Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN/Staatsoper LA BOHÈME von Giacomo Puccini

Nach langem Anlauf gut ins Ziel gekommen  

12.04.2019 | KRITIKEN, Oper

_Beim Rodolfo von Brian HYMEL fühlt sich Lucia Olga BEZSMERTNA geborgen  (Foto Copyright M.Pöhn)

Nach langem Anlauf gut ins Ziel gekommen  
La Bohème von Giacomo Puccini in der Wiener Staatsoper

436. Aufführung in der Inszenierung Franco Zeffirelli
Donnerstag, 11. April 2019     Von Manfred A.Schmid

 

Der Uraufführung von Puccinis Oper unter der Leitung von Arturo Toscanini in Turin war kein Erfolg beschieden, weder beim Publikum noch in der lauen Berichterstattung der Presse. Als das Werk wenig später in Palermo zur Aufführung kam, war die Begeisterung dann aber gleich so überwältigend, dass die letzte Szene wiederholt werden musste. So oder ähnlich – nur im Zeitrafferstil – ergeht es einem bei der Wiener Bohème in der derzeit laufenden Aufführungsserie. Nicht dass man nun gleich eine Wiederholung fordern würde, aber erst im letzten Akt erlebt man jene Leidenschaft und jene berührende romantisch-melancholische Stimmung, die dieses Werk eigentlich vom ersten Ton durchbeben sollte. Bei der Begegnung mit Rodolfo hingegen´verdient nicht nur Mimìs Händchen, sondern die ganze Szene die Beschreibung „che gelida“, so unterkühlt wirken sie bei ihrem ersten Aufeinandertreffen. Die auch im Café Momus zunächst noch unauffällig wirkende Olga Beszmertna in der Titelpartie erreicht erst nach und nach die erforderliche Betriebstemperatur. Wie sie dann puccinesk stirbt, rührt aber schon ans Gemüt. Und Rodolfos verzweifeltes „Mimì! Mimì“-Schluchzen tun ein Übriges.

Auch Bryan Hymel, der als einziger Gast an diesem Repertoireabend dabei ist und den Rodolfo gibt – eine Partie, für die er international schon überschwängliche Lobeshymnen eingeheimst hat, braucht diesmal für seinen höhensicheren, leicht metallisch klingenden Spinto-Tenor eine längere Aufwärmphase. Manchmal hat man den Eindruck, dass die Spitzentöne mit etwas Kraftaufwand verbunden sind. Sein breites, ausgewogenes Registerspektrum erlaubt aber stets elegante Phrasierungen. Und ungemein sympathisch ist der Amerikaner, dessen Weltkarriere 2012 als Einspringer für Jonas Kaufmann in Berlioz´ Les Troyens ihren Anfang nahm, obendrein.

Die übrigen Rollen sind – mit einer Ausnahme – mit bewährten Kräften aus dem Hause besetzt, aus denen Boaz Daniel als rühriger, anteilnehmender Marcello hervorsticht. Manuel Walser hat als Schaunard nicht viel zu tun, Ryan Speedo Green bekommt für seine übertrieben laut und gewohnt raustimmig vorgetragene Mantelarie sogar Szenenapplaus. Vermutlich gilt er mehr der guten Tat – der Philosoph Colline verabschiedet sich bekanntlich von seinem treuen Mantel, weil er mit dessen Erlös die Medikamente für Mimì bezahlen will – als für seine gesangliche Leistung. Wolfgang Bankl ist ein als Bass wie auch Bassbariton vielseitig einsatzbares Ensemblemitglied, das sich nicht zu schade ist, nach dem Ochs im Rosenkavalier nun den für etwas komische Auflockerung sorgenden Wohnungsvermieter Benoit sowie Alcindor, den reichen und übel mitgespielten Verehrer der Musetta zu geben.

Und damit sind wir auch schon bei der Debütantin des Abends angelangt. Andrea Carroll, ebenfalls Ensemblemitglied, hat die Musetta schon in Houston gesungen. Bei ihrem Wiener Rollendebüt bringt sie für die Partie der schnippisch-koketten und dennoch warmherzigen Variétekünstlerin den passenden, dunkel-timbrierten, sinnlich klingenden Sopran mit. Mit feinem Legato und ebensolcher Phrasierung gestaltet sie ihre Walzerarie „Quando m‘en vo“ und kann auch darstellerisch weitgehend überzeugen. Sie wird in die Rolle weiter hineinwachsen und ihr die nötige Beschwingtheit und Leichtigkeit verleihen. Und schon bald könnte sie wohl auch als Mimì zu erleben sein.

Ramon Tebar am Dirigentenpult ist ein passabler musikalischer Leiter der Aufführung. Nicht sehr differenziert, aber mit Schwung klingt das, was aus dem Orchestergraben kommt. Zuweilen sogar etwas zu überschwänglich, so dass die Stimmen auf der Bühne in dem Gewoge beinahe zu ertrinken drohen. Alles in allem aber ein solider Opernabend aus dem Repertoirealltag, der mit knappen fünf Minuten wohldosiertem Applaus bedacht wird.

Manfred A. Schmid

 

 

Diese Seite drucken