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WIEN/ Staatsoper: PARSIFAL – 2. Vorstellung der Serie

22.04.2014 | KRITIKEN, Oper

Wiener Staatsoper, Parsifal – 21. April 2014

Meistens ist es gut eine zweite Meinung einzuholen. Und manchmal ist es auch gut sich mehrere Aufführungen einer Staatsopern-Repertoire-Serie anzusehen, etwa auch beim letzten Parsifal. Denn bei der Gründonnerstags-Aufführung von Richard Wagners Bühnenweihfestpiel stand der musikalische Leiter Franz Welser-Möst vielerorts unter Kritik, so auch an dieser Stelle, als man dem Wiener Staatsopernorchester gerade einmal einräumte einen langen Repertoireabend „respektabel absolviert“ zu haben. Lediglich der eine oder andere „Haus- und Hofberichterstatter“ der Tagespresse lobte die musikalische Leitung über den grünen Klee – aber das ist eine andere Geschichte!

Doch wie ausgewechselt zeigte sich der gesamte Orchestergraben am Ostermontag. Mit genügend Muße zum Pathos, dennoch stets den großen Bogen findend, legte der Generalmusikdirektor des Hauses diesen Abend an. Kein einziger Kickser des Blechs trübte den Klang, vom zarten piano bis zum extensiven fff bekam man die ganze geheimnisvolle Schönheit der Partitur präsentiert.

Wenn dann noch Sänger wie Waltraud Meier, Johan Botha, Peter Rose und Matthias Goerne als Solisten auf der Bühne stehen, dann ist das Glück ein beinahe vollkommenes. „Abgeräumt“ hat natürlich in erster Linie Waltraud Meier als Kundry. Die immerhin schon 58jährige Wagnerspezialistin, welche diese Partie 1987 zum ersten Mal und jetzt zum 27. Mal an der Wiener Staatsoper sang, ist immer noch bestens bei Stimme, wenngleich auch mit ein paar Schärfen. Aber Schöngesang ist bei einer Kundry ohnedies nie gefragt. Was Meier aber an Bühnenpräsenz und Ausdruckskraft (erotische Verführungskünste inkludiert) mitbringt, das sucht seinesgleichen. Gänsehaut, wenn sie beim Ausbruch „Ich sah ihn … und lachte“ den Riesensprung vom hohen H bis zum tiefen Cis bravourös hinlegt. Einen bemerkenswerten Satz von ihr fand ich übrigens in einem Zeitungsinterview im Vorfeld, nämlich den, dass sie seit der Regie von Götz Friedrich 1982 in Bayreuth noch keine kluge Umsetzung des Parsifal erlebt hatte. Aber auch das steht auf einem anderen Blatt Papier.

Nicht weniger anerkennenswert die Entwicklung von Johan Botha zu einem auch darstellerisch überzeugenden Parsifal. Die Stimme des in Wien lebenden Südafrikaners entwickelte sich erstaunlich weiter und brilliert nun auch in den tieferen Lagen. Dass die Rolle des Gurnemanz eine sehr, sehr anspruchsvolle, aber auch eine sehr dankbare ist, merkte man bei Peter Rose: Jedes Wort war zu verstehen, ein wunderschönes helles Timbre, lässt man den dritten Akt und seine Begegnung mit Kundry nochmals Revue passieren, dann kommen noch beim Schreiben dieser Zeilen die Tränen.

Endlich konnte mich auch Matthias Goerne an der Wiener Staatsoper voll überzeugen. Der Amfortas war scheinbar maßgeschneidert für ihn (wenngleich ursprünglich für Thomas Quasthoff konzipiert), die Unterschiedlichkeit der Stimmfärbungen von ihm und Rose passten ideal zu den beiden Rollen. Seine Stimme klingt etwas abgedunkelt, manchmal rau und auch ein wenig kehlig, aber wenn er voll aufdreht, wie etwa bei seinen „Erbarmen“-Rufen, dann stimmt einfach alles.

Seinen ersten Wiener Klingsor sang das frühere Ensemblemitglied an diesem Haus Boaz Daniel und der Bariton ist auf dem richtigen Weg. Natürlich wirkte er noch nicht ganz so bedrohlich wie eigentlich notwendig und auch die Tatsache, dass er seine erste Szene aus der „Tiefe des Raumes“ heraus singen musste, schien nicht so ideal, an der Rampe war er dann aber gut zu hören. Insgesamt verkaufte er sich recht ordentlich. Ähnliches gilt auch für den Titurel von Andreas Hörl, während die beiden Blumenmädchen-Gruppen (Regine Hangler, Lydia Rathkolb, Stephanie Houtzeel, Hila Fahima, Caroline Wenborne und Ulrike Helzel) darunter litten, dass ihre Stimmen in den Färbungen nicht ideal harmonierten. Aber darauf kann offenbar ein Repertoire-Haus mit relativ unflexiblen Dienstplänen keine Rücksicht nehmen. Positiv: Die Wackler aus der ersten Aufführung wurden hörbar intensiv geprobt.

Wesentlich zufriedener konnte man mit den restlichen kleinen Partien sein, die vier Knappen waren Stephanie Houtzeel, Hyuna Ko, Sebastian Kohlhepp und Peter Jelosits anvertraut, Benedikt Kobel und Janusz Monarcha sangen einmal mehr die beiden Gralsritter. Der Wiener Staatsopernchor (Thomas Lang) zeigte sich (man ist schon versucht zu sagen: wie meist) von seiner besten Seite, ein Extralob gibt es diesmal für den Kinderchor, der aus dem Untergrund heraus lupenrein intonierte. Von ganz oben kam die Samtstimme von Monika Bohinec.

Noch ein Wort zur Inszenierung von Christine Mielitz aus dem Jahr 2004: Für mich wird paradoxerweise das Konzept von Mal zu Mal unschlüssiger, auch wenn viele Details neu zu entdecken sind. Aber wie die psychiatrische Klinik, das Kindesopfer, das Niederspritzen der Kundry etc. zur Schlussapotheose mit den Grubenarbeitern passen, das wird immer unverständlicher. Umso interessanter ist aber die Tatsache, dass dies alles im Repertoirebetrieb eigentlich recht gut funktioniert und auch intensive Bilder erzeugt, wie aus der sehr positiven Reaktion, des mit Touristen durchmischten Stammpublikums zu erkennen war. Acht Minuten heftiger Beifall.

Ernst Kopica

 

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