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WIEN/ Staatsoper: LA FANCIULLA DEL WEST – Hot Air Balloon Fiesta

18.09.2014 | KRITIKEN, Oper

Hot Air Balloon Fiesta

La Fanciulla del West. Wiener Staatsoper, 18.9.2014

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Nina Stemme, Tomasz Konieczny. Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn

 … und als das Liebespaar im regenbogenfarbenen Fesselballon gen Himmel stieg, war der Abend dann zu Ende. Das „Mädchen aus dem goldenen Westen“ hat zwei Probleme – erstens leidet dieses Werk unter einem der schlechtesten Libretti der Operngeschichte (spontan fällt mir in ähnlicher Qualität dazu nur der Text der „Puritani“ ein), andererseits durch die Tatsache, dass es musikalisch keinen wirklichen „Hit“ gibt. Giacomo Puccini hat dieses Werk, das 1910 an der Met uraufgeführt wurde, zu einer Zeit geschrieben, als Richard Strauss mit Salome und Elektra das Musiktheater schon revolutioniert hatte und den Rosenkavalier bald folgen ließ. Wir finden hier neben viel Verismo auch impressionistische Anklänge, kurze Szenen, die an Richard Wagner erinnerten (Fasolt) als auch die eine oder andere Stelle, die der Tosca angelehnt ist.

 Man möge mich jetzt des Zynismus zeihen, aber die Liebesgeschichte ist wirklich unglaubwürdig. Gibt es wirklich Frauen, die einem mehr oder weniger Dahergelaufenen spontan verzeihen, dass sie dieser einerseits in Bezug auf eine andere Frau angelogen hat und nach seiner Rettung und Pflege durch sie wieder im Räuberlager aufgegriffen wird…

 Nach diesen grundsätzlichen Überlegungen nun ein paar Gedanken zur Produktion. Marco Arturo Marelli hat der Staatsoper schon viele schöne Inszenierungen beschert (ich denke da besonders an Medea oder Falstaff), doch die Fanciulla gehört sicherlich nicht zu seinen besten Arbeiten. Besonders das Bühnenbild des ersten Aktes wirkt ausgesprochen hässlich (Akt 2 und 3 sind da besser) und neben einer (sehr gut geprobten) Choreographie im ersten Akt gibt es dann auch einige unlogische Aktionen – warum schauen im 2.Akt in Minnies Haus Rance & Company nicht hinter dem Vorhang, wo sich Dick Johnson versteckt? Es werden zwar die Schränke geöffnet, aber der Vorhang bleibt unangetastet?? Come on… Ebenfalls nicht durchgängig durchdacht sind die Kostüme von Dagmar Niefind. Die Handlung wurde augenscheinlich in die 1950er-Jahre verlegt (im Wilden Westen gab es sicherlich noch keine Transisterradios), aber die Protagonisten trugen ein kunterbuntes Gemisch aus (sehr schönen) Western-Wear, schwarzen Ledermänteln im Stil der 30er-Jahre und einem Nadelstreif-Dreiteiler. Macht absolut keinen Sinn… Dass trotz alledem die Handlung so erzählt wurde, wie es das Libretto vorgab, ist als Positivum zu vermerken (… und da diese derartig seicht ist, wird man wohl kaum einen bis dato unbekannten psychologischen Hintergrund finden).

Musiziert wurde natürlich auch noch – und das stellenweise sogar ziemlich laut. Graeme Jenkins, der als Dirigent von Britten oder Janacek durchaus seine Meriten hat, ließ es ziemlich krachen und deckte sehr oft die Sänger komplett zu (was bei dem einen oder anderen der Comprimarii durchaus zu begrüßen war), besonders zu Beginn des Abends. Nachdem er auch schon seinerzeit ziemlich grob über die „Cavalleria“ drübergefahren ist, bewies er wieder, dass die Italiener ohrenscheinlich nicht zu seinen Stärken gehören.

 Die kleineren Rollen waren fast durchgehend aus dem Ensemble besetzt. Sehr positiv fiel Boaz Daniel auf, der als Sonora mit einem sehr gut geführten Bariton heraus stach. Auch Clemens Unterreiner konnte wieder einmal seinen Bühnenpräsenz in der Minirolle des Happy unter Beweis stellen. Alexandru Moisiuc ist immer viel besser, wenn er eine unsympathische Figur darstellt – so wie dieses Mal den Ashby.

 Ilseyar Khayrullova gefiel schon in der Rusalka und scheint mit ihrer Stimmentwicklung auf dem richtigen Weg zu sein. Ihr dunkel timbrierter Mezzosopran passte gut zur Figur der Squaw Wowkle.

 Tomasz Konieczny entwickelte sich in den letzten Jahren quasi zum „Haus-Bassbariton“, der sich vor allem in Wagnerrollen die Gunst des Publikums ersungen hat. Seine etwas raue Stimme passt gut zur Figur des Jack Rance. Die Leistung an diesem Abend war – wie der Amerikaner sagt (und der Ausdruck möge mir verziehen werden, aber es handelt sich ja um eine Oper, die in Kalifornien spielt) – flawless. Eine starke Bühnenpräsenz hat er ja, und er gab dem Sheriff gewisse brutale Züge, ohne diesen eindimensional zu gestalten.

José Cura ist perfekt für die Darstellung der Rolle des Ramerrez/Dick Johnson. Groß und verwegen aussehend ist er als Desperado bestens besetzt – ein Augenschmaus für seine vielen weiblichen Fans. Er spielt überzeugend. Nachdem Cura auch schon rund 50 Jahre alt ist kann man nicht mehr davon ausgehen, dass sich an seinem Gesangsstil noch viel ändern wird. Er hat nach wie vor ein sehr schönes Timbre, sang diesmal auch diszipliniert auf Linie. Dass er die hohen Töne presst und der Übergang von Brust- zu Kopfstimme nicht immer sauber ist, kennt man schon. Auf jedem Fall ist er beim Verismo zur Zeit gut aufgehoben und er wurde bei den Schlussvorhängen vom Publikum bejubelt.

 Es gibt nur ganz wenige Wagnersängerinnen, die im italienischen Fach die gleiche Perfektion wie im schweren deutschen Fach erlangen und auch Nina Stemme ist da keine Ausnahme. Es fehlt bei ihr ein wenig das Feurige, die Italianitá, die man sich wünscht. Dazu kam noch, dass sie zu Beginn bei einigen Spitzentönen ein wenig schrill klang. Wie schon gesagt, im deutschen Fach fühlt sie sich hörbar wohler.

Es war insgesamt eine durchschnittliche Aufführung eines Werkes, das höchstwahrscheinlich nur mit „Stars“ gespickt sich länger am Spielplan halten wird.

Kurt Vlach

 

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