
WIEN / Staatsoper:
MADAMA BUTTERFLY von Giacomo Puccini
17,Aufführung in dieser Inszenierung.
9.Dezember 2025
Ein optisches Fest
Ein großes Opernhaus mit Repertoirebetrieb muss immer wieder Werke ansetzen, die sichere Publikumsattraktionen sind – mit Raritäten-Kostbarkeiten wie „Makropulos“ oder „Karmeliterinnen“ füllt sich ein Saal weniger leicht als mit „Madama Butterfly“. Was täten die Opernhäuser der Welt ohne Puccini?
Also spielt man die Werke auch, wenn man keine zwingenden Idealbesetzungen zur Verfügung hat (wobei man diskutieren könnte, ob es die heutzutage noch zahlreich gibt…) Und gerade die Butterfly ist eine mörderische Rolle, wenn man nur die große Arie „Un bel di“ hernimmt, die zwischen diszipliniertester Verhaltenheit und explosiver Expression in kürzester Zeit von der Interpretin alles verlangt. Wie die Rolle überhaupt, die an Technik, Kraft und nicht zuletzt Ausdruck die höchsten Anforderungen stellt. Dass man die kleine, zarte Japanerin auch glauben sollte, selbst wenn man nicht die 15 Jahre des Librettos vorgibt, zählt zu den Sonderwünschen, zu denen man im Opernbetrieb kaum ein Recht hat.
Auf Anhieb überzeugt die derzeit auf den Bühnen der Welt sehr präsente Eleonora Buratto als Cio-Cio-San nicht wirklich, von der Erscheinung her wäre eine Gräfin, eine Alice Ford glaubwürdiger. Aber ab dem zweiten Akt gewinnt sie das Publikum mit einer engagierten, durchdachten Darstellung dieser Figur, eine Frau zwischen Hoffnung und Verzweiflung, von Puccini in alle seelischen Abgründe geschickt, die sich stimmlich gewaltig entladen. Da überzeugt Eleonora Buratto, die durchhält, in darstellerischer Spannung und auch Stimmkraft, ohne dass man sie als ideale Interpretin der Rolle im Register seiner Opernerinnerungen ablegen würde.
Luciano Ganci hat schon einiges (allerdings nicht oft) an der Staatsoper gesungen, das MusikTheater an der Wien kündigt ihn als Stiffelio an. Pinkerton ist, wie man weiß, keine besonders dankbare Rolle, er muss froh sein, wenn die Inszenierung ihn im ersten Akt sympathisch, im letzten Akt reuevoll sein lässt (und er nicht den zynischen kolonialen Ausbeuter spielen muss, der darüber lacht, dass die kleine Japanerin wirklich glaubt, er habe sie geheiratet). Ganci hat einen kräftigen, metallischen Tenor, dem allerdings jeder Timbre-Reiz fehlt. Er wird also in den lautstarken Helden-Rollen besser sein denn als Liebhaber.
Von Daria Sushkova hätte man gewünscht, ihre Stimme sei weicher und dunkler, damit sie zu jener der Butterfly besser kontrastiert – hier klangen die beiden im Duett geradezu gleich. Leonardo Neiva, als Ensemblemitglied in vielen kleinen Rollen eingesetzt, gab mit erstaunlich trockener Stimme einen unauffälligen Sharpless. Aus dieser Rolle lässt sich, wie man weiß, mehr herausholen.
Die Staatsoper legte diese Serie in die Hände von Giampaolo Bisanti, der das Werk härter anpackte, als man es oft gehört hat, eine Oper der scharfen, oft schmerzenden Töne, was der Geschichte durchaus entspricht.
Der beste Teil dieser Repertoire-Aufführung war die geradezu geniale Inszenierung des mittlerweile verstorbenen britischen Regisseur Anthony Minghella, die man zuerst an der Met (im Kino) gesehen hat, der beste Einkauf der gegenwärtigen Staatsoperndirektion. So sollte modernes Musiktheater aussehen. Japan nicht im Bilderbuch-Klischee, sondern mit einem Minimalismus und dabei einer Eleganz, die der echten japanischen Kultur und ihrer Qualität weit näher kommt. Verschiebbare Paravents, erstaunliche choreographische Effekte, faszinierende Bilder – etwa die rosa Lampions, die sich zu einer Straße formen, als Butterfly und Pinkerton ihrer Hochzeitsnacht entgegen gehen. Und die Genieidee, das kleine Kind (das live bald einmal peinlich ausfallen kann) mit einer von schwarz gekleideten Bunraku-Künstlern geführten Puppe zu „besetzen“, die hilfloser und rührender wirkt, als jedes echte Kind es vermöchte. Diese „Butterfly“ anzusehen, ist jedenfalls ein optisches Fest und ein Triumph des Theaterverstands.
Renate Wagner

