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WIEN / Staatsoper Giuseppe Verdi AIDA

In der schwülen Hitze Ägyptens

20.06.2019 | KRITIKEN, Oper

Gregory KUNDE (Urgestein  Nr.1), Simone PIAZZOLA, Placido DOMINGO ) nur auf Besuch, Urgestein Nr.2),Elena GUSEVA, Ekaterina GUBANOVA, Marco ARMILIATO knieend, nach der Vorstellung.
(Foto Facebook Guseva)


WIEN / Staatsoper   Giuseppe Verdi AIDA

In der 121. Aufführung nach einer Regie von Nicolas Joel
Mittwoch, 19.Juni 2019    Von P.Skorepa – OnlineMerker

 

In der schwülen Hitze Ägyptens

 

Sonnengott Ra meint es momentan gut mit uns und fährt unter Tags ausgiebig über den Himmel. Wir werden allerdings bestraft, wenn wir in der Nacht seinen Namen aussprechen, denn da liegt er im Körper der Göttin Nut zur Ruh und da ist es ratsam, ihn – so wie im alten Ägypten es Brauch war – nur als „Majestät dieses Gottes“ anzureden. Verstöße werden auch heute noch streng geahndet – etwa mit Opernbesuchen bei schwüler Hitze, so wie an diesem Abend.
Schön, dass Göttin Nuts Tränen in der Zwischenzeit als Regen niedergingen, die Hitze etwas brachen und die Sicht auf ihre jede Nacht neu geborenen Kinder freigab: Die Gestirne.

Auch in der 121. Aufführung desillusioniert der glattpolierte, pseudoägyptische Ausstattungsplunder von Carlo Tommasi. Es ist ein leicht verfängliches Interieur zur Bildung von langweiligen Stehbildern, zu welchen Verdi sich in seinen großen Opern, zur Bombastik neigend, gerne zeigt. Erst mit der Auseinandersetzung der beiden verliebten Damen oder später, in der Nilszene, nehmen persönliche Schicksale auch ihren darstellerisch spannenderen Verlauf auf. Aber der Triumphakt scheint ja für jeden Betrachter eine verlorene Sache in einem normalen Theaterraum zu sein, wenn man den Spektakel auf der Riesenbühne in Verona einmal erlebt hat.

Marco Armiliato ist der geborene Dirigent für ein Haus wie unserer Staatsoper, der den mehr oder weniger müden und stumpfen „Regieperlen“ dieses Hauses musikalische Dramatik oder nach Bedarf auch schwelgerische Süße mit spontanem Erfolg zu entlocken vermag. Und womöglich sparsam mit gar keinen oder wenigen Proben, dazu hat er ja die wohl zu den routiniertesten Opernorchester der Welt zählenden Philharmoniker auch an diesem Abend unter sich.

Die Königstochter Amneris mit Ekaterina Gubanova war schon einmal bei uns zu Gast und wenn man den damaligen Kritiken glauben kann, hat sie an schönstimmiger Dramatik zugelegt und müsste nur ihre tieferen Lagen ihres Mezzos verbessern. Auch Amonasro hat mit Simone Piazzola seit dem letzten Mal an Dramatik und stimmlichem Ausdruck deutlich gewonnen, sein „Suo Padre“ und sein „Dei faraoni tu sei la schiava“ kommen obendrein schon als gut platzierte Ohrwürmer seines kräftigen und hellen Baritons im Publikum an. Und aus Jongmin Park ist ein verlässliches Ensemblemitglied auch für anspruchsvollere Partien geworden, seiner kräftigen „Bassröhre“ fehlt es allerdings noch an etwas breiterem Fundament.

Elena GUSEVA blumig Foto Facebook Guseva

Und nun zu den insgesamt fünf Rollendebüts, die für etwas festlichen Reiz im Umfeld der 150-Jahrfeier der Wiener Staatsoper sorgten:
Die heikle Rolle des Königs ist auch mit Peter Kellner etwas unterbesetzt, seinen belkantesken Phrasen fehlt die hörbare Autorität dieser Partie, kein Wunder, dass sich da Lukhanyo Moyake als Bote nur recht mickrig vor seinem Pharao verneigt und dann in die andere Richtung singt. Und Miriam Battistelli ist eine gute und sichere Bank aus dem Ensemble für stimmliche Leistungen, auch wenn es nur die kleine aber schöne Rolle der Priesterin zu singen gilt.

Elena Guseva, groß geworden im Nest des Stanislawski Theaters in Moskau fällt schon öfter daraus und wir kennen sie schon durch zwei Gastspielserien als Madama Butterfly, bei der ihr gezielt dramatisch eingesetzter Sopran eine packende Gestaltung der kleinen Japanerin bot. Auch ihre Aida ist stimmlich durch eindringlicher Präsenz und einnehmendem Klangvolumen sowie guten Höhen gekennzeichnet, aber ausgerechnet beim hohen „C“ in ihrer „Nilarie“ spielten ihre Nerven nicht mit. Und mit Gregory Kunde steht ein Urgestein des Belkanto da vor uns, schon mitten im siebenten Lebensjahrzent stehend, stellt er noch seinen Mann in einer quasi zweiten Karriere als lyrisch-dramatischer Tenor. Seine Stärken sind die großen dramatischen Ausbrüche mit seinem stentorhaften Tenor, für das Auskosten feiner Lyrismen fordert die Länge seiner Karriere bereits ihren Tribut, nicht jeder Registerwechsel oder jede Pianophrase gelingen, aber man hört auch dem „Schwanengesang“ dieses Künstlers gerne zu.

Etwa sechs Minuten Applaus, dann enteilten alle ins Kühle.

Peter Skorepa
OnlineMerker

 

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