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WIEN/ Staatsoper: DON CARLO – letzte Vorstellung der Serie

20.10.2013 | KRITIKEN, Oper

Giuseppe Verdi: DON CARLO Wiener Staatsoper – 19. Oktober 2013

 Die Premiere der neuen Inszenierung von Verdi’s Don Carlo war vor etwas mehr als einem Jahr der bis dato größte Erfolg der noch jungen Ära Meyer/Welser-Möst und war musikalisch schon das, was man als eine Sternstunde bezeichnen kann. Somit lag die Latte für die Reprise sehr hoch. Die aktuelle Serie konnte da im Vergleich nicht mithalten, wenngleich es auch eine gute Aufführung wurde.

Die Inszenierung von Daniele Abbado konzentriert sich auf die Geschichte. Die hervorragende Lichtregie von Alessandro Carletti ist der eigentliche Star der Inszenierung und sorgt für schöne und spannende Bilder.

 Von der Premierenserie blieb – was die Hauptrollen betrifft – lediglich Ramon Vargas in der Titelrolle übrig. Und wie bereits in der Premiere war er auch diesmal der Schwachpunkt der Aufführung.

Sein eher lyrischer Tenor geriet oft deutlich an seine Grenzen und für die Spinto-Höhen fehlte es da einfach an Stimmkraft, was ein gelegentliches Forcieren zur Folge hatte. Doch nicht nur stimmlich blieb Vargas blass, auch als Figur erschien er oft zu unbeteiligt. Sein Entsetzen, als er in der Gartenszene in Elisabetta doch Eboli erkennen musste, war kein solches und entbehrte nicht einer gewissen Komik. Und als er mit den flandrischen Gesandten vor seinen herrschaftlichen Vater trat, tat er das mit so wenig Konsequenz, dass es ein Leichtes für die Garde des Königs hätte sein müssen, ihn zu entwaffnen.

 Die Elisabetta des Abends, Tamar Iveri, hatte ähnlich stimmliche Probleme wie ihr Don Carlo. Denn auch Iveri, deren eher dunkler Sopran zu keiner Leuchtkraft fand, hatte besonders in den Höhen ihre Schwierigkeiten, denn diese klangen scharf und oft sehr gepresst, was eine sehr unschöne Färbung zur Folge hatte. Zudem schien es ihr für diese schwierige Partie auch an Atem zu fehlen. Die große Arie der Elisabetta gelang Iveri, die über eine gute Mittellage verfügte, dann doch recht gut. Für eine vollständig überzeugende Wiedergabe der Partie fehlte es der Sängerin an nötiger Raffinesse. In der Premierenserie war Krassimira Stoyanova da schon ein ganz anderes Kaliber.

 Während bei der ersten Aufführungsserie René Pape für so manchen ein etwas zu teutonischer König Philipp war, so blieben bei Ferruccio Furlanetto in dieser Partie keine Wünsche offen. Es ist immer wieder erstaunlich welche Stimmkraft und Stimmschönheit sich der italienische Bass auch nach jahrzehntelanger Karriere noch bewahrt hat. Der Filippo ist eine seiner Paradepartien und daher ist es nicht verwunderlich, dass Furlanetto eine bezwingende Intensität erreichte. Auf der einen Seite  ganz der Machtmensch, was er vokal sehr deutlich machen konnte. Zum anderen strahlte sein Bass in den intimen Momenten eine unglaubliche Wärme aus. Ella giammai m’amo war denn auch der berührende Höhepunkt des Abends. Der Bravo-Orkan der danach loslegte, sprach Bände.

 Als Posa konnte Ludovic Tézier über weite Strecken überzeugen. Mit seinem kraftvollen und markanten Bariton zeichnete er einen sehr dominanten Rodrigo, dem allerdings eine gewisse Klangmonotonie nicht ganz abgesprochen werden konnte. Desweilen ließ Tézier auch sanfte Lyrik vermissen. In der Sterbeszene setzte er auf viel zu laute Töne. Wie man die Partie differenzierter und auch farbenreicher singen kann, hat Simon Keenlyside in der Premierenserie eindrucksvoll bewiesen. Darstellerisch agierte Tézier adäquat, auch wenn er den Charakter seiner Figur wohl nicht tiefer ergründen wollte. Gestorben ist dieser Rodrigo, wie bereits angedeutet, gar einen Tick zu heldisch. Da wäre weniger mehr gewesen. Aber kein Rodrigo der letzten Jahre ist wohl berührender und eindringlicher gestorben als der von Keenlyside.

 Mit der Eboli wagte sich Violeta Urmana nach ihrem Fachwechsel zum dramatischen Sopran nun doch wieder einmal in Mezzosopran-Gefilde. Und die Eboli steht ihr stimmlich nach wie vor ausgezeichnet, auch wenn ihre Stimme beim Schleierlied nicht über die notwendige Flexibilität verfügte. Doch was man dann zu hören bekam war einfach ausgezeichnet. Die Gartenszene dominierte sie dank ihrer vokalen Fähigkeiten, bei O don fatale beeindruckte sie mit ihrer stimmlichen Wucht und einem ausgeprägten tiefen Register. Wenn auch ihre Rollenvorgängerin Luciana D’Intino die Partie mit mehr Italianità gestaltet hat, so hat Urmana gezeigt, dass sie, auch trotz manch spitzer Höhen, für die Eboli eine der ersten Adressen ist.

 Ebenfalls von der Premiere blieb noch Eric Halfvarson als Großinquisitor übrig, und stellte sich damit erneut als Luxusbesetzung für die Rolle heraus. Sein Bass ertönte mächtig dunkel und bedrohlich und im Zusammenhang mit seiner Erscheinung formte er ein starkes Rollenportrait.

 Mit klangvollem Bass hörte man den Mönch des Dan Paul Dumitrescu während Jinxu Xiahou als Herold und Conte di Lerma einen guten Eindruck vermittelte. Ileana Tonca war der Tebaldo und Valentina Nafornita war wieder die wahrlich überirdisch klingende Stimme vom Himmel.

 Franz Welser-Möst neigte zu besonders hoher Lautstärke. Sehr analytisch und oft nüchtern erklang die Musik Verdi’s, und somit blieben das Seelendrama und auch die Leidenschaft auf der Strecke. Die Konfrontationen des Königs mit Posa bzw. mit dem Großinquisitor sorgten allerdings für spannende Momente aus dem Orchestergraben.

 Bestimmt keine Sternstunde, aber eine gute Aufführung von Verdi’s Meisterwerk.

 Lukas Link

 

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