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WIEN/ Staatsoper: LIEBESLIEDER. Ballettabend – Liebesgrüße aus New York

Wiener Staatsoper/Ballettabend: „LIEBESLIEDER“ – Liebesgrüße aus New York (18.2.2023)

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Diese Vielseitigkeit im Repertoire, von den beim Publikum immer beliebten romantischen Schaustücken bis zu aktuellen Kreationen jüngerer Choreographen, welche in der zehnjährigen Aufbau-Arbeit von Manuel Legris als Chef des Wiener Staatsballetts zu erleben gewesen ist, solches ist nun im Ballett-Spielplan der Direktion Roscic nicht mehr gegeben. Jetzt in der Mitte der dritten Saison des vom Operndirektor nach Wien geholten Schweizer Ballettchefs Martin Schläpfer lässt sich klar analysieren, dass in der Programmierung eine schon sehr starke Beengung erfolgt ist. Schläpfers Gedankenkreis bewegt sich vor allem um seine eigenen Stücke – oder er versetzt in den dreiteiligen Programmen das Wiener Publikum in etwas zurück liegende Jahre, kauft für dieses etwa die in Staats- wie Volksoper gerade zu sehenden „Promethean Fire“ oder „Liebeslieder“-Choreographien von US-Genies wie George Balanchine, Jerome Robbins oder aber Vertreter früherer Modern Dance-Jahre ein. So oder so – dies ist nun bereits Vergangenes.

Bis auf neue (geglückte) choreographische Etüden von Mitgliedern des Ensembles – etwa in ‘Plattform Choreographie‘ – ist in der heurigen Saison gar nichts, schon gar nichts von interessantem weltweiten Gegenwartsschaffen zu merken. Halt! Der Name von Marco Goecke scheint jetzt doch auf. Im November 2021 wurde sein „flay paper bird“ hier uraufgeführt – diese eigenartige Piece von in andauerndes Zittern verfallenen Tänzern kurioser Weise auf Musik von Gustav Mahler im „Im siebten Himmel“-Potpourri. Goecke? Ja, dieser deutsche Choreograph – durchaus ein sympathischer, ruhiger, wahrscheinlich aber ein von gewissen psychischen Ängsten befallener – der gerade eine kritische Journalistin im Opernhaus von Hannover mit dem Kot seines Hundes beglückt hat. Übrigens …. diese elegante Kulturdame hatte sich auch über Schläpfers Wiener „Dornröschen“-Version entsetzt gezeigt.

Liebesgrüße aus New York hatte George Balanchine nach Wien gesendet. Liegt schon sehr lang zurück – als er 1960 zu den beiden Brahmsschen „Liebeslieder“-Gesangszyklen eine sehr, sehr noble, aber alles andere als eine aufrauschende Huldigung an romantische Walzerstimmungen kreierte. Höchst sensibel – und auch mit großer Empfindsamkeit von vier feinen Solopaaren getanzt. Empfindsamer Tanz wie auch die 1976 von Balanchines New York City Ballet-Mitstreiter Jerome Robbins zu Klaviermusik von Frédéric Chopin choreographierten „Other Dances“-Duos und Soli: Kiyoka Hashimoto und Masayu Kimoto, ein elegantes Paar / wie auch ein sympathisches Wiener Ehepaar ….

Zwischen die beiden Choreographie-Granden ist als extremes Kontrastmittel ein „Concerto“ von Linda Childs aus den Jahren der Postmoderne-Blüte in den USA eingestreut. Liegt auch schon lang zurück: 1990 ist Childs kleine Tänzerschar auf der Bühne emsig umher geeilt (auch in Wien zu sehen gewesen), hat sich zu einem wirbeligen Cembalo-Concerto von Henryk Gorecki wirbelig gedreht, hat sportiv vorgeführt was damals noch originell war und heute als spritzige Bagatelle (oder Nichtigkeit) zu genießen ist. Somit: ein von den Tänzern überzeugend und wohlgestalt bewältigtes, auch anspruchsvolles Programm. Zufrieden stellend ebenso für das Publikum: das U27-Billigkartensystem funktioniert, und in der Pause, herrlich, überall, im Treppenhaus, oben und unten – echt echtes Selfieglück.

Meinhard Rüdenauer

 

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