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WIEN/ Staatsoper: LOHENGRIN. Premiere

12.04.2014 | KRITIKEN, Oper

WIENER STAATSOPER: LOHENGRIN – Premiere-Staatsoper 12.4.2014

(Heinrich Schramm-Schiessl)

http://www.wiener-staatsoper.at/Content.Node/pressezentrum/06_Lohengrin_Koch-Martens.jpg
Wolfgang Koch, Michaela Martens. Foto: Staatsoper/Pöhn

 Es gibt Opern, über denen in Wien ein Fluch hinsichtlich von Neuinszenierungen liegt, zumindest was die szenische Erarbeitung betrifft – so auch beim Lohengrin – mit fallender Tendenz.

Als letzte der großen Opern von Richard Wagner nach der Wiederöffnung des Hauses am Ring ins Repertoire gekommen, sorgte bereits die Produktion von 1965 – immerhin  in der Regie von Wieland Wagner – für Unmut beim Publikum, wobei man ihr heute in Kenntnis dessen, was nachgekommen ist, nachweinen dürfte. Rückblickend gesehen war diese Inszenierung der xte Aufguß einer Neudeutung des Werkes, die 1958 als das „blaue Wunder von Bayreuth“ in die Geschichte einging. Nur war von diesem Wunder in Wien kaum mehr etwas übrig geblieben  und einem Großteil des Publikums gefiel diese statische Inszenierung vor einem Art blauen  Kirchenfenster überhaupt nicht. Zehn Jahre später bekamen wir dann die Deutung des damaligen Leipziger Intendanten Joachim Herz zu sehen, der uns eine realistische, jedoch kommunistisch ideologisierte Version in relativ häßlichen Bühnenbildern von Rudolf Heinrich präsentierte. Zahlreiche merkwürdige Aktionen des Chores und der Statisterie sorgten damals zudem für unfreiwillige Heiterkeit. Schon damals sorgte ein Strich, nämlich der des Chores im 2.Aufzug („In Frühn versammelt uns der Ruf“) für einige Diskussionen. Trotzdem hielt sich diese Inszenierung mehr als 30 Jahre im Repertoire und erlebte zahlreiche Neueinstudierungen. 2005 folgte dann die Inszenierung des mittlerweile zur Regie-Ikone gewordenen Australiers Barrie Kosky. Hier war u.a. Elsa blind, die Brautgemach-Szene spielte auf zwei Küchensesseln vor dem Vorhang und auf Grund von etwas putzig geratenen Gebäuden machte in der Pause die Bezeichnung „Lohengrin im Legoland“ die Runde.

 Und nun also Andreas Homoki. Bevor ich jedoch auf dessen Inszenierung eingehe, möchte ich nochmals auf den Strich zurückkommen, der in den letzten Wochen soviel Staub aufgewirbelt hat und auch in Online-Merker ausführlich diskutiert wurde. Ich habe in sämtliche Aufnahmen der oben erwähnten Wiener Produktionen und in alle mir vorliegenden Aufnahmen der Bayreuther Produktionen seit 1953 – da stand das Werk erstmals wieder auf dem Programm – hineingehört und habe festgestellt, daß in Wien 1965 und 1975 der Strich gemacht wurde, während er in Bayreuth 1953 und 1971 (und den jeweiligen Folgejahren dieser Produktionen) sowie in der letzten Wiener Neuinszenierung – zumindest in der Premierenserie – komplett offen (als inklusive „des Ostens Horden“) war, was übrigens damals niemanden aufgefallen ist, bzw. gestört hat. In der aktuellen Bayreuther Produktion, die auch heuer am Spielplan steht, ist der Strich  ca. zur Hälfte offen, also ohne diese Passage. Das dürfte dann auch der Kompromiß gewesen sein, den Direktor Meyer Betrand de Billy vorschlug, den dieser aber auch nicht akzeptierte.

 Wäre die Inszenierung ein Deutsch-Aufsatz, müsste der Lehrer „Thema verfehlt“ darunter schreiben. Herr Homoki ist auf das eigentliche Thema des Werkes, nämlich den Konflikt zwischen heidnischem Götterglauben und Christentum, überhaupt nicht eingegangen, sondern hat das Stück auf eine Bauernposse oder einen Heimatfilm – das möge der Betrachter entscheiden – reduziert. Dazu kamen die üblichen Nichtbeachtungen des Textes – während Elsa z.B. singt „Wenn ich zu Deinen Füßen liege“ steht sie und Lohengrin kniet vor ihr – und völlig sinnlose Aktionen, wie die Chorprobe bei „In Frühn versammelt uns der Ruf“ oder das Biergelage im 3. Aufzug. Der König ist natürlich kein König, sondern der Bürgermeister oder der Bezirkshauptmann, der Heerrufer sein Sekretär – die Aktentasche ersetzt den sonst im zeitaktuellen Theater obligatorischen Koffer – Telramund und Ortrud sind offenbar Großbauern, der Zweikampf ist nicht anderes als eine Wirtshausrauferei und der verbannte Telramund war offenbar nicht in der Lage, sich von seinen Gefolgsleuten einen Mantel auszuborgen und läuft bis zum Schluß in der Unterhose herum. Das sind nur einige besonders krasse Merkmale dieser Inszenierung. In Summe war diese Inszenierung eigentlich eine einzige Verärgerung des Publikums und hat der Regisseur klar zu machen versucht, daß er von diesem Stück nichts hält. Ich bin bei Gott kein „Kellerlacher“, im Gegenteil, ich lache sehr gerne, aber dort wo es angebracht ist und im „Lohengrin“  finde ich halt keine Stellen hierfür. Aber im zeitaktuellen Theater muss es ja offenbar witzig sein. Im Sprechtheater geht mir das Gekicher des Publikums an Stellen, wo es überhaupt nicht passt, schon lange auf die Nerven.

Natürlich gibt es ein Einheitsbühnenbild (Wolfgang Gussmann) – auch das ein unabdingbares Attribut des zeitaktuellen Theaters – das entweder den Festsaal eines Wirtshauses oder den Versammlungssaal in einem Vereinsheim darstellen sollte. Es gab also weder ein Münster noch ein Brautgemach, vom Ufer der Schelde gar nicht zu reden. Hauptaktion ist das Herumgeschiebe von Tischen. Der selbe Herr hat auch die Kostüme – an sich nicht unhübsch aber halt nicht zum Werk passend – zu verantworten.

 Auch musikalisch war die Aufführung alles andere als erfreulich. Die beste Leistung des Abends bot der Chor, pardon, die Damen und Herren des Chores (Einstudierung Thomas Lang). Dieser war ausgezeichnet studiert und sang schön und kraftvoll, wobei das Bühnenbild hier sicher zusätzlich unterstützte.

 Der Dirigent Mikko Franck war solide. Er wählte ein gutes Zeitmaß und bemühte sich auch, den Sängern ein guter Begleiter zu sein. Allerdings hatte er auch einige Durchhänger – z.B. Beginn 2.Aufzug – und übertrieb manchmal die Lautstärke etwas. Der große Jubel, der vom Publikum kam, war allerdings nicht wirklich gerechtfertigt. Großartig natürlich unser Orchester, den schwebenden Silberklang der Streicher hört man sonst nirgendwo auf der Welt.

 Von den Sängen war trotz einiger Einschränkungen Wolfgang Koch als Telramund am besten. Er sang sehr wortdeutlich und war auch gestalterisch präsent. Die von manchen vermisste Dämonie braucht er nicht zu haben, denn der Telramund ist nicht dämonisch. Was mir leider etwas missfiel war , dass er manchmal ins Schreien verfiel. Eigentlich eine Enttäuschung war für mich diesmal Günther Groissböck als König. Zugegeben, die Idee die Partie „schlank“ zu singen war nicht schlecht, aber führte dazu, dass manche Stellen relativ wirkungslos blieben – besonders schmerzhaft z.B. beim Königsgebet. Außerdem fehlt es ihm leider etwas an der „schwarzen“ Tiefe, die man für diese Rolle auch braucht. Klaus Florian Vogt in der Titelrolle bestätigte leider meine Vorbehalte die ich gegen ihn habe, seit ich seine Karriere verfolge. Obwohl die Stimme nicht allzu groß ist, dringt sie zwar überall durch, hat aber für mich – seine Fans mögen mir verzeihen – den Klang einer Trompete. Dazu kommt, dass er manche Vokale, vornehmlich das „e“ und das „i“ merkwürdig verfärbt. Darstellerisch war er engagiert, obwohl das in dieser Regie sicher nicht einfach ist. Mehr hätte ich mir eigentlich auch von Camilla Nylund erwartet. Sie bemühte sich zwar, die Stimme aufblühen zu lassen, aber das gelang nur selten. Sie blieb sowohl gesanglich als auch darstellerisch sehr verhaltem und blass. Michaela Martens (Ortrud) verfügt zwar über eine kräftige Höhe, die Mittellage zerbröselt aber einigermaßen. Zudem baute sie im Laufe des Abends kontinuierlich ab. Auch darstellerisch bot sie nicht sehr viel, wobei daran aber auch das Kostüm (bei den „Entweihten Göttern“ Unterwäsche und dann ein Dirndl) nicht ganz unschuldig gewesen sein dürfte. Ein Totalausfall war Detlef Roth als Herrrufer. Was dieses Engagement sollte, wird immer ein Rätsel bleiben und die Buhs, die er erhielt, waren durchaus gerechtfertigt. Mir fallen adhoc drei Sänger aus dem Ensemble ein, die die Rolle weitaus besser gesungen hätten (Eröd, Eiche, Unterreiner). Die vier Edlen (Wolfram Igor Derntl, Daniel Lökös, Johannes Gisser, Jens Musger) waren in Ordnung.

 Der Applaus am Ende war hinsichtlich der Sänger nicht ganz nachvollziehbar, weder der übergroße Jubel für Vogt noch einige (ganz schwache)  Buhs für Groissböck. Das Regieteam wurde nahezu einhellig ausgebuht, die wenigen Bravos waren kaum zu hören.

 Ein Frage sei ganz zum Schluß der Direktion doch gestellt: Ist es in Zeiten der Geldknappheit verantwortbar, eine unsinnige Inszenierung des Werkes gegen eine noch unsinnigere und zudem das Publikum verhöhnende zu ersetzen.

 Heinrich Schramm-Schiessl

 

 

 

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