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WIEN Staatsoper Giuseppe Verdi OTELLO

14.02.2017 | KRITIKEN, Oper
OLGA BEZSMERTNA, die überragende Desdemona  Foto: Michael Pöhn

OLGA BEZSMERTNA, die überragende Desdemona Foto: Michael Pöhn

WIEN Staatsoper
Giuseppe Verdi OTELLO
13.Februar 2017
38.Aufführung in der Inszenierung von Christine Mielitz

 

Wie lange genießt man eigentlich den sogenannten Einspringerbonus? Sicherlich am ersten Abend, als der am Beginn dieser Serie –„spät abends in Schwechat“ – eingelangte Tenor auf die Bühne eilte. Da wäre es vermessen Behauptungen über seine Form oder sein Rollenverständnis aufzustellen. Also wird er gleich sicherheitshalber jeden Abend – so auch gestern, bei seinem dritten Anlauf – als „Einspringer“ per Zusatzzettel auf dem Abendplakat angeführt. Gilt jetzt auch am dritten Abend der „Artenschutz für einspringende Tenöre“ oder darf man jetzt schon mehr sagen über einen Otello, der eigentlich keiner ist?

Eigentlich schon, aber das klingt jetzt vielleicht unfair einem Sänger gegenüber, im konkreten Fall dem Otello der gestrigen Vorstellung und Retter der gesamten Serie, Herrn Kristian Benedikt aus Litauen, der sich gemäß Vita unseres Programmzettels von einem lyrischen Tenor in Vilnius „mittlerweile weltweit im dramatischen Fach etablieren“ konnte. (Wobei man „weltweit“ nicht allzu eng sehen kann, bezieht sich das doch auf Auftritte auf mittleren Bühnen in Australien und Kanada.) Dass die ehemals lyrische Stimme dabei zugunsten schwererer Ansprüche der dramatischen Rollen schartiger und kantiger geworden sein mag, liegt auf der Hand, dem steht aber kein Zuwachs an heldischem Aplomb, an metallischem Timbre gegenüber. Der Stimme fehlt es an Glanz und vor allem an Durchschlagskraft für das heldische Fach wie es der Rolle des eifersüchtigen Mohren Verdis anstünde – immerhin ist diese Partie die Paraderolle für einen italienischen Heldentenor – und für die vielfach notierten Pianostellen in der Partitur stehen dem Sänger nur zu wenig klingende Töne zur Verfügung.

Nein, er hat nichts verpatzt, er hat tapfer durchgehalten, vor allem vor der Pause, aber zu einem passablen Otello für Wien reichte es einfach (noch) nicht!

Die wahre Seele des gestrigen Abends war – wie so oft – Marco Armilliato, der die Philharmoniker zu einer dramatischen Darstellung des Geschehens zu animieren wusste, der auch ohne Rücksicht auf den Hauptrollensänger seine musikalischen Vorstellungen verwirklichte, ja man hatte den Eindruck, so manches nicht Gelungenes abdeckte. Umso mehr war er sorgsamster Begleiter des besonderen Atouts des Abends, Olga Bezsmertna, als ganz wunderbar klingende Desdemona, die den letzten Akt mit ihrer Arie und dem Gebet zu einem gesanglichen Erlebnis werden ließ.

Kristian Benedikt, der Otello der Serie mit seinem Gegenspieler Carlos Alvarez  Foto: M.Pöhn

Kristian Benedikt, der Otello der Serie mit seinem Gegenspieler Carlos Alvarez Foto: M.Pöhn

Und einen sehr guten Jago servierte uns gestern Carlos Álvarez, vorsichtig agierend in der Intrige, untertänig und schlau, nicht zu überschäumend im Triumph und mit allen nur denkbaren gesanglichen Schattierungen im wechselnden Umgang mit Cassio einerseits und dem Mohren andererseits.

Jinxu Xiahou ist zu einer erfreulichen Stütze im Wiener Ensemble geworden, sein Einsatz im lyrischen Fach, wie diesmal für den Cassio, reicht an große Vorbilder heran. Monika Bohinec wehrte sich hörbar vehement gegen den Raub des Taschentuchs durch ihren Gatten, Peter Jelosits als Rodrigo, Alexandru Moisiuc als Lodovico mit der Fleischhauerschürze, Orhan Yildiz als Montano und Hiro Ijichi als Herold ergänzten das Ensemble.

Die großen Aufgaben des Staatsopernchors unter der Leitung von Thomas Lang – gerade in diesem Werk – brauchen wohl nicht extra gelobt zu werden.

Auf Armilliato und besonders Bezsmertna konzentrierte sich der insgesamt sechs Minuten währende Applaus ganz besonders, einige Buhs hatte der Tenor ins Gepäck mitbekommen.

Peter Skorepa
MERKEROnline

 

 

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