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WIEN/ Staatsoper: ELEKTRA

26.06.2012 | KRITIKEN, Oper

WIEN/ Staatsoper: ELEKTRA am 25.6. 2012

Elektra – bestimmt keine Einsteigeroper für Neulinge sondern ein Werk, das man sich auch als Zuhörer redlich erarbeiten muss. Der Aufwand lohnt sich allerdings tausendfach und wird mit aussergewöhnlich intensiven Theatererlebnissen belohnt, wenn alle nötigen Voraussetzungen für die perfekte Darbietung erfüllt werden. Die schon oftmals interpretierte, starke Geschichte aus der griechischen Mythologie in der Bearbeitung von Hugo von Hofmannsthal mit der genialen, bis zur fast schmerzenden, eindringlichen Musik von Richard Strauss stellt extrem hohe Anforderungen an alle Ausführenden; Anforderungen, die bei dieser Serie hervorragend erfüllt werden. Die nun auch nicht mehr so neue Inszenierung von Harry Kupfer beweist, dass man mit Sachverstand und gekonnter Personenführung auch auf einer fast leeren Bühne eine komplexe Geschichte schlüssig erzählen kann – wenn man kann.

Die Wiener Philharmoniker in prominenter Besetzung stellen ihre Ausnahmeposition in der Strauss-Interpretation eindrucksvoll unter Beweis. Dies gelingt nicht zuletzt dank der kompetenten, temperamentvollen und einfühlsamen Arbeit von Simone Young, einer Strauss-Dirigentin der absoluten Spitzenklasse. Bei ihrer eindrucksvollen Körpersprache hat man auch als interessierter Laie den Eindruck, jedes Handzeichen, jeden Fingerzeig und jede Geste zu verstehen und bekommt – quasi zur Bestätigung – die Reaktion aus dem Orchester; eine spannende Zusatzvorstellung in der Vorstellung! Hervorragend gelingt auch die Verschmelzung der Stimmen mit dem Orchester; die Sänger übertönen das Orchester nicht und werden auch nicht zugedeckt sondern funktionieren als menschliche Instrumente im Dienste des perfekten Gesamtklanges.

Es wäre schön, wenn Simone Young nach ihrer nicht mehr ganz friktionsfreien Intendanz in Hamburg mehr Zeit und Lust für solche Abende in Wien hätte – wenn wir den Applaus richtig deuten, wird sie bei uns nicht nur geschätzt, sondern bereits geliebt!

Geliebt wird auch Agnes Baltsa als Klytämnestra. Ihre Darstellung der grausamen, blutrünstigen Königin ist überzeugend und eindrucksvoll, trotzdem würden wir uns – nach fünfjährigem Baltsa-Monopol – wieder einmal eine „singende“ Klytämnestra wünschen.

Gesanglich blieben bei der Elektra von Linda Watson keine Wünsche offen. Nachdem sie uns im letzten „Ring“ eine hervorragende Brünnhilde geboten hat konnte man ihrer ersten Elektra in Wien zuversichtlich entgegensehen und wurde nicht enttäuscht. Die stimmliche Ausdrucksfähigkeit reicht von verzweifelter Einsamkeit über Besessenheit, Zynismus, Geschwisterliebe und triumphaler Freude und ist dank ihrer großen Stimme mit klingendem Piano und mächtigem Forte ein Erlebnis: Eine schillernde Frauengestalt – dargestellt von einer überzeugenden Künstlerin.

Der Gegensatz zwischen der rachebesessenen Elektra und ihrer lebensbejahenden Schwester Chrysothemis könnte größer nicht sein und wird dank der klugen Besetzung sehr gut zur Geltung gebracht. Anne Schwanewilms hat alle Voraussetzungen für diese fröhliche, etwas opportunistische Figur und passt stimmlich – gerade, warm timbriert und schönstimmig – gut zu ihrer dominanten Schwester, ohne darstellerisch abzufallen. Albert Dohmen ist derzeit hörbar in einer sehr guten Verfassung und hat daher mit der relativ kleinen Rolle des Orest keinerlei Probleme, Herbert Lippert singt und spielt den Aegisth gut und überzeugend.

Die Besetzung des Palastpersonals mit den Damen Simina Ivan, Aura Twarowska, Donna Ellen, Monika Bohinec, Stephanie Houtzeel, Elisabeta Marin und Christina Carvin sowie den Herren Janusz Monarcha, Benedikt Kobel und Marcus Pelz ist gut bis luxuriös – wieder einmal ein Kompliment an das Solistenensemble der Wiener Staatsoper.

Bei solch amitionierter, gekonnter Interpretation muss uns auch in Zukunft um die hervorragende „Strauss-Kompetenz“ nicht bange sein.

Es ist ein ganz besonderes Vergnügen, in Wien Strauss zu erleben!

Maria und Johann Jahnas

 

 

 

 

 

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