WIENER STAATSOPER am 4.11.2014 – „LA BOHÈME“
Gibt es eigentlich Diskussionen mit dem Orchester über Arbeitszeitverkürzung oder warum wird der Dirigent Dan Ettinger sonst angesetzt ? Es ist schon eine beachtliche Produktivitätssteigerung, wenn bei einer kurzen Oper wie der „Bohème“ 10 Minuten eingespart werden können. Leider ergibt diese verhetzte Version aber keine spannendere Aufführung, da hilft auch ein höherer Dynamikpegel wenig.
Einen Tag nach dem 51. (!) Geburtstag dieser Inszenierung ist nun in der dritten Aufführung dieser Serie ein neuer Maler in die Studenten-WG eingezogen und Marco Caria kann mit seinem kraftvollen, sauber geführten Bariton überzeugen. Der junge Ukrainer Dmytro Popov hat seine Debut-Nervosität abgelegt. Vor allem in der Höhe präsentiert er einen klangvollen, runden Tenor. Bei den Piani ist aber noch Steigerungspotential vorhanden. Die beiden anderen Mitbewohner sind mit Adam Plachetka als Schaunard und Jongmin Park bestens besetzt. Der Bass scheint von Abend zu Abend besser zu werden und der Applaus nach dem „vecchia zimarra“ war durchaus berechtigt. Der neue Marcel hat auch eine neue Musetta mitgebracht: Aida Gerifullina hatte (nach zwei Giannettas) ihr Debut in einer größeren Partie. Vielleicht war sie dabei etwas übermotiviert und gab im zweiten Akt zuviel Druck, wodurch die Stimme doch eine gewisse Schärfe bekam. Das passt zwar gut zur zickigen Seite der Musetta, aber die schmeichlerischen Töne, die sie zur Verführung Marcellos benötigen würde, gelangen nicht so recht. Die Mimi war wieder Krassimira Stoyanova. Diese Partie ist ihr auf den Leib geschneidert. Da stimmt alles. Die Stimme kann völlig unangestrengt fließen, sie spinnt die Legatobögen und berührt als vom kleinen Glück träumende kleine Näherin. Aus seinen Auftritten als Benoit und Alcindor macht Alfred Šramek wieder kleine Kabinettstückchen. Der Chor (und die Chorsoli, angeführt von Dritan Luca als Parpignol) und die Kinder der Opernschule geben dem zweiten Akt wieder einen soliden musikalischen Untergrund.
Übrigens: Der geschmähte Ofen (vecchio caminetto ingannatore) im ersten Akt ist besser als sein Ruf, da er auch noch brennt, wenn er längst verloschen sein sollte.
Wolfgang Habermann