Wien/ Staatsoper: HOCHKARÄTIGE NORMA MIT NEUEM POLLIONE (21.Mai 2014)
Ein Mann zwischen zwei Frauen – die älteste Geschichte der Welt hat viele musiktheatralische Ausformungen hervorgebracht. Bellini‘s Norma ist geradezu der Klassiker. Und sehr oft ist Pollione der Schwachpunkt dieser Primadonnen-Oper. In der laufenden Serie – in der Edita Gruberova durch die ausgezeichnete Maria Pia Piscitelli ersetzt werden musste – war dies nicht anders. Nun wurde Massimo Giordani krank und durch einen Italo-Amerikaner namens John Osborn ersetzt, der bisher an der Wiener Staatsoper nur den Conte im Barbier gesungen hatte. Und mit dem neuen Pollione gewann die gesamte Aufführung an dramatischer Intensität. Unter der animierten, geradezu „schmissigen“ musikalischen Leitung des Ukrainers Andriy Yurkevych ereignete sich große Oper, die fehlenden Kulissen störten jedenfalls kaum. Und die italienische Sopranistin Piscitelli ist eine Norma in der Nähe von Aida, Lady Macbeth oder Forza-Leonore. Und das ist auch ihr aktuelles Fach. Abgesehen von einigen „Klirr-Tönen“ in der oberen Mittellage ist sie eine hinreißende Norma – verblühende Liebe, Eifersucht, Egoismus und Selbstüberwindung wechseln sich ab und der neue Pollione kann da mithalten, seinen tenoralen „Mann stellen“. Er liegt zwischen den Fächern, ist lyrisch und kann doch attackieren. Sein Duett mit Norma vor dem Finale wird jedenfalls zu einem der vielen Höhepunkte dieser Norma in Verdi-Nähe“.
Und die gleiche Gefühlsintensität kommt auch von Nadia Krasteva, die ihr Repertoire längst bis zu Eboli und Amneris ausgeweitet hat.. Die attraktive bulgarische Mezzo-Sopranistin, die für nächste Saison ihr Debut an der Met vorbereitet, legt die Adalgisa insgesamt sehr dramatisch an, verfügt aber über genug Agilität für die beiden großen Duette mit Norma. Die emotionalen Selbstzweifel der Norma-Konkurrentin gehen jedenfalls unter die Haut. Ausgezeichnet auch Dan Paul Dumitrescu als Oroveso und der Chor der Wiener Staatsoper (Leitung Thomas Lang). Simina Ivan ist eine einfühlsame Clotilde, Carlos Osuna ein schönstimmiger Flavio. Das Orchester der Wiener Staatsoper – mit deutlich steigendem Frauen-Anteil – war jedenfalls in „Geber-Laune“. Und die fehlende Säule des Irminsul ging niemandem ab – oder der Scheiterhaufen am Ende dieser wahrhaft „großen Oper“.
Peter Dusek