WIENER STAATSOPER: 29.11.: „PETER GRIMES“
Benjamin Brittens 100. Geburtstag wiegt offenbar nicht so schwer wie die zwei 200er. Freuen wir uns, dass die Staatsoper immerhin eine – und zwar überwiegend gute – Inszenierung von Christine Mielitz mit Bühnenbildern und Kostümen von Gottfried Pilz wieder ausgegraben hat.
„Peter Grimes“ ist eine von 5 Britten-Opern, deren Titel aus Vor- und Familiennamen besteht. Wie bei fast allen ist der Titelheld kein Held, sondern ein kleiner Mann im Kampf mit widrigen Umständen, d.h. mit der Natur als Umgebung und Lebensraum sowie der kleinstädtischen Bevölkerung. Brittens persönliche Umgebung war ja ähnlich. Und auch in der Partitur siegt für mich als erstes das Orchester und sein Dirigent Graeme Jenkins bei den weit ausgebreiteten Sea Interludes in einer selbständigen, interessanten, gewaltigen und schönen Musiksprache, ex aequo der Chor (Leitung Thomas Lang).
Dann kommt natürlich der Titel-(held?) Herbert Lippert, der auch unter den widrigen Umständen seinen klaren, kraftvollen Tenor souverän einsetzt und auch mit seinem Gehaben durchaus als englischer Fischer durchgehen kann. Die Damen stechen durch ihre hellen Stimmen aus der Masse hervor: Gun-Brit Barkmin als mitfühlende, schönstimmige Ellen Orford, Monika Bohinec als Auntie, und nicht zuletzt Simina Ivan und Hyuna Ko als die beiden Nichten im Minirock und Donna Ellen als Mrs. Sedley. Als schottischer Import ist Iain Paterson als Gegenspieler Balstrode mit prächtigem Bariton sehr überzeugend als Verteidiger des Geächteten. Ebenso Norbert Ernst als Bob Boles, Wolfgang Bankl als Swallow, Carlos Osuna als würdiger Reverend Adams (sehr schön die Kirchenchorszene). Gabriel Bermúdez war Ned Keene und Andreas Hörl hatte sein Rollendebur als Hobson-Einspringer wegen Erkrankung von Janusz Monarcha. Erst die 36. Aufführung! Das Stück verdient noch viele weitere:
P.S. Das war für mich ein würdiger Abschluss des Tages, an dem wir uns von Christopher Norton-Welsh verabschiedet hatten. Er war rezensierender Kollege bei Opera News und wir hatten uns zuletzt bei der Eötvös-Oper getroffen. Ich lernte ihn vor 40 Jahren als Tenorsolisten (später wurde er als Bariton ein gefragter Liedsänger) in der Karmelitenkirche kennen und er machte mich auf Britten und seine Lieder aufmerksam.
Hans Peter Nowak