WIEN/STAATSOPER: DON GIOVANNI am 2.März 2013
M. Martinotys Produktion der „Oper aller Opern“ ist zwar nicht so eklatant misslungen wie sein Figaro, aber bei jedem Besuch wünscht man sich doch eine etwas geistvollere Neuinszenierung in ansehnlicherem Ambiente. Die Bühnenbilder mit ihren Projektionen wirken billig, das wackelnde Gerippe und die Rutschbahn in die Hölle sind lächerlich und die meist sehr unvorteilhaften Kostüme sehen, um es auf gut Wienerisch auszudrücken, furchtbar patschert aus, fast so als hätte sie Mme. Glittenberg entworfen. Wenigstens wurde bereits der sinnlose Gipsarm des Komturs eliminiert und Donna Annas Handschellen wurden durch ein biegsameres Modell ersetzt, aber noch immer bevölkern zahlreiche überflüssige Statisten die Bühne, vor allem Kammerzofen mit Häubchen und Schürzchen, mit und ohne Koffer. Ich würde gerne auf sie alle verzichten, in erster Linie auf den Mönch in langen Unterhosen.
In diesem unschönen Rahmen konnte man wenigstens zwei herausragende Leistungen junger Sänger bewundern: Marina Rebeka war eine ganz ausgezeichnete Donna Anna, die beste mir bekannte Vertreterin dieser seit der Première meist besonders stiefmütterlich besetzten Rolle. Neben tadellosem Gesang zeigte die lettische Künstlerin auch beachtliche schauspielerische Fähigkeiten, vor allem in der heiklen ersten Szene Annas. Die Sängerin Ljuba Welitsch sagte mir einmal, nichts sei schwieriger darzustellen als dieser Auftritt: Man müsse die Tochter des Komturs einerseits als rächende Verfolgerin, andererseits als von Giovanni zutiefst Faszinierte zeigen. Marina Rebeka gelang dieses Kunststück und das trotz des Einsatzes von Handschellen, die Annas Bindung an den Verführer auf plumpe Weise verdeutlichen sollten.
Als glaubhafter Verführer präsentierte sich Ildar Abdrazakov: Blendende Erscheinung und bühnenbeherrschende Ausstrahlung, große darstellerische Fähigkeiten, eine gut sitzende, wunderschön timbrierte Stimme von größter Beweglichkeit, Stilsicherheit, perfektes Legato und vollendeter musikalischer Ausdruck zeichnen diesem Künstler aus und es ist durchaus nicht verwunderlich, dass er Riccardo Mutis Lieblingsbassist ist .
Erwin Schrott gab den Leporello mit einer Fülle von Späßchen, auf die er sich mehr konzentrierte als auf den Gesang. Ich habe schon wesentlich Eindrucksvolleres von ihm gehört, er schien sich selbst aber am besten zu unterhalten.
Donna Elvira ist nicht Véronique Gens´ beste Rolle, als Alceste hat sie mich wesentlich mehr überzeugt. Sie verkörperte die verlassene Elvira mit tragischem Pathos und vernachlässigte die komischen Züge der Partie -schließlich ist Don Giovanni ein dramma giocoso. Auch stimmliche Mängel, vor allem fehlende Koloratursicherheit waren festzustellen.
Nichts Gutes kann ich leider von Toby Spence als Don Ottavio berichten: Seine an und für sich hübsche helle Stimme ohne spezifisches Timbre brach ihm in beiden Arien und von einer ausdrucksmäßigen Differenzierung der leidenschaftlichen ersten und kämpferischen zweiten Arie konnte angesichts dieser technischen Defizite keine Rede sein. War Nervosität, war Indisposition im Spiel ?
Schlimm stand es auch um das Buffo-Paar: Als Zerlina war leider Sylvia Schwartz angesetzt. Sie ist fülliger geworden, ihre Stimme aber keineswegs resonanzreicher. Nach wie vor singt sie viel zu leise mit schrillen und spitzen Tönen. Im Spiel ist sie extrem altmodisch: So neckisch trippelnd und über die Bühne pirouettierend sah man Soubretten zuletzt vor Jahrzehnten.
Tae-Joong Yang schnitt als Masetto furchterregende Grimassen, und beherrscht nicht einmal die Elemente der Schauspielkunst. Gesanglich war er erträglicher als in anderen Partien.
Louis Langrée ist einer von den talentierteren soignierten älteren Herren, die Monsieur le directeur als Dirigenten an unsere Staatsoper verpflichtet hat. Er leitete die Vorstellung, die freilich recht ungeprobt wirkte, mit Routine. Ich würde mir eine Aufführung des Giovanni von einem Originalklang- ensemble unter der Leitung von Marc Minkowski wünschen.
Der Applaus des ausverkauften Hauses mit dicht besetzten Stehplätzen konzentrierte sich auf Marina Rebeka, Ildar Abdrazakov und auch auf Erwin Schrott.
Dr. Georg Freund