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WIEN/ Staatsoper: FIDELIO oder „Die Angst des Tenors vor dem Stimmverlust…“

09.10.2012 | KRITIKEN, Oper

FIDELIO ODER DIE ANGST DES TENORS VOR DEM STIMMVERLUST…(8.Oktober 2012)

In der Pause dominierte noch große Zufriedenheit. Peter Schneider am Pult verbreitete mit den Japan-geschwächten Rest-Philharmonikern geradezu Lortzing-hafte Frühromantik, Ricarda Merbeth meisterte souverän alle Hürden der Leonore – vor allem in der großen Arie. Lars Woldt war ein köstlicher Rocco voll Mutterwitz, die aus Moldawien stammende Valentina Nafornita wirkte als Marzelline etwas zu schüchtern, entschädigte aber durch vokalen Wohlklang, der österreichische Charaktertenor Norbert Ernst verkörperte einen pointierten „drolligen“ Jaquino und nur Albert Dohmen war ein allzu routinierter „Bösewicht vom Dienst“ mit Einheits-Ausdruck und wenig musikalischer Differenzierung.

Nach der Pause folgte jedoch die Enttäuschung auf dem Fuße: der deutsche Heldentenor Endrik Wottrich forcierte die große Arie auf „Teufel komm raus“ und begann dann erfolglos gegen eine beginnende Indisposition anzukämpfen. Schon beim „Euch werde Lohn in besseren Welten“ merkte man, dass die Mittellage des Bayreuther Sängers angeschlagen war. Im großen Duett klang es noch wie ein Text-Ausstieg und im Finale passierte es dann: die Mittellage versagte vollends, die Stimme überschlug sich und kippte. Als Zuschauer litt man jedenfalls mit, als stünde man selbst auf der Bühne. Irgendwie gelang es dem angeschlagenen Florestan dann doch, über die Runden zu kommen. Die finale Jubelstimmung der Beethoven-Oper mit dem engagierten Staatsopern-Chor (Leitung Thomas Lang) übertrug sich jedoch nicht mehr auf das Publikum. War es das nahende Tenor-Unglück – oder wirkte auch Ricarda Merbeth im Kerker-Akt etwas überfordert. Ein gewisses Tremolo in der hohen Mittellage war unüberhörbar. Ansonsten muss man der deutschen Sopranistin zubilligen, dass sie die Leonore vokal souverän bewältigt. Eine charismatische Ausdruckskünstlerin wird aus ihr ohnedies nicht mehr werden.

Bleibt noch zu erwähnen, dass Markus Eiche ein souveräner, sympathischer Don Fernando war und dass man mit Dritan Luca einen Ersten Gefangenen mit einer besonders schönen Stimme bei seinem kurzen Arioso im Gefangenenchor kennengelernt hatte. Der über 40jährigen Inszenierung von Otto Schenk (Ausstattung Günther Schneider-Siemssen) sieht man ihr Alter leider schon an – so kann man Oper einem jüngeren Publikum wohl wirklich nicht mehr präsentieren. Erst recht, wenn der Tenor seine Stimme verliert…

Jedenfalls brandete nur einmal wirklich große Begeisterung auf – nach der 3.Leonoren-Ouvertüre, in der Peter Schneider seine hohe Qualität unter Beweis stellte – und fern von allen Indispositionen agieren konnte.

Peter Dusek

 

 

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