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WIEN/ Staatsoper: MANON von Jules Massenet. 47. Aufführung in dieser Inszenierung

Schöne Stimmen und dahinplätschernde Musik

06.06.2019 | Allgemein, Oper


Nino Machaidse. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: MANON von Jules Massenet 47. Aufführung in dieser Inszenierung 5. Juni 2019

Schöne Stimmen und dahinplätschernde Musik

Die Premiere der Massenet-Oper nach dem gleichnamigen Roman von Abbé Prévost an der Wiener Staatsoper 2007, mit Anna Netrebko in der Titelpartie, wurde – so ist im Online Merker nachzulesen – mit 21 Minuten Beifall bedacht. Diesmal reicht es gerade einmal knapp für den inzwischen bei fünf Minuten eingependelten Repertoire-Durchschnittswert. Das ist angesichts einer doch recht respektablen Besetzung nur als mickrig einzustufen. An Juan Diego Florez liegt es wohl nicht. Nach seinem Rollendebüt vor wenigen Tagen – vorangegangen ist dem ein erster, allerdings nur konzertanter Pariser Des Grieux im April – hat er sich die Partie des jungen Chevaliers nun auch szenisch angeeignet. Mit heller, fein geführter, im Klang merkbar metallischer gewordener Stimme weiß er das Wiener Publikum zu begeistern. Seine Liebe zu dem flatterhaften jungen Mädchen vom Lande, das den Verlockungen von Luxus und zweifelhaftem Ruhm in der demi-monde von Paris mehr und mehr verfällt, wirkt wahrhaftig und aufrichtig. Kein Zweifel: Florez´ Abkehr von den strahlenden Prinzen und seine damit einhergehende Hinwendung zu den gebrochenen, gefährlich schillernden Existenzen ist vollzogen. Mozarts Tenorpartien warten – und das anspruchsvolle französische Fach. Es heißt, dass Florez in den Plänen des künftigen Wiener Staatsoperndirektors Roscic eine fixe Größe ist. Man darf jedenfalls gespannt sein auf die weitere Entwicklung des aus Peru stammenden, ungemein sympathischen und gesangstechnisch bestens gerüsteten tenore di grazia.

Auch Nino Machaidze als Manon liefert eine gediegene Leistung ab. Dass sie an Netrebko herankommt, hat niemand erwartet, denn die ihr – anlässlich des Einspringens 2008 bei den Salzburger Festspielen, wo sie anstelle der Diva die Partie der Juliette in Gounods Oper Roméo et Juliette sang – prophezeite internationale Karriere hat sich nicht erfüllt. Aber ihr wohlklingender und durchschlagskräftiger Sopran ist vor allem in der Höhe von berückender Intensität und verleiht der Manon den Zauber der Einzigartigkeit, der sie aus der Schar der leichten Damen hervorstechen lässt und begreiflich macht, warum sie die Männerwelt in ihren Bann schlägt. Schon mit ihrem Abschied vom kleinen Tischchen, „Adieu notre petite table“, zugleich ein Abschied von der Welt der Bescheidenheit und Genügsamkeit, lässt sie aufhorchen, in der Sterbeszene – die dramaturgisch allerdings zu unvermittelt kommt – berührt sie dann ungemein. Und dazwischen? Auch „Je marche sur tous les chemins… Obéissons quand leur voix appelle“, ihr Loblied auf die Schönheit und Jugend, gelingt eindrucksvoll. In der Tiefe fehlt es ihrem Sopran gewiss etwas an Substanz, das ändert aber nichts am allgemein guten Eindruck, den sie hinterlässt.

Manons Kolleginnen – Pousette, Javotte und Rosette – sind mit Ileana Tonca, Svetlina Stoyanova (Rollendebüt) und Zoryana Kushpler stimmlich rollendeckend besetzt und bewegen sich mit spürbarer Spiellaune im schlüpfrigen Milieu. Clemens Unterreiner und Adrian Eröd verfügen über prächtige Baritone und überzeugen mit komödiantischem Spiel als gerissener Geschäftsmann von Zuhälterformat Brétigny bzw. als rustikaler Cousin Lescaut. Auch Michael Laurenz hat eine ausdrucksstarke Tenorstimme vorzuweisen, als Guillot outriert er aber darstellerisch bei fast jeder Gelegenheit. Etwas mehr Ökonomie beim Einsatz seiner Mittel wäre hier angebracht. Die Ruhe in Person und väterliche Autorität strahlt dafür der Bassist Dan Paul Dumitrescu aus.

Woran liegt es dann also, dass dieser Opernabend letztlich nicht zu packen vermag? Zum Teil ist es die Inszenierung von Andrei Serban in der Ausstattung von Peter Pabst. Die Pappkameraden auf der Bühne, in der Bahnhofsszene noch ein mit Aufmerksamkeit registrierter Regieeinfall, beginnen spätestens ab dem zweiten Akt ziemlich zu enervieren. Man fragt sich, warum der Chor zwei Akte lang reglos unten in der linken Ecke des Orchestergrabens zu verharren hat und nicht ins Spiel eingebunden ist. Doch allzu störend ist diese Inszenierung dann auch wieder nicht. Es ist der Dirigent Frédéric Chasli, der mit dafür verantwortlich zeichnet, dass die Musik diesmal nur so dahinplätschert und dramatische Höhepunkte, Spannungsbögen und Akzente vermissen lässt. Nicht zuletzt liegt es aber auch an der Partitur Massenets selbst, die sich im Vergleich zu Puccinis farbig-leidenschaftlicher Manon Lescaut und der artverwandten, zupackenden Traviata von Verdi eher dürftig ausnimmt. Tschaikowskis Urteil – „Die Musik ist sehr anmutig, klug und voller Sorgfalt komponiert, doch es fehlt jeder Funke an echter Inspiration. Trotz der ausgezeichneten Aufführung empfand ich schließlich, als die Oper sich ihrem Ende zuneigte, eine derartige Langweile, dass ich nur mit Mühe bis zum Schluss blieb“ – ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

5.6.2019

Manfred A. Schmid

 

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