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WIEN / Staatsoper in der Walfischgasse: WAS IST LOS BEI DEN ENAKOS?

26.01.2019 | KRITIKEN, Oper


Fotos: Wiener Staatsoper / Pöhn

WIEN / Staatsoper / KINDEROPER | AGRANA STUDIOBÜHNE | WALFISCHGASSE:
WAS IST LOS BEI DEN ENAKOS? von Elisabeth Naske und Ela Baumann
Auftragswerk der Wiener Staatsoper / Uraufführung
Premiere: 26. Jänner 2019
„Was ist los bei den Enakos?“ fragt Librettistin Ela Baumann, und man möchte ihr die Frage zurückgeben: Was ist los mit den Enakos, dass ihre Kinderoper als Stück nicht funktioniert? Die Antwort liegt wahrscheinlich darin, dass sie eine politische Parabel ohne zentrale Bezugsperson und greifbare Handlung geschrieben hat. Und ihre Aussage gegen jegliche „Gleichmacherei“ greift erstens von der Aktualität her nicht und ist zweitens auch akustisch und dramaturgisch nicht wirklich verständlich.

Ja, wenn wir in der DDR lebten, dann wäre die diktatorische Forderung, dass alle gleich sein und den gleichen Text reden müssen, etwas, wogegen man logisch aufbegehren könnte. Aber in unserer Welt der Ego-Fabriken, wo schon jedes Kind mit dem Smartphone herumläuft und „Sei du selbst“ als gesellschaftlicher Zwang gilt, haben wir wohl andere Probleme. (Unsere Forderungen nach Gleichheit zielen eher darauf ab, dass es den Benachteiligten nicht immer noch schlechter und den Begünstigten nicht allzu unverschämt besser gehe…)

Also, a priori keine überzeugende Geschichte für dieses Auftragswerk der Wiener Staatsoper. Die Kinder, die da auf der Bühne der Walfischgasse aus ihren Schlafkojen (ein bisschen wie das „rollende Hotel“) kriechen, sollen also alle gleich sein – so verlangt es der Ober-Enako von seinen braven Unterläufeln. Apropos Kinder – was hat sich Ausstatter Florian Angerer bezüglich der Kostüme da eigentlich ausgedacht? Sie stecken in so riesig-bauchigen Rundgewändern, dass ein Michelin-Männchen dagegen schlank aussieht und sie eigentlich wie irgendwelche künstliche Tiere aus Zeichentrickfilmen wirken. Die Verfremdung geht so weit, dass man kaum das Gefühl hat, es mit Menschen zu tun zu haben, sich eher wie in einem Zoo fühlt.

Die fünf Enako-Kinder, die – gesungen und gespielt von Kindern der Opernschule – den langen Anfang des Stücks bestreiten, sind angeblich fünf Individualitäten, aber keinesfalls als solche kenntlich. Gleiche Kleidung, gleiches Spielzeug, kommt da irgendetwas anderes dazwischen – es gibt einen Saboteur in dieser Welt -, erscheint der Ober-Enako und droht. Bloß – man versteht ihn akustisch so wenig wie die Kinder, auch wenn die Partitur keinesfalls in Lautstärke ausufert.

Es gibt nicht viel nacherzählbare Handlung, sondern nur Ideologie (soweit man hie und da ein Stückchen Belehrung mitkriegt): Gut, Sechsjährige sind nicht dumm. Aber ob sie von der Bühne herab politisch anphilosophiert werden wollen, scheint fraglich. Auch sollte es eine wirkliche Geschichte geben – hier finden die Kinder verschiedene Kleidung, protestieren gegen den Ober-Enako, kommen ins Gefängnis und werden von einer undefinierbaren Gestalt, der sie teilweise misstrauen, zum weiteren Widerstand aufgefordert. Diese Figur, das „Els“, erhält auch als einzige eine kleine Arie, wir sollten ja in der Oper sein…

König und Ober-Enako, die sich ohnedies nicht einig sind, entzweien sich ganz, als der König sich auf die Seite der Kinder stellt, die nun zum Finale in einer bunten, verschiedenartigen Welt leben dürfen… Und die einzige Figur, die in diesem Rahmen überhaupt irgendein Profil gewonnen hat, ist der böse Ober-Enako. Überzeugend ist diese dünne Geschichte nicht.

Keine Frage, dass Ela Baumann als Regisseurin die Kinder höchst ambitioniert über die Bretter schickt, mit Singen und Dauerhüpfen ist zumindest Bewegung garantiert. Igor Onishchenko als Ober-Enako gibt Stimme, aber wenig Wortverständlichkeit, bei Dan Paul Dumitrescu als König und Margaret Plummer als dem Els versteht man auch Teile des Textes, aber sonderlich viel bekommen die beiden nicht zu tun.

Die einstündige Produktion wird von der Musik von Elisabeth Naske gerettet, die wirklich sehr reizvoll ist, melodisch zwar, aber die Tonalität immer wieder mit raffiniertem Klangzauber einzelner Instrumente unterwandernd. Das musikalische Gewand der Geschichte hat viel Stimmung (auch durch eine Art instrumentale Geräusche-Dramaturgie) und viel Schwung, und man würde das gerne auf CD hören. Durchaus so, wie das Bühnenorchester der Wiener Staatsoper unter Rick Stengårds dieses Werk interpretiert hat.

Sicher, eine Schar wunderbar ambitionierter Kinder zu schöner Musik – das ergibt schon einen Premierenerfolg. Als großen Kinderopern-Wurf möchte man die „Enakos“ aber nicht erachten.

Renate Wagner

 

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