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WIEN/ Staatsoper: GÖTTERDÄMMERUNG – das fulminante Ring-Finale

09.06.2014 | KRITIKEN, Oper

STAATSOPER WIEN – GÖTTERDÄMMERUNG

8. Juni 2014. Wie einst im Mai

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Jeffrey Tate – aufgenommen vor dem „Bühnentürln“ von Dr. Klaus Billand

 Mit einem Schlussjubel wie in den besten Staatsopernzeiten der Vergangenheit ging die Götterdämmerung des ersten Ring-Zyklus dieses Jahres zu Ende. Das Richard Wagner’sche Meisterwerk wurde aber auch in einer wirklich hervorragenden Art und Weise aufgeführt, die Reminiszenzen an ganz große historische Namen heraufbeschworen. Allen voran gilt dieses uneingeschränkte Lob dem Dreigestirn Tate-Stemme-Gould! Schon im Rheingold spürte man den Gleichklang des Dirigats von Jeffrey Tate mit den Klangvorstellungen des Wiener Staatsopernorchesters, hier in der Götterdämmerung zelebrierten sie zusammen eine hochdramatische Interpretation, die von einer atemberaubende Brünnhilde entsprechend unterstützt wurde. Und dabei fand Tate auch noch genügend Zeit und Muße feinste Nuancen der Partitur herauszuheben, etwa im Trauermarsch, als im Fortissimo-Gedöns plötzlich sogar feine Flötenklänge vernehmbar wurden.

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Verdienter Schlussjubel: Markus Eiche, Caroline Wenborne, Attila Jun, Nina Stemme, Stephen Gould und die Rheintöchter. Foto: Klaus Billand

 Und wenn man eine fitte Nina Stemme zur Verfügung hat, ist auch ein bewegendes Götterdämmerungs-Finale gewährleistet. Die schwedische Sopranistin ließ das Schicksal von Wotans Lieblings-Walküre mit jedem Einsatz spüren – vom ersten Akt bis zu den „Starken Scheiten“! Diesmal machte es ihr auch nichts aus, wenn es sehr exponiert und dramatisch wurde, die Töne kamen klar, eindeutig und wohlklingend. Vielleicht nicht ganz so spektakulär agierte diesmal Stephen Gould als Siegfried, anfangs eher verhalten, aber mit vollem Einsatz in der Jagdszene, wo es auch nicht störte, dass er beim „Hoihe“ kickste. Das Publikum nahm es mit Humor und spendete dem Helden am Ende fast so viele Jubelrufe wie seinem „Weibe“.

 Nach zwei Akten schien die Schwachstelle der Aufführung Attila Juns Hagen zu sein, aber im letzten Aufzug drehte der „schwarze“ Bass dann wirklich auf und überzeugte auch schauspielerisch. Bis dahin konnte man nicht so recht klug werden aus seinem Herumgestehe und Speergeschwinge, was aber vielleicht auch der Regie Sven Eric Bechtolfs geschuldet ist. Uneingeschränkt war die Zustimmung zu den beiden weiteren „tiefen“ Partien: Jochen Schmeckenbecher zeichnete über drei Aufführungen einen wunderbaren Alberich, mit sonorer, wohlklingender Stimme bewies er, dass diese Rolle auch in einer fast „belkantesken“ Art und Weise gestaltet werden kann. Berechtigter Riesenjubel ertönte auch für Markus Eiche, der einen diffizilen Gunther mit prächtigem Bariton sang. Immer besser findet sich auch Caroline Wenborne mit der Gutrune zurecht, ihr Sopran fügte sich harmonisch in die Gibichungen-Familie ein, ihre Schauspielfähigkeiten steigerten sich ebenfalls seit ihrem ersten Auftritt als Brünnhilde-Konkurrentin vor fünf Jahren. Leider nicht ganz so überzeugend schien diesmal Janina Baechles Waltraute, wenn es dramatisch hoch wird, kommt sie manchmal doch an ihre Grenzen. Die drei Nornen (Zoryana Kushpler, Stephanie Houtzeel und Ildikó Raimondi) und die drei Rheintöchter (Simina Ivan, Ulrike Helzel und Alisa Kolosova) hat man an diesem Haus schon schlechter, allerdings auch schon besser gehört! Beeindruckend wie schon so oft: Die Herren-Abteilung des Wiener Staatsopernchores.

 Leider wirkt die Schluss-Videoprojektion des Finales immer aufgesetzter, je öfter man diese Inszenierung sieht. Erfreulich hingegen das wirklich Wagner-affine Publikum, das nach Erklingen des letzten Tones geduldig auf das Schließen des Vorhanges wartete und dann – beeindruckt von dem eben Gehörten – nicht sofort in lautes Jubelgebrüll ausbrach, sondern einige Augenblicke der Besinnung abwartete. Dann ging aber der Riesenbeifall los, der – was heutzutage schon wirklich selten ist – über 15 Minuten andauerte. Er hätte vielleicht sogar länger gedauert, wenn nicht schon nach kurzer Zeit das Zuschauerraumlicht angegangen wäre, offenbar waren Überstunden zu vermeiden! Und auch nach 40 Jahren regelmäßigem Staatsopernbesuch werden ich mich nie daran gewöhnen, dass der Orchestergraben nach dem ersten Vorhang für den Dirigenten blitzschnell geräumt wird, was diesmal zur eher peinlichen Situation führte, dass Jeffrey Tate nach seinem vierten Solovorhang auf den leeren Graben vor ihm zeigen musste. Aber egal, man konnte wieder einmal Richard Wagner in Reinkultur erleben und genießen, seien wir doch dankbar dafür.

Ernst Kopica

 

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