt, ist einzigartig. Dazu kommt der von ihm kreierte Parlando-Ton, der, im Intermezzo erstmals angewendet, hier ganz souverän den Ablauf bestimmt. Ganz große Strauss-Oper ist schließlich das ausgedehnte Finale, in dem sich die Gräfin ihre heimliche Verliebtheit sowohl in den Komponisten als auch in den Dichter vom Herzen singt und sich dabei nicht entscheiden kann, für wen sie sich endlich entscheiden soll. Camilla Nylund, die das Geschehen auf der Bühne von Anfang an mit stimmlicher und darstellerischer Präsenz beherrscht, findet hier zur berührenden Gestaltung einer Frau, die sich mit ihrer Leidenschaft für die Oper in einem unlösbaren Dilemma befindet.  

Markus Eiche gibt den Bruder der Gräfin und ist zugleich ein der Oberflächlichkeit zugetaner Bruder Leichtfuß. Dass er dabei nicht gerade sehr gräflich wirkt, ist wohl Teil seiner Interpretation und die Ernsthaftigkeit und die Begeisterung, mit der seine Schwester der Kunst gegenübertritt, umso stärker hervortreten. 

Der Dichter des WORTES Adrian Eröd (M.Pöhn-Wr.Staatsoper)

Der Autor der MUSICA Michael Schade (M.Pöhn-Wr.Staatsoper)

Adrian Eröd und Michael Schade sind die beiden Künstler, die als Dichter und Komponist zusammenarbeiten und zugleich Rivalen im Buhlen um die Gunst der Gräfin sind. Ein ideales Gespann, bei dem jeder eifersüchtig sein künstlerisches Revier markiert und absteckt. Schade, der schon bei der Premierenbesetzung dabei war, kann freilich nicht verleugnen, dass die seit damals verstrichenen zehn Jahre nicht spurlos an seiner Tenorstimme vorübergegangen sind. 

Als pragmatischer Theaterdirektor tritt Wolfgang Bankl polternd und rechthaberisch auf, weiß aber auch mit einem überzeugenden Plädoyer für seine Tätigkeit als erfahrener Impresario Respekt zu erheischen.  

Die Partie der Clairon, in die sich der Graf verliebt, ist der bewährten Angelika Kirchschlager anvertraut. Ihr Mezzo tendiert allerdings manchmal hin zu einer Art Sprechgesang. Ob sie damit den Beruf Clairons – sie ist Schauspielerin – unterstreichen will? 

Komödiantisch überzeugen können Daniela Fally und Pavel Kolgatin als italienisches Sängerduo und Peter Jelosits als Monsieur Taupe. Ein stimmlicher und inszenatorischer Genuss ist auch der köstlich hinterhältige Auftritt der Acht Diener. Die Choreographie (Lukas Gaudernak) der Balletteinlage, ausgeführt von Natalie Salazar und Samuel Colombét) vermag hingegen weit weniger zu überzeugen. 

Dass das Staatsopernorchester mit der Musik von Richard Strauss bestens vertraut ist, davon konnte man sich in dieser nun allmählich zu Ende gehenden Saison schon mehrmals überzeugen. Nicht ohne Grund war im Frühjahr einen viel beachteten programmatischen Strauss-Schwerpunkt angesagt. Michael Boder gelang es souverän, die vielfältigen musikalischen Elemente der Oper zu einem großen Bogen zu gestalten. Dass die Mondscheinmusik diesmal von einigen Patzern im Horn gekennzeichnet war, kann passieren und erinnerte an den Patzer des Liverpooler Tormanns beim Campionsleague-Finale. 

Eine Oper ist ein absurdes Ding“, heißt es an einer Stelle. Mag schon sein. In der Regel aber ist sie doch viel mehr ein überaus wundersames Ding. Die Aufführung an der Staatsoper liefert dafür den Beweis. 

Manfred A. Schmid – OnlineMERKER

 

 

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