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WIEN Staatsoper: NABUCCO Ein Lob dem Veteranen

05.02.2017 | KRITIKEN, Oper
Der unverwüstliche Babylonierfürst LEO NUCCI

Der unverwüstliche Babylonierfürst LEO NUCCI

Wiener Staatsoper
Giuseppe Verdi  NABUCCO
4.Februar 2017

72.Aufführung in der Inszenierung von Günter Krämer

Ein Lob dem Veteranen

 

Veteranenauftritte haben grundsätzlich so etwas Familiäres an sich. Da lässt einer noch einmal sein Können aufblitzen, da schützt ihn der, gerade vom Wiener Stammpublikum gerne gewährte Bonus, der ihn, den Veteranen, nicht fürchten lassen muss, allzu streng angefasst zu werden. Und es hat nachgerade etwas Rührendes an sich, wenn da so ein Stück eigenerlebter Opernvergangenheit leibhaftig wieder auftaucht. Da werden alte Zeiten wach und von alten Stimmschlachten erzählt, als dieser oder jener Liebling bereits seine ersten Erfolge feierte, als man noch die Schulbank drückte oder, wie in meinem Fall, man die ersten Saisonen etwa bei den Veroneser Festspielen besuchte.

Damals, in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts, konnte man einen jungen Bariton bewundern, der u.A. in Verona zunächst als Mercutio, später als Parade-Rigoletto in der Nachfolge eines Protti, Bastianini oder Cappuccilli auftrat und auch in Wien schnell zum Publikumsliebling mutierte.

Gestern war er wieder in Wien zu sehen, Leo Nucci, als Nabucco, also in einer seiner großen Rollen. Und er zeigte, dass er im Herzen noch stark genug bleiben durfte, die Stimmbänder noch belastbar sind und er mit seinem Wissen und der Erfahrung und Routine eines gut ausgebildeten Sängers mit den naturgemäß nachlassenden Kräften hauszuhalten weiß. Dass auf ihn die damals noch als Berlusconi-Verschnitt angedachte Darstellung des Babylonierfürsten zugeschnitten war, merkt man noch an der Bewältigung der Szene des körperlichen Zusammenbruchs im Tempel, das spielt Nucci perfekt, seine Rollennachfolger grimassierten da immer vergeblich.

Wie überhaupt diese Inszenierung von Günther Krämer viel Rätselhaftes an Deutung bereit hält, aber die leere Bühne, auf der fast ständig der Chor anwesend sein muss und dazu der Schrott an regietheatermäßigen Ausstattungen wie Koffer und Kinderwagen auch nicht fehlen dürfen, das alles beginnt bald zu langweilen. Aber diese ständigen sich bildenden singenden Tableaus sind auch schwierig zu bewältigen, dem Vernehmen nach hat sich auch ein gewisser Franco Zeffirelli von den Veronesern nicht überreden lassen, diese Oper dort zu Inszenieren. Auch hier in Wien vermeint man einer semikonzertanten Aufführung beizuwohnen.

Guillermo Garcia Calvo stellte gestern die Relationen wieder richtig, in dem er mit konsequenten Tempi Brillanz im Orchestergraben erzeugte, aber auch für subtile Celli-Begleitung in der Szene des Zaccaria sorgte (immerhin eine für Verdi typische und ganz wunderbar intime Nummer inmitten des M-tatas) und gemeinsam mit Thomas Lang und mit dem Chor der Wiener Staatsoper den nicht umzubringenden Höhepunkt, den sogenannten Gefangenenchor zelebrierte. Er tat es so gut, dass man das einsame Buh nach der Pause von der Galerie als höchst entbehrlich registrieren kann.

Drei Rollendebüts wartete die Staatsoper auf: Ilseyar Khayrullova, der junge tatarische Mezzo machte als Fenena wieder mit ihrer schönen Stimme auf sich aufmerksam, Roberto Tagliavinis agiler, heller Bass wäre einer der ganz Großen, hätte er neben der durchschlagskräftigen Höhe eine ebensolche Tiefe zu bieten und Ayk Martirossian, dessen Staatsoperndebüt schon 1998 stattfand, tauchte hier nach ganzen 18 Jahren wieder auf und hat es naturgemäß schwer, sich einen Bekanntheitsgrad zu ersingen, ist er doch nur in sogenannten Wurzen beschäftigt.

Anna Smirnova als Abigaille ist, wie viele andere mit dieser wohl schwersten Verdipartie leicht überfordert. Sie schafft zwar all diese Registersprünge, Spitzentöne und Koloraturen, die der Komponist höchstwahrscheinlich einem Wundersopran in die Kehle geschrieben hat, aber sie schafft es nicht, eine geschlossene, kompakte musikalische Linie zu formen, zu „verwaschen“ klang das Gebotene. Verdis spätere Frau, Giuseppina Sterepponi sang zwar die Uraufführung, hatte aber auch keinen Erfolg mit der Partie, welche Verdi angeblich der an der Scala engagierten Sofia Loewe zugedacht hatte.

Für Bror Magnus Todenes war Miro Dvorsky aus Bratislava eingesprungen, bei uns ist er ja hinlänglich bekannt seit 1996 u.a. in Verdi- und Puccinipartien. Sein elegant geführter, allerdings leicht gepresst klingender Tenor ist noch immer verläßlich, so wie es auch Benedikt Kobel als Abdallo und Caroline Wenborne als Anna in ihren kleinen Rollen sind.

Viel Applaus vom ausverkauften Haus, besonderer Jubel für den angetretenen Veteran. Auf noch viele Abende Leo Nucci!

 

Peter Skorepa
MERKEROnline

Foto: Michael Pöhn/Wr.Staatsoper

 

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