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WIEN / Staatsoper: IL TROVATORE

04.09.2017 | KRITIKEN, Oper

EYVAZOV_SIRI- Troubadour
Yusif Eyvazov, Maria José Siri Foto: Wiener Staatsoper / Pöhn

WIEN / Staatsoper:
IL TROVATORE von Giuseppe Verdi
4.
September 2017
6.Aufführung in dieser Inszenierung

Alles neu macht die neue Saison, und soooo neu hätten es sich die Opernfreunde, die viel Geld für ihre Netrebko-Sitzplatzkarten bezahlt haben (abgesehen von der Mühe, sie überhaupt zu bekommen), auch wieder nicht gewünscht… Na ja, die Diva ist gebrochen über die Notwendigkeit der Absage, per Facebook (oder was immer) kann man ja sein Publikum direkt beschwörend ansprechen und versichern, wie leid es einem tut. Eine krächzende Netrebko wäre ja auch wirklich nichts – drei Tage vor Wien auf der Waldbühne, da kann man sich schon verkühlen. Aufpassen, dass vor der Eröffnung der Mailänder Scala nicht dasselbe passiert wie vor der Eröffnungsvorstellung der Wiener Staatsoper!

Dass Anna dem von ihr so geförderten Gatten nicht die Show bei seinem ersten Wiener Manrico stehlen wollte, muss man allerdings nicht vermuten, so edel sind Sänger im allgemeinen nicht. Christa Ludwig hat mir einmal ganz offen erzählt, dass sie und Walter Berry eifersüchtig auf die Erfolge des anderen waren. Da gibt man vermutlich keinen Fußbreit nach…

Übrigens: Das ultimative Pech hatten jene zahlreichen Zuseher, die vor der Oper ihre Karten loswerden wollten. Dass es vielen nicht gelungen ist, zeigten (von der Galerie gut sichtbar) die wirklich zahlreichen Plätze, die im Parkett frei geblieben waren.

Der Absage-Reigen begann also am ersten Tag, das Wiedersehen mit dem mediokren „Troubadour“ der vorigen Saison brachte in fünf Hauptrollen drei neuen Sänger, das ist ja immerhin etwas für neugierige Opernbesucher. Und neugierig sind wir doch alle.

Der Star des Troubadour ist im allgemeinen der Titelheld, der mit dem „hohen C“, das nicht in der Partitur steht (Riccardo Muti sagt das, und ihm muss man es doch glauben) und auf das dennoch jeder wartet. Trotzdem macht ein C noch keinen Manrico – ja, was macht ihn? Yusif Eyvazov hat jedenfalls einiges zu bieten. Er sieht gut aus – na, nicht gerade in der Kaufmann-Liga, aber Marcelo Alvarez beispielsweise sieht er durchaus ähnlich. Er hat bei sehr ordentlicher (wenn auch nicht makelloser) Technik eine starke Stimme und eine sichere Höhe zu bieten – Voraussetzungen, mit denen er das heldentenorale Repertoire bewältigen kann, durch das er sich seiner relativen Jugend ungeachtet durchsingt (Radames, Kalaf).

Aber was nützt das alles, wenn Gott nicht die Gnade hatte, ein schönes Timbre dazu zu geben? Die Stimme von Eyvazov hat in sich zu viel ungut Metalliges, gepresst Nasales, um wirklich tenorales Vergnügen zu bereiten. Und das mindert dann einen Manrico, der an sich stimmlich (inklusive „C“, wenn auch nicht so prachtvoll, wie es möglich wäre) alles mitbringt, was er soll…

Glücklicher wurde man mit dem Grafen Luna. Nun ist George Petean, unser Premieren-Macbeth, zwar – wie sein Luna-Vorgänger – ein nicht mehr ganz junger, gesetzter Herr, aber er hat einen wirklich schön strömenden, dunkel timbrierten, gelegentlich samtigen Bariton und genügend Temperament, um all die negativen Gefühle der Figur, die Verdi in so wunderbare Musik gegossen hat, zu vermitteln.

Maria José Siri fühlt sich am wohlsten, wenn sie losschmettern kann – und das ist ja nur der geringere Teil der Leonoren-Partie, die sehr viele schwebende Piani, lockere Triller, ausgesponnene Mezzavoce-Phrasen verlangt. Und da tremoliert sich die Stimme leicht in die Schärfe – doch wer unter solchen Umständen einspringt, kann jeden Bonus beanspruchen, und sie hat ihn auch verdient.

Luciana D´Intino hat eine geradezu aufregend dunkle Tiefe, wie man sie bei (oft nur so genannten Mezzosopranen) selten findet, die anderen Register neigen gelegentlich zum Flackern, aber schon wegen Verdis Vorliebe für die Figur zählten einige der Azucena-Szenen zu den intensivsten des Abends (wenn auch durchwegs keine begnadeten Sängerschauspieler auf der Bühne standen, um die Wahrheit zu sagen).

Wunderbar wieder der Ferrando des Jongmin Park, ein so kraftvoll schwarzer Baß, wie man ihn nicht alle Tage hört. Und wenn die Staatsoper selbst ihre weiteren Sänger nicht nennt… in ihrem neuen „Untertitel- und Informationssystem“ nämlich, das man installiert hat. Es wurde heute der Presse vorgestellt und ist (wie Peter Skorepa berichtet, der bei der Präsentation dabei war) eingestandener Weise noch nicht „fertig“. Nun gibt es auf dem Screen, der doppelt so groß ist wie der alte, zwar allerlei über die Übersetzung hinaus – aber wenn die Besetzung nur die Hauptrollen anführt, werden die Ensemblemitglieder des Hauses, die ja schließlich unabdingbar zur Vorstellung beitragen, nicht begeistert sein. Wenn man als Besucher, der „News“ anklickt, aufgefordert wird, seine Mail-Adresse für Informationen anzugeben, geht das ja nur, wenn sich darunter ein Tastaturen-Feld öffnet, das noch fehlt. Vor allem aber ist die Schrift (eine fette Helvetica, weiß auf schwarzem Grund) zwar an sich wirklich besser lesbar als die dünne der vorigen kleinen Bildschirme – aber sie ist viel zu klein! Der Zweck besteht ja darin, dass man nicht seine Lesebrillen aufsetzen muss, wenn man sie für den Blick auf die Bühne nicht braucht! Aber wenn ohnedies noch das eine oder andere nachjustiert wird, kann man ja auch die Größe – vergrößern…

An der Inszenierung des Abends, den Marco Armiliato mit so viel Schwung in Form von Lautstärke leitete, dass es einen auf der Galerie gelegentlich vom Sessel hob, ist nicht mehr viel zu adjustieren. Zum Thema Galerie: Wer das Privileg hatte, die Premiere im Parkett zu sehen, der stellt fest, wie viel er von oben überhaupt nicht sieht – etwa das Tor im Hintergrund, das sich ja (wenn man sich recht erinnert) zu allerlei Schauplätzen wie Kirche oder Treppe öffnet, wovon man keine Ahnung bekommt! Wie kann so etwas passieren? Jeder Regisseur, der sein Handwerk versteht, schickt doch immer wieder seine Assistenten auf die Galerie, um sicher zu stellen, dass die Leute „auf den billigen Plätzen“ auch die Inszenierung sehen. Oder ist man so minderwertig, wenn man keine 200 Euro pro Vorstellung zahlen kann – oder auch nicht will?

Es lief also einiges schief an diesem Eröffnungsabend der Spielzeit 2017 / 18. Man hatte erwartet, dass die Lipizzaner die Hohe Schule vorführen. Statt dessen erlebte man, wie es Herbert von Karajan ausgedrückt haben soll: Der alte Ackergaul setzt sich in Bewegung.

Renate Wagner

 

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