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WIEN/ Staatsoper: Ensemblemitglieder singen Ausschnitte aus Werken von Verdi und Puccini. „CHE GELIDA MANINA“ –

25.06.2020 | Konzert/Liederabende, Oper


Valentina Nafornita. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Wiener Staatsoper, 24.6.2020: „CHE GELIDA MANINA“ –

Ensemblemitglieder singen Ausschnitte aus Werken von Verdi und Puccini

 Wenn man unser Opernhaus wieder so verlassen und einsam erblickt – das Betreten ist natürlich nur mit obligater Maske erlaubt – mischt sich neben der Vorfreude auf italienische Musik der Genies Verdi und Puccini erneut eine bedrückende Stimmung. Das Ensemble zeigt sich trotz der spärlichen  Zuseher von seiner besten Seite, sodass man traurig wird, von den 15 SängerInnen, die den Abend gestalten, in der nächsten Saison nur mehr 3 am Haus am Ring erleben zu dürfen: Monika Bohinec, Szilvia Vörös und Clemens Unterreiner.

Am Beginn des Konzert-Abends beweint Lukhanyo Moyake als Macduff den Mord an Frau und Kindern durch den Tyrannen Macbeth in „O figli miei“. Der Süd-Afrikaner war bisher nur als Malcolm in dieser Operzu erleben und singt mit kräftiger, intensiver Tenorstimme diese große Arie.

Danach kommt der große Belcanto-Meister Jongmin Park auf die Bühne und zeigt mit „Ella giammai m´amò“ aus Don Carlo, dass er einer der führenden Bässe weltweit geworden ist. Bei der Interpretation Philipps II, dem mächtigsten Herrscher des 16. Jahrhunderts, fehlen dem Süd-Koreaner nur einige Jahrzehnte an Alter und die besungenen weißen Haare. Der Blick des spanischen Königs nach innen mit den ungelösten Problemen mit Gattin, Sohn und seiner Einsamkeit gelingt in Klangschönheit, mit kräftigen Emotionen und zarten piani, wenn er von Schlaflosigkeit, den Gräbern im Escurial und seinem Lebensabend ohne die Liebe seiner Frau singt. Mit langgezogenen Schluss-Ton endet der hervorragende Vortrag und auch die Pianistin klatscht.

In schönem, weinrotem Kleid folgt Szilvia Vörös als Prinzessin Eboli mit „O don fatale“. Die Ungarin hat bereits als Anna an der Seite von DiDonato in „Les Troyens“ mit ihrer wunderschönen Stimme begeisternd können. Nun strömt ihr kraftvoller Mezzo, attackiert oft in hohen Lagen und fließt mit viel Gefühl, wenn sie in „Don Carlo“ von ihrer Königin schwärmt. In Interviews träumt die sympathische Sängerin von den großen Verdi-Partien und so freue ich mich schon sehr auf ihre Fenena in Nabucco im Jänner 2021 und die Weiterentwicklung der verheißungsvollen Stimme.

Nachdem Samuel Hasselhorn bereits beim Konzert in der Staatsoper am 16.6. als Marquis Rodrigue dessen Abschieds-Arie auf französisch gesungen hat, ist er nun mit diesem Stück auch in der italienischen Version „O Carlo, ascolta“ zu hören. Leider nicht ganz so souverän wie zuvor, aber durchaus mit angenehmer Stimmführung.

Eine staatsopernreife Leistung erleben wir mit dem Quartett „Un dì, se ben rammentomi“ aus Rigoletto. Während Andrea Carroll bereits im Mai 2019 als sehr gute Gilda mit glasklaren, hellen Koloraturen und beweglicher Stimme zu hören war, ist es für Zoryana Kushpler, Clemens Unterreiner und Jinxu Xiahou ein Hausdebüt in ihren Rollen als Maddalena, Rigoletto und dem Herzog von Mantua. Der Chinese als Wüstling oder Draufgänger ist vom Aussehen nicht sehr glaubwürdig, aber stimmlich überzeugt er auf jeden Fall mit verführerischem Schmelz und schön geführter Höhe. Noch nie habe ich jemals einen so jungen, attraktiven Hofnarren gesehen wie Clemens Unterreiner, aber wenn der österreichische Bariton böse oder wütend blickt, wirkt er – wie immer sehr spielfreudig – wie der ideale, rachsüchtige Vater.

Weiter geht es mit Ryan Speedo Green mit „O patria…O tu, Palermo“ als Giovanni da Procida aus dem 2. Akt von „I vespri siciliani“, welche seit September 2012 nicht mehr auf dem Spielplan der Staatsoper gestanden ist. Mit voluminöser Bass-Stimme freut sich der US-Amerikaner in der Arie über die Rückkehr in die Heimat nach langer Verbannung und gibt dem Bühnen-Boden kniend einen innigen Handkuss. Die höheren Töne gelingen gut, nur beim Hinaufsingen sind kleine Unsicherheiten unüberhörbar.

Die letzte Oper von Giuseppe Verdi war „Falstaff“ und dieses Stück beschließt auch die Ausschnitte des großen Komponisten bei diesem Konzert. Zuerst bringt Pavel Kolgatin die Romanze „Dal labbro il canto estasiato vola“. Der russische, junge Tenor besitzt eine leichte, lyrische Stimme, der meiner Meinung nach nur etwas mehr Wiedererkennungswert und samtigere Klangfarbe fehlt. Dem Schluss-Teil „bacca baciata non perde ventura – einem geküssten Mund lacht das Glück“ ist nichts hinzuzufügen. Danach verzaubert Hila Fahima mit „Sul fil d´un soffio“, welches sie auch schon 10x als entzückende Nannetta in der David McVicar – Inszenierung dem Wiener Publikum dargebracht hat. Die Sopranistin lächelt liebevoll während der Arie und kann ein junges, süßes, verliebtes Mädchen optimal darstellen.

Erneut als großen Liebhaber mit schön geschwungenen Legato-Bögen, wohlklingendem Timbre und Höhensicherheit gibt sich Jinxu Xiahou als Rodolfo mit „Che gelida manina“ aus „La Bohème“. Während er schon 8x in Wien den Dichter spielte, zuletzt im Oktober 2019, verliebt sich nun eine neue Lucia in der Künstler-WG: Valeriia Savinskaia antwortet mit schüchternem Blick ihr „Si, mi chiamano Mimì“. Die weiche, hohe Stimme der blutjungen Russin, die in Wien (laut Savinskaia „dem Herz der Musik“) am Konservatorium studierte, liegt für diese Rolle ideal und mit zarten piani und pianissimi kann sie eindrucksvoll berühren. Begeisterte „Brava-Rufe“ folgen und auf die künftige Karriere darf man gespannt sein.

Ebenfalls in Wien studiert hat Monika Bohinec, die seit 2011 zum Ensemble gehört und schon unzählige Hexen-Partien dargestellt hat. Besonders gut ist sie mir als kurzfristig eingesprungene Cassandre in „Les Troyens“ in allerbester Erinnerung. Ihren Beitrag „Acerba voluttà“ als Fürstin Bouillon aus „Adriana Lecouvreur“ gestaltet die slowenische Mezzo-Sopranistin mit gehaltvoller Tiefe und auch klar klingenden hohen Tönen. Begleitet von außergewöhnlich-schnellhändig gespielter Klavierbegleitung könnte die besungene Ungeduld noch etwas intensiver wirken, aber die Darbietung gelingt sonst tadellos.

Valentina Nafornita besingt „Chi il bel sogno“ aus „La rondine“ in einem aufregend geschlitzten, silber-farbenden Kleid mit freiem Rücken.

Als Schluss träumen Ping, Pang und Pong aus „Turandot“ mit offenen Augen von der Rückkehr zu Häusern an blauen Teichen in Honan, schattigen Wäldern bei Tsiang und schönen Gärten nahe bei Kiu. Das unglückliche Trio Samuel Hasselhorn, Leonardo Navarro und – zum drittenmal bei dieser Veranstaltung – Jinxu Xiahou gestaltet in „Ho una casa“ die Textstelle „Addio, amore, addio, razza, addio, stirpe divina“ kurzerhand zum Abschiednehmen ihrer herausgezogenen Masken mit „Addio, maschera“ um und erntet dadurch die gewünschte Erheiterung beim dankbaren Publikum.

Als einzige instrumentale Begleitung der SängerInnen steht wieder ein Bösendorfer Flügel auf der Bühne und Liusella Germano, seit 2012 Solokorrepetitorin an der Wiener Staatsoper, zeigt erneut, welche hohe Qualität an musikalischen Repetitoren in diesem Haus herrscht. Diese PianistInnen helfen beim Einstudieren, Proben, neu lernen von Rollen des gesamten Repertoire–Betriebs und geben korrigierende musikalische Hinweise. Die Klavierspielerin aus Turin gestaltet den Abend souverän und kongenial mit. Die begeisterten Gäste danken mit langem Applaus.

Susanne Lukas

 

 

 

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