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WIEN/ Staatsoper: DON GIOVANNI . Derniere dieser Aufführungsserie

WIEN / Staatsoper: „DON GIOVANNI“ – 06.02.2023 –

Dernière dieser Aufführungsserie

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Kyle Ketelsen, Isabel Signoret. Foto: Michael Pöhn/ Wiener Staatsoper

 Mozarts „Don Giovanni“ zählte bis vor Kurzem zu jenen Opern, die an der Wiener Staatsoper immer ausverkauft gelaufen sind, egal wie gut (oder wie schlecht) die Besetzung war. Für die letzte Aufführung in dieser Aufführungsserie waren noch wenige Tage davor beinahe alle Parkettkarten unverkauft. Aber nicht einmal mit Unmengen von Regiekarten, Karten für Kurzentschlossene und U27-Karten hat die Staatsoper das Haus voll bekommen. Man sollte vielleicht einmal darüber nachdenken, woran das liegen mag. Möglicherweise ist die Ursache die Neuproduktion von Barrie Kosky, obwohl diese gar nicht zu den schlimmsten Neuinszenierungen der letzten Zeit zählt.

Das Bühnenbild im 1. Akt mit der kargen, grauen Felsenlandschaft, unterbrochen nur in einer Szene mit einer bunten Blumenwiese, und im 2. Akt mit dem versteinerten Baum und dann an einem Wasserloch eignet sich nicht wirklich für einen glaubhaften Ablauf der Handlung.  Sei‘s drum, diese Inszenierung wird ohnehin keine lange Lebensdauer haben, denn sie ist so auf zwei Sänger zugeschnitten, dass eine Umbesetzung kaum möglich sein wird, denn diese Produktion lebt einzig und allein von dem Duo Kyle Ketelsen – Philippe Sly.

Diese beiden großartigen Singschauspieler geben nicht erst seit der Premiere dieser Produktion ein tolles Duo ab. Ich habe die beiden bereits 2018 an der Opéra de Lyon in „Don Giovanni“ erlebt – allerdings damals mit vertauschten Rollen (also Philippe Sly als Don Giovanni und Kyle Ketelsen als Leporello) – in einer interessanten Inszenierung des ungarischen Regisseurs David Marton, der übrigens demnächst im MusikTheater an der Wien im Museumsquartier Webers „Freischütz“ inszenieren wird. (Meinen Bericht über diese “Don Giovanni“-Aufführung in Lyon kann man hier nachlesen:

https://onlinemerker.com/lyon-opera-de-lyon-don-giovanni-neuinszenierung/ ).

In Wien sind nun Kyle Ketelsen als Don Giovanni und Philippe Sly als Leporello zu erleben. Don Giovanni darf bei Barrie Kosky kein charmanter Verführer sein, er ist ein energiegeladener, aber unsympathischer, brutaler und egoistischer Macho, der allerdings die Frauen mit seinem perfekt trainierten Waschbrettbauch beeindruckt. Und Leporello ist hier der temperamentvolle, kleine Bruder von Don Giovanni. Beide albern herum und rauchen auch mal einen Joint zusammen. Endlich einmal gelingt der Rollentausch im 2 Akt glaubhaft. Auch Leporello kann sich mit nacktem Oberkörper sehen lassen. Beide besitzen eher dunkel timbrierte Bassbariton-Stimmen und beeindrucken mehr durch vokale Expressivität denn durch Schöngesang.

Von der Premierenbesetzung sind nur noch Ain Anger als bedrohlich orgelnder Komtur und die überaus intensive Kate Lindsey übriggeblieben. Sie überzeugt als Donna Elvira, obwohl sie stimmlich an ihre Grenzen gerät. Aber ihre Arie „Mi tradi“ (und das vorangegangene Rezitativ) war vielleicht der musikalische Höhepunkt des Abends. Mit seinem hellen Timbre und schöner Phrasierung beeindruckte Dmitry Korchak als Don Ottavio.

Für die erkrankte Slávka Zámečníková sprang an diesem Abend Jacquelyn Wagner als Donna Anna ein und gab damit ihr unerwartetes und möglicherweise vorgezogenes Staatsoperndebüt. Was für ein Glück für die Wiener Staatsoper, dass die amerikanische Sopranistin diese Partie eben erst unter Riccardo Muti am Teatro Regio in Turin gesungen hat. Sie fügte sich problemlos in die Inszenierung von Barrie Kosky ein und beeindruckte vor allem mit schlanker Stimmführung und sicheren Koloraturen. Allerdings bestätigte sich der Eindruck, den ich bereits bei ihrer Elsa (Salzburger Landestheater 2019 und Salzburger Osterfestspiele 2022) und ihrer Marschallin (Volksoper Wien 2021) gewonnen hatte: ihre Stimme ist nicht sehr groß. Aber auf ihre Agathe im „Freischütz“, die sie demnächst in der bevorstehenden „Freischütz“-Produktion des MusikTheaters an der Wien im Museumsquartier singen wird, kann man sich jetzt schon freuen.

Isabel Signoret (als bezaubernde Zerlina mit dunklem Timbre) und Martin Häßler (als Masetto) sowie eine kleine Formation des Chors der Wiener Staatsoper komplettierten die Besetzung.

Wenig beeindruckend war das Dirigat von Antonello Manacorda am Pult des sauber spielenden Orchesters der Wiener Staatsoper. Vor allem seine langsamen Tempi waren nicht jedermanns Sache. In der sogenannten Champagnerarie reichte es Kyle Ketelsen und er gab „sein“ Tempo vor. Und der Dirigent musste mit dem Orchester hinter dem Sänger herlaufen. Wenn ich daran denke, wie „Don Giovanni“ 2014 im Theater an der Wien unter Nikolaus Harnoncourt geklungen hat… Auf einen Mozart-Dirigenten dieses Kalibers müssen wir wohl noch länger warten.

Walter Nowotny

 

 

 

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