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WIEN / Staatsoper: ELEKTRA

20.06.2017 | KRITIKEN, Oper
Nina Stemme und Alen Held    Foto Pöhn

Nina Stemme und Alen Held      Foto Pöhn

Wiener Staatsoper
Richard Strauss ELEKTRA
19. Juni 2017
11. Aufführung in dieser Inszenierung

 Mit dem Paternoster zur Ehrung Klytämnestras

Keine Frage, der Fluch über die Atriden hat seine Wirkung auch an der Wiener Staatsoper gezeigt: Der Abstieg von den beinahe schon klassischen Höhen eines Wieland Wagners, die der Winkelmannschen vielzitierten stillen Einfalt und edlen Größe noch am nächsten kamen, über Harry Kupfers schon ruinösem Riesendenkmal des Agamemnon in den nun mit Brausebad und Paternoster ausgestatteten Kohlenkeller, der ist ja wirklich signifikant für die heutige Herangehensweise an die Opernklassiker, wie diesen, der mit dieser Inszenierung einer “Neudeutung” unterzogen wurde, auf die diese Welt absolut nicht gewartet hatte. Und mit jeder Wiederaufnahme wird die Trauer um die jeweilige Vorgängerinszenierug nur noch größer, eine Trauerarbeit, die in dieser Direktionsära schon bei vielen Neuauflagen gang und gäbe wurde.

Nein, neue Emanationen gebar diese Kellerinszenierung in den Bildern von Rolf Glittenberg und den Kostümen von Marianne  Glittenberg von Anfang an und auch bei dieser Wiederaufnahme nicht. Am ehesten – so kann gesagt werden – bot diese schlecht ausgeleuchtete und an die Unterwelt gemahnende Szenerie den zu dieser blutigen Familiengeschichte passenden Rahmen, in welchem letztlich die Musik von Richard Strauss trotzdem ihre Wirkung erkämpfen konnte.

Wenig passend sind jene kleingeistigen Regie-Accessoires wie das Brausebad der Nackten am Beginn oder wie etwa dieser Paternoster, ein Umlaufaufzug, an dessen Fahrplan die ganze Konfusität der kaum vorhandenen Personenregie beispielhaft abzulesen ist. Dass dieser Aufzug letztlich als ein Show-Element für den Blutrausch dient und die massakrierten Opfer der Rache vorgeführt werden, steht für die blutrünstge Familiengeschichte der Atriden, in der man kaum Gutmenschen antrifft. Aber dieses zu viel an Grottenbahneffekt bringt den Abend um seine Wirkung. Auch die während des Schlussgesanges der Elektra herbeizitierte Volkstanzgruppe lädt bestenfalls zum Schmunzeln ein, zwischen Ihr verliert sich Elektra zu einem heimlichen Abgang.

Seitlich natürlich, denn Uwe Eric Laufenberg gönnt ihr nicht den Aufstieg mit dem Paternoster. Dafür sieht man die von Orest zitierten “Hunde am Hof”, die den Kohlenhaufen mit der diesen Tieren eigenen Aufdringlichkeit beschnüffeln.

Was das szenische Leading Team an Spannung verweigerte, das konnte der musikalische Teil einlösen. Welch herrliche Elektra ist doch Nina Stemme an perfekter Ausformung und Wortdeutlichkeit, an strahlendem Leuchten, an kontrollierter Tonfülle. Damit ist sie jenem Olymp der Sängerinnen nahe, die – wie etwa eine Birgit Nilsson – beinahe schon in einem anderen Universum sangen. Wer beide gehört hat, kann wohl bestätigen, dass der Gesang der Stemme in seinem zu erahnenden inneren Lodern und seiner Menschlichkeit und Wärme jedoch mehr einnimmt, als es einst der so absolut perfekte und unüberbietbare stimmliche Klang der früheren Schwedischen Primadonna je konnte. Das nur als ein Vergleich – über Jahrzehnte hinweg gezogen – zwischen leuchtendem Feuer und kaltem Schwedenstahl.

Waltraud Meier im Fahrstuhl zum Ehrenmitglied  Foto Pöhn

Waltraud Meier im Fahrstuhl zur Ehrenmitglied-schaft    Foto Pöhn

Ein spätes Rollendebüt in Wien gönnte sich Waltraud Meier mit der Klytämnestra, dramatische Ausbrüche im Höhenregister standen viele, in den philharmonischen Klangmassen untergehende Textbereiche gegenüber, die eigentlich einem dramatischen Alt zugemessen sind. Zum Rollendebüt fehlten daher etwas die Anteile des alten, kranken und schuldbeladenen “sacre monster” der Atriden-Story. Sie wirkte eher wie eine von Klimt gestylte Variante der Adele Bloch-Bauer, die schnell mal von der Party im Obergeschoß in den Keller für eine Zigarette vorbeischaut. Zu schön und elegant um wahr zu sein. Ein sehr heutiges Rollenbild aber nicht im Sinne eines Hofmannsthal und eines Strauss.

Regine Hangler hingegen war ein gelungenes Abbild einer hysterischen Chrysothemis, die ihre krankhaft ausbrechenden heftigen Sehnsüchte nach einem “Weiberschicksal”, der Sehnsucht nach Ausbruch aus dem Gefängnis ihrer Familie glaubhaft – auch gesanglich – zum Ausdruck brachte.

 

Für ein weiters Rollendebut in Mykene sorgte als Orest der Amerikaner Alan Held. Ein Lackel von einem Mann mit einem sonoren, vollen Bariton, der auch rührend und zärtlich mit seiner geschundenen Schwester umzugehen weiß, der glaubhaft diese “Liebesszene” einer Geschwisterliebe in der Wiedererkennung zusammen mit Nina Stemme spielte und sang, bevor er an sein Rachewerk ging. Die einzige Szene, die vom Regisseur emphatisch gestaltet wurde. Und Herbert Lipperts Aegisth wehrte sich vergeblich mit tenoralem Widerstand, er mußte vor die Hunde gehen, jeder gönnte es ihm.

Von den anderen insgesamt siebzehn Rollen seien die Debüts genannt, Dan Paul Dumitrescu als sonorer Alter Diener, Zoryana Kushpler als verläßliche Schleppträgerin und die Vierte Magd mit dem jüngsten Esemblemitglied Lauren Michelle, eine Sängerin mit guter Diktion und positiv auffallendem Stimmeinsatz als Vierte Magd.

Ein Pauschallob natürlich den anderen Mitgliedern des Ensembles und dem Chor.

Michael Boder setzte vom ersten Akkord an auf straffe Tempi und brachte die Atridenwelt zum Kochen, kaum glaublich, welche Lautstärke ein – wenn auch so großes – Straussorchester zu spielen in Stande ist. Es zeigte auch beim Schlußapplaus seine Wirkung, das ausverkaufte Haus schien hörbar beeindruckt.

  Zum Abschluß die große Ehrung für Waltraud Meier

Wann sah man schon so eine fesche Klythemnestra wie Waltraud Mayer?

Wann sah man schon so eine fesche Klythämnestra wie Waltraud Meier? Foto Pöhn

 Im Anschluss an die Aufführung wurde der Jubilarin des Tages – 30 Jahre an der Wiener Staatsoper – die Ernennung zum

Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper

durch den Direktor der Wiener Staatsoper, Dominique Meyer, und dem Geschäftsführer der Bundestheater-Holding, Mag. Christian Kircher, zuteil.

Direktor Meyer würdigte die vielen Verdienste der Kammersängerin Waltraud Meier, und Mag. Kircher kramte in schönen Erinnerungen, ehe er Urkunde und Ehrenring überreichte.

Peter Skorepa
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