WIENER STAATSOPER: Wolfgang Amadeus Mozart: LE NOZZE DI FIGARO am 9. Juni 2012
Für diese Figaro-Serie konnte die Wiener Staatsoper mit einer attraktiven Besetzung aufwarten, die zwar nicht vollständig überzeugte, aber einen guten Repertoire-Abend ermöglichte.
Etwas wehmütig denkt man an die alte Ponnelle-Inszenierung, die für diese Produktion von Jean-Louis Martinoty weichen mußte. Denn optisch ist sie lange nicht so ästhetisch wie die des berühmten Vorgängers.
Die Bühne wird von Gemälden dominiert, die sich, an Schnüren hängend, zweckmäßig von oben nach unten und umgekehrt bewegen. Gespielt und gesungen wird dann eben vor, hinter und zwischen diesen Bildern. Statt hinter einem Paravent darf sich Cherubino daher hinter einem dieser Gemälde umziehen und auch Susanna versteckt sich hinter einem solchen, wenn der Graf das Zimmer seiner Gattin betritt. Die Kostüme sind stück- und zeitgerecht.
Die Bühne ist nach allen Seiten offen, was natürlich sehr sängerunfreundlich ist. Daher gibt es auch keine Fenster aus denen Cherubino springen kann. Notgedrungen hüpft er dann eben in den Orchestergraben. Abgesehen von solchen Einfällen hält sich die Produktion aber doch an die Vorlage von Komponist und Librettist.
Als Dirigent fungierte Louis Langrée, der es nicht schaffte der Musik Mozart’s den nötigen Schwung zu verleihen. Aus dem Orchestergraben war über weite Strecken kein Esprit, keine Leidenschaft und kein Feuer zu entnehmen. Langrée dirigierte diese Mozart-Oper viel zu brav und zu langsam, was die Sänger das ein oder andere Mal in Bedrängnis brachte, denn die schienen ihm manchmal davon singen zu wollen.
Unter den Gesangskünstlern stach ganz eindeutig Luca Pisaroni in der Titelrolle heraus. Es verwundert nicht, dass Pisaroni als Mozartsänger und Figaro-Interpret weltweit so gefragt ist, denn er ließ seinen prächtigen Bass-Bariton vom ersten Moment an voll erklingen und war der Partie vom ersten bis zum letzten Ton auch technisch voll gewachsen. Seine drei Arien meisterte er mit Bravour. Es ist eine Freude zu hören wie farbenreich und eloquent er Rezitative gestalten kann. Zudem präsentierte er sich sehr spielfreudig. Dieser Figaro stellte sich mit Witz und Selbstsicherheit dem Grafen und Pisaroni sorgte mit seiner Mimik und Gestik für so manchen Lacher.
Aleksandra Kurzak sang die Susanna, die sie sehr keck und verspielt angelegt hat, mit klarem, höhensicherem Sopran, der aber leider auch recht klein ist und die Sängerin nicht nur in den Ensembleszenen schwer hörbar machte. Leider hat die Regie ihr die Rosenarie fast ganz weggenommen, denn diese mußte die Gräfin singen, während Kurzak erst die letzten Takte übernehmen durfte. Sehr ärgerlich, denn gerade das Wenige, das Kurzak hier singen durfte, ließ einen wünschen, sie hätte die ganze Arie alleine singen dürfen.
Das Grafenpaar war nicht so überzeugend wie das Dienerpaar. Die Stimme von Maija Kovalevska ist für die Gräfin zu scharf, die Höhe gar etwas schrill und brachte ein unruhiges Flattern zum Vorschein. In den Arien vermisste man diesen verinnerlichten, beseelten Mozartgesang. Ihr Timbre prädestiniert sie generell nicht unbedingt für Mozart. Ihr Spiel zeigte, dass das Leben als Gattin des Grafen Almaviva bisher keinerlei Einfluß auf Rosina gehabt haben kann, denn aristokratisch wirkte sie nicht. Sie schien noch immer die unbefangene, fast quirlige Rosina zu sein, die man noch aus dem Barbier von Sevilla kennt. Ihr Umgang mit Susanna wirkte denn auch eher amikal als herrschaftlich.
Im ersten Teil des Abends enttäuschte Gerald Finley als Graf mit spröder, unflexibler Stimmführung. Erst nach der Pause – gerade rechtzeitig zum Duett mit Susanna und seiner Arie und am Ende mit Contessa Perdono – konnte er sich doch steigern und zeigte, dass er zu mehr Differenzierungen fähig ist. Seinem an sich schönen Bariton fehlt es inzwischen allerdings an Geschmeidigkeit, um Mozart’s Kantilenen vollends gerecht zu werden. Vielleicht hat sich der Sänger mit Rollen wie Hans Sachs oder Jago keinen Gefallen getan. Auch wenn der Graf in einem Moment vor Wut seine Gattin gar zu Boden wirft bleibt er als Figur recht blaß und wenig autoritär. Diesen Grafen kann man allzu leicht an der Nase herumführen und es überrascht nicht, dass der Figaro so gar keinen Respekt vor seinem adeligen Herrn hat.
Serena Malfi hat vor kurzem in der neuen Produktion von La Clemenza di Tito einen großen Erfolg als Annio feiern können und mit dem Cherubino konnte sie erneut unter Beweis stellen, dass ihr schöner, heller Mezzosopran für Mozart ideal ist. Eine stimmschöne Barbarina hörte man von Valentina Nafornita, die beim Gesangswettbewerb Cardiff Singer Of The World 2011 den Jury- als auch den Publikumspreis gewonnen hat. Aufhorchen ließ sie ganz besonders mit ihrer Cavatina im letzten Akt. Als sehr gute Besetzung erwies sich auch Donna Ellen als Marcellina. Vom Typ her ideal besetzt, wirkte sie so mütterlich wie man sich das von dieser Rolle vorstellt. Sorin Coliban sang einen stimmlich sehr präsenten Bartolo. Auch die Partien von Don Basilio, Don Curzio und Antonio waren mit Norbert Ernst, Benedikt Kobel und Hans Peter Kammerer zufriedenstellend besetzt.
Die Vorstellung endete mit sehr freundlichem, wenn auch kurzem Applaus mit Bravos für fast alle Sänger. Jetzt bleibt noch die Hoffnung, dass man den hinreißenden Luca Pisaroni bald wieder an der Wiener Staatsoper hören kann.
Lukas Link