WIEN/Staatsoper 8. Juni 2014
DER RING DES NIBELUNGEN
Dritter Tag der Trilogie
GÖTTERDÄMMERUNG
15. Aufführung in dieser Inszenierung

Die unvergleichliche Nina Stemme, eine der großen Brünnhilden unserer Tage (Foto: Staatsoper Michael Pöhn)
Krönendes Finale mit einer Alle(s) überragenden Nina Stemme
NINA STEMME hat ganz offenbar gewusst, was sie tat, als sie die Brünnhilde in der Walküre am 31. Mai abgesagte: hatte sie sich im „Siegfried“ am 5. Juni 2014 noch etwas geschont, so sang sie in der „Götterdämmerung“ vom ersten bis zum letzten Ton unangestrengt und aus dem Vollen schöpfend. Wunderbar, wie ihre Stimme in allen Lagen trägt, wie sie die unzähligen Höhen auch im Forte strahlen lässt, dazu fesselnd in der Darstellung, mitreißend für alle Partner – kurz, es war eine überragende Leistung an einem besonderen Opernabend, zu Recht bekam sie mit dem ersten Schlussvorhang des Abends vom größten Teil des Publikums standing ovations.
Ausgezeichnet auch wieder Stephen Gould als Siegfried, dem nach einer bis dahin schon sehr, sehr guten Leistung der 3. Aufzug hinreißend gelang, bei seinem Monolog „Mime hieß ein mürrischer Zwerg“ saß wieder jeder Ton, als hätte Gould nicht schon davor stundenlang sängerische Schwerstarbeit geleistet, und glanzvoll auch das Ende mit „Brünnhilde – heilige Braut“.
Nach seinen Rollendebüts als Alberich in „Rheingold“ und „Siegfried“ erwartete man von Jochen Schmeckenbecher auch in der „Götterdämmerung“ eine überzeugende Leistung, und er enttäuschte die Erwartungen mit seinem edel timbrierten, sicheren und ausdrucksstarken Bariton nicht. Er hat das Publikum in allen Vorstellungen stark für sich eingenommen; leider wird er in Wien 2015 nach derzeitigem Stand in keiner einzigen Wagner-Partie zu hören sein.
Mit Attila Jun als seinem Sohn Hagen hatte Schmeckenbecher diesmal einen stimmlich harmonierenden Partner. Jun, der den Hagen in Wien bereits einmal 2011 gesungen hatte, war ein ausdrucksstarker, sicherer und auch bei hoher Lautstärke tragender Bass. Intensiv seine Rollengestaltung eines versteckten Sadisten, der das ahnungslose Geschwisterpaar Gunther (Markus Eiche) und Gutrune (Caroline Wenborne) gekonnt manipuliert. Eiche überzeugte als charakterschwacher ewiger Cunctator, er war stets präsent (auch wenn Gunthers Charakter gegenüber dem von Hagen und Siegfried zurücktritt), das Terzett mit Stemme und Jun zum Schluss des zweiten Aufzugs war absolut packend.
Sehr angetan war ich von Caroline Wenbornes Gutrune, die sie in Wien schon oft gesungen hat, und die ihr stimmlich wie darstellerisch besser liegt als die Freia. Seit 2007 mit immer größeren Aufgaben betraut, hat sich ihre Stimme kontinuierlich entwickeln können, in der Mittellage hört man einen wunderschönen, klaren, leicht metallischen (aber vibratofreien) Sopran; lediglich die dramatischen Höhen liegen ihr noch nicht. Besonders schön gelang ihre letzte Szene, in der sie den bereits ermordeten Siegfried erwartet, und sehr berührend die Versöhnung zwischen ihr und Brünnhilde, die sie umarmt, bevor sie zu den dunklen Gibichungen geht.
Waltraute des Abends war Janina Baechle, intensiv im Gesang, leider optisch beeinträchtigt durch ein Kostüm, das ihr überhaupt nicht stand, und das etwas von der sonst bei ihr stets vorhandenen starken Bühnenerscheinung nahm. Dennoch war es meines Erachtens ihr bester Auftritt in diesem Ring.
Von den drei Nornen (Zoryana Kushpler, Stephanie Houtzeel und Ildikó Raimondi), die eine packende Eröffnungsszene sangen, erklang die 2. Norn der Stephanie Houtzeel besonders schön; bei den Rheintöchtern Simina Ivan, Ulrike Helzel und Alisa Kolosova (ein wenig scharf zu Beginn im Terzett, dann aber durchaus lockend) ließ auch diesmal die Wellgunde von Ulrike Helzel aufhorchen.
Und natürlich sind es auch Orchester und Dirigent Jeffrey Tate, denen man auch für diese Vorstellung sehr dankbar sein muss: der Opernabend steht und fällt eben immer mit dem, was man aus dem Orchestergraben hört. Dass man den Orchesterklang auch konzentriert genießen konnte, ist in meinen Augen ein großes Verdienst dieser durchaus auch kritisierten Inszenierung: die Bühne lenkt niemals von der Musik ab, drängt sich nicht vor, und vor allem hat Bechtolf bei den rein orchestralen Teilen der Oper Wagners Anordnung, den Vorhang fallen zu lassen, respektiert. Keine flimmernde Videoprojektion, kein polternder Statistentrupp lenkt von Siegfrieds Rheinfahrt oder vom Trauermarsch ab, um in bildnerischer Hyperaktivität vorzugeben, was doch die Musik erzählt.
Wirkliche Begeisterung beim Publikum, für Solisten ebenso wie für Tate und das Staatsopernorchester – der Jubel war verdient.
Susanne Kosesnik-Wehrle