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WIEN / Staatsoper: NABUCCO

07.12.2018 | KRITIKEN, Oper


Luca Salsi (Alle Fotos: Pöhn / Wiener Staatsoper)

WIEN / Staatsoper:
NABUCCO von Giuseppe Verdi
76.
Aufführung in dieser Inszenierung
06.
Dezember 2018

Ausverkauft. So etwas von ausverkauft, Sitzplätze, Stehplätze. Dabei sang nicht einmal Domingo die Titelrolle. Als gäbe es ein tiefes Bedürfnis nach diesem frühen Verdi. Oder nur nach dem „Chor der Gefangenen“? Hundertprozentig nicht nach dieser Inszenierung, aber davon später.

Es gab das Hausdebut eines Baritons, auf den man schon aufmerksam wurde, als er bei der Scala-Eröffnung 2017 an der Seite der Netrebko in „Andrea Chenier“ sang. Nun erreichten uns eben erst lobende Kritiken für seinen Macbeth aus dem Teatro la Fenice. Und er ist für die nächsten Salzburger Festspiele als Simon Boccanegra angekündigt (und man hätte doch geschworen, dass diese Rolle bis zu seinem Lebensende PD gehört…). Kurz, erste Staatsopern-Begegnung mit Luca Salsi, der allerdings ein Opfer der Inszenierung wurde. Wenn man im blauen Berlusconi-Anzug über die Bühne wankt und eigentlich nichts zu spielen bekommt, kann man keinen packenden Nabucco gestalten, wenn man kein temperamentgeschütteltes Naturtalent ist. Singen, gewiß – ein schöner Bariton, anfangs etwas forciert eingesetzt, dann angenehm fließend, gutes Timbre. Das italienische Bariton-Fach ist weltweit nicht überbesetzt, man wird froh sein, dass man ihn hat. Dass man Zukunftserwartungen für außergewöhnliche Leistungen hegen könnte, so beeindruckend war das Debut noch nicht.

Aber immerhin noch weit überzeugender als das, was die an sich meist hoch gelobte Liudmyla Monastyrska (erstmals seit ihrer Aida in Wien) als Abigail hören ließ. Nun weiß man ja, dass sie es kann – man hat es (im Kino) an der Met erlebt, als sie die Rolle im Jänner 2017 an der Seite von Domingo sang. Und wie! Das war stimmlich und darstellerisch Power pur. Nichts davon diesmal in Wien – zu spielen gibt es ja in dieser Inszenierung nichts, und stimmlich hörte man nur Brüchtiges. Es war allerdings auch scheußliches Regenwetter, man kann von einer schlechten Abendverfassung ausgehen, nächstes Mal mag es schon viel besser sein.

Dafür reüssierte Schwester Fenena: Schon in „Les Troyens“ hat man aufgehorcht und bei Neuzugang Szilvia Vörös eine bemerkenswerter Stimme vernommen (und von ihr auch eine Traviata-Flora gesehen, die zu Recht auffiel). Sie bewies wieder, dass hier ein nicht nur schöner, sondern auch – wenn man sich nicht irrt – viel versprechender Mezzo unterwegs ist.

Lukhanyo Moyake, ein Schwarzafrikaner, gehört laut Programmzettel seit dieser Spielzeit dem Ensemble des Hauses an. Man hat ihn bisher noch nicht wahrgenommen, aber das ändert sich nach seinem schön und kraftvoll gesungenen Ismaele.


Szilvia Vörös, Ain Anger

Die Jungen sind an der Reihe, die „Alten“ liebt man sehr wie „unseren“ Ain Anger, endlich wieder einmal am Haus – und dann doch eine Enttäuschung: Der Hohepriester Zaccaria ist nämlich eine gewaltige Verdi’sche Baßrolle, da müsste es mächtig und „schwarz“ aus der Kehle fließen. Angers Stimme wirkt ausgetrocknet, stellenweise kraftlos. Aber auch dafür gibt es viele Erklärungen. Das Ende ist das sicher noch nicht, er ist doch für einen Baß im idealen Alter.

Und dann sind da noch die braven Nebenrollen (Olga Bezsmertna, eine unnötige Luxusbesetzung für die Anna, Ayk Martirossian als Oberpriester des Baal, Leonardo Navarro als Abdallo), die schon in richtigen Inszenierungen nicht auffallen, wie denn in dieser.

Ja, auch Ioan Holender hat uns ganz schön viel Inszenierungs-Schrott hinterlassen, und dieser „Nabucco“ von Günter Krämer gehört in vordester Reihe dazu. Dass es sich hierbei um „Nabucco“ handeln soll, ist eine reine, leere, den ganzen Abend lang unbewiesene Behauptung. Vor einer Rückenwand, die den Protagonisten nur einen schmalen Streifen Vorderbühne für die Aktionen belässt, stehen sie im undefinierten Raum (eigentlich im Theater-Nichts) herum und singen ins Publikum hinein. Bei „Va pensiero“ ist der Chor anfangs gar nicht sichtbar, dann gibt es ihn als Silhouette. Dass hier eine Handlung (und noch dazu eine gewaltig dramatische) stattfindet, ist unerkennbar. Inszenierungen wie diese ruinieren das Werk für Verdi, für das Publikum und auch für die Sänger, die sich nicht entfalten können. Ein eifriger Schweizer Opernfan, in aller Welt unterwegs, der neben mir saß (und für den Sitz in der 13. Reihe 210 Euro gezahlt hatte), erklärte mit bedauerndem Kopfschütteln, das sei wahrlich die schlechteste „Nabucco“-Inszenierung, die er in seinem ganzen Leben gesehen habe…

Dass man vollends nicht ins Verdi-Glück kam, lag auch an Dirigenten Paolo Carignani, ungeachtet seiner Erfahrung und seiner weltweiten Engagements. Der Abend holperte, war zu laut, zu gefühllos, und wo Verdi der Dramatik die Besinnlichkeit entgegensetzt, war’s geschleppt. Das passiert halt im Repertoire.

Renate Wagner

 

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